Debatte um Staatsdienst: Wie Behörden mit AfD-Mitgliedern umgehen wollen

Die Debatte um den Umgang mit AfD-Mitgliedern im Staatsdienst nimmt weiter Fahrt auf. Nachdem das Land Rheinland-Pfalz vergangene Woche eine Verschärfung der Einstellungskriterien für den öffentlichen Dienst angekündigt hatte, entbrannte bundesweit eine intensive Diskussion um die Verfassungsbindung von Staatsbediensteten – und die Frage, ob allein eine Parteimitgliedschaft bereits Grund genug für den Ausschluss aus dem Beamtenverhältnis sein kann.
In einer Pressemitteilung hatte der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) angekündigt:
„Künftig ist bereits im Einstellungsverfahren eine schriftliche Belehrung über die Verfassungstreue verpflichtend. Alle Bewerberinnen und Bewerber müssen erklären, dass sie keiner extremistischen Organisation angehören oder in den letzten fünf Jahren angehört haben. Bestandteil hierfür wird eine vom Verfassungsschutz regelmäßig aktualisierte, nicht abschließende Liste extremistischer Gruppierungen und Organisationen, bei denen hinreichend tatsächlich Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen. Auf dieser Liste wird daher auch die AfD geführt werden.“
Rückrudern nach heftiger Kritik
Nach heftiger Kritik von Staatsrechtlern, Gewerkschaften und Teilen der Politik stellte das rheinland-pfälzische Innenministerium am vergangenen Mittwoch klar: Ein pauschales Berufsverbot für Mitglieder der AfD wird es nicht geben. Stattdessen bleibt es bei einer Einzelfallprüfung – wie sie auch in den anderen Bundesländern praktiziert wird. Der neue Vorsitzende des Beamtenbundes dbb, Volker Geyer, stärkte diese Linie. Zwar betonte er unmissverständlich, dass für Extremisten kein Platz im Staatsdienst sei, gleichzeitig sprach er sich jedoch entschieden gegen pauschale Ausschlüsse allein aufgrund einer Parteizugehörigkeit aus.
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Innenminister Ebling lenkte wenig später ein. Im „Deutschlandfunk“ erklärte er, die Kommunikation sei missverständlich gewesen. Wer glaubhaft darlege, dass er oder sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung respektiere und keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolge, könne auch weiterhin in den Staatsdienst aufgenommen werden – trotz AfD-Mitgliedschaft.
Entscheidend sei, so der Innenminister, dass Zweifel an der Verfassungstreue durch das Verhalten oder frühere Äußerungen begründet sind – und nicht allein durch das Parteibuch. Die neue Vorschrift zielt demnach auf die Verpflichtung der Bewerber, schriftlich zu erklären, dass sie keiner extremistischen Organisation angehören oder in den letzten fünf Jahren angehörten. Wer diese Erklärung verweigert oder Zweifel nicht ausräumen kann, soll nicht eingestellt werden. Für bereits Beschäftigte im Staatsdienst könne eine nachgewiesene Nähe zu extremistischen Positionen disziplinarrechtliche Konsequenzen haben.
Geyer: „Extremisten haben im Staatsdienst nichts zu suchen“
Volker Geyer, der neue Vorsitzende des Beamtenbundes dbb, bezog in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ klar Stellung. Er teile die Sorge vieler Bürger über mögliche Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst, warnte aber zugleich vor überzogenen Maßnahmen. „Extremisten haben im Staatsdienst nichts zu suchen. Punkt. Ganz egal, aus welcher Ecke sie stammen“, sagte Geyer. Doch ein pauschaler Ausschluss aufgrund einer AfD-Mitgliedschaft sei nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar.
Auch Geyer verweist auf die juristischen Grenzen: „Entscheidend ist immer der Einzelfall. Alles andere würde man vor Gericht gar nicht durchbekommen.“ Nur wenn eine Person durch ihr Verhalten, ihre Äußerungen oder Aktivitäten als verfassungsfeindlich auffällt, könne ein Ausschluss gerechtfertigt sein.
Unterschiedliche Wege in den Bundesländern
Während Rheinland-Pfalz die bestehenden Regelungen präzisiert hat, gehen andere Bundesländer bereits seit Längerem eigene Wege – mit teilweise strengeren Vorgaben.
Schleswig-Holstein kündigte im Zuge der Debatte die Einführung einer verbindlichen Regelabfrage beim Verfassungsschutz an. Darüber hatte unter anderem die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Vor der Einstellung von Bewerbern soll automatisch geprüft werden, ob Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Aktivitäten vorliegen.
Brandenburg geht seit 2024 einen ähnlichen Weg: Dort werden Beamtenanwärter grundsätzlich durch den Verfassungsschutz überprüft, wie aus einer damals veröffentlichten „Pressemitteilung“ des Innenministeriums hervorgeht.
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Niedersachsen plant derzeit die Einführung eines Fragebogens, in dem Bewerber Auskunft über frühere Mitgliedschaften oder Unterstützungen extremistischer Organisationen geben müssen. „Im Umgang mit Beamtinnen und Beamten, die Mitglieder der AfD sind, werden wir auch in Zukunft einzelfallbezogen sehr konsequent disziplinarrechtliche Schritte einleiten, wenn sich Zweifel an ihrer Verfassungstreuepflicht ergeben“, sagte Innenministerin Daniela Behrens (SPD). Zudem prüfe das Land eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen.
