30 Jahre Srebrenica-Massaker: Das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg

Vor rund drei Jahrzehnten ereignete sich in Europa ein Verbrechen, bei dem viele Menschen in Bosnien ums Leben kamen. Heute wird derer Gedacht, die ihr Leben verloren haben. Einen gab es der das Unglück überlebt hat und sucht bis heute nach Überresten.
Titelbild
Sadik Selimovic, 62, ein Ermittler beim Bosnischen Institut für Vermisste Personen, blickt auf die Stelle eines ehemaligen Massengrabs in der Nähe der Stadt Zvornik im Osten Bosniens, am 3. Juni 2025.Foto: Elvis Barukcic/afp Getty Images
Epoch Times11. Juli 2025

In Srebrenica findet am Freitag eine Gedenkfeier zur Erinnerung an das Massaker in der bosnischen Stadt vor 30 Jahren statt. Während der Zeremonie sollen die sterblichen Überreste weiterer Opfer in der Srebrenica-Gedenkstätte in Potocari beigesetzt werden.

Erwartet werden tausende Menschen, darunter auch die Teilnehmer eines 100 Kilometer langen „Friedensmarsches“, die am Dienstag im ostbosnischen Dorf Nezuk aufgebrochen waren. Nach Nezuk hatten sich 1995 vor dem Massaker fliehende Überlebende gerettet.

Das Massaker von