Bayern hat die AfD Ende Juni offiziell auf eine Liste extremistischer Organisationen gesetzt. Diese wird vom Innenministerium geführt und dient als Grundlage für Eignungsprüfungen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stellte jedoch klar, dass auch in Bayern die individuelle Prüfung Maßstab bleibe: „Eine bloße Mitgliedschaft führt nicht zwangsläufig zur Ablehnung.“
Sachsen erklärte vor einigen Tagen, dass eine AfD-Mitgliedschaft allein weiterhin kein Hinderungsgrund für eine Einstellung im öffentlichen Dienst sei. Auch hier gelte der Maßstab der Einzelfallbewertung.
Reul: „Kein Freund von Schnellschüssen“
Auch aus Nordrhein-Westfalen kamen mahnende Stimmen. Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte schon im Mai in einem Interview mit dem WDR, dass eine Mitgliedschaft in einer rechtsextrem eingestuften Partei allein nicht ausreiche, um eine Person aus dem Dienst zu entfernen. „Man muss nachweisen, dass genau diese Person ihre Treuepflicht gegenüber dem Staat verletzt hat“, betonte Reul. Er sprach sich gegen „Schnellschüsse“ aus und verwies auf die Rechtsstaatlichkeit: „Jeder Fall muss einzeln geprüft werden.“
Keine Abfrage der Parteizugehörigkeit auf Bundesebene
Auf Bundesebene erklärte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa, dass es keine Abfrage zur Parteizugehörigkeit bei Beamten oder Tarifbeschäftigten gebe – auch nicht bei Neueinstellungen. Maßgeblich sei allein das Verhalten im Sinne der Verfassungstreue. Für Tätigkeiten mit hoheitlichem Charakter müsse die Loyalität zum Grundgesetz erkennbar sein.
Gleichzeitig kündigte das Bundesinnenministerium an, gemeinsam mit den Ländern eine Arbeitsgruppe einzusetzen, um ein abgestimmtes Vorgehen zu entwickeln. Voraussetzung dafür sei jedoch die gerichtliche Bestätigung der aktuell ausgesetzten Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Hürden für Ausschluss aus dem Staatsdienst hoch
Die rechtlichen Hürden für einen Ausschluss aus dem Staatsdienst sind hoch – insbesondere für bereits verbeamtete Personen. Auf dem „Verfassungsblog“ erklärt das der Autor Sofiane Benamor, Regierungsinspektor im Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Die bloße Mitgliedschaft in der AfD reicht nach derzeitiger Rechtslage nicht aus, um einem Beamten die politische Treuepflicht abzusprechen oder ihn aus dem Staatsdienst zu entfernen. Zwar hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft, doch diese Einordnung allein hat noch keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen für Beamte.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings in einem Urteil zur rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ 2024 entschieden, dass bereits eine passive Mitgliedschaft dort als Verstoß gegen die Treuepflicht gewertet werden kann – wegen der besonderen extremistischen Struktur und Loyalitätsanforderungen der Partei. Dieser Sonderfall lässt sich, so der Verfassungsblog-Autor, aber nicht direkt auf die AfD übertragen, da die AfD eine größere, heterogenere Partei ist und interne Richtungsstreitigkeiten sowie kein durchgehendes Aktivitätsgebot aufweist.
Bisher nur eine einzige rechtskräftige Entlassung
Tatsächlich gibt es bundesweit wenige Fälle, in denen AfD-Mitglieder aus dem Staatsdienst entfernt wurden. Der bekannteste Fall ist der des früheren Staatsanwaltes Thomas Seitz, der von 2017 bis März 2024 für die AfD im Bundestag saß. Im März trat Seitz aus der AfD aus und hielt sein Bundestagsmandat bis zur Neuwahl des aktuellen Bundestages als parteiloser Abgeordneter.
Ein Disziplinargericht in Karlsruhe beschloss 2018 seine Entlassung, bestätigt 2021 vom Stuttgarter Dienstgerichtshof, unter Berufung auf wiederholt rassistische und islamfeindliche Online-Äußerungen sowie die Vermischung seines Amtes mit politischem Agieren. Eine Entfernung aus dem Staatsdienst aufgrund seiner AfD-Mitgliedschaft wurde durch das Gericht allerdings nicht vorgenommen.
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Nicht entfernt, aber aus disziplinarrechtlichen Gründen in den Ruhestand versetzt, wurde der ehemalige Richter Jens Maier, der bis 2021 für die AfD im Bundestag saß. Es bestand der Verdacht, durch seine rechtsextremen Äußerungen das Vertrauen in das Amt zerstört zu haben. Sachsens damalige Justizministerin hatte zuvor erklärt, dass ein Rückkehranspruch für den Richter nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag bestehe und „Herr Maier mit Wirkung vom 14. März 2022 in den Richterdienst als Amtsrichter am Amtsgericht Dippoldiswalde zurückgeführt“ werde.
Gleichzeitig habe man am Landgericht Leipzig einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand wegen Parteilichkeit gestellt. „Zudem habe ich einen Eilantrag beim Dienstgericht für Richter gestellt, Herrn Maier ab dem Zeitpunkt seiner Rückkehr in den Dienst die Führung der Amtsgeschäfte vorläufig zu untersagen“, so die Justizministerin damals. Das Landgericht gab dem Antrag des sächsischen Justizministeriums statt. Im Oktober 2023 bestätigte das Dienstgericht des Bundes beim Bundesgerichtshof diese Entscheidung in letzter Instanz. Seine Pension darf er aber behalten. Auch Maier wurde nicht wegen seines Parteibuchs in den Ruhestand versetzt.
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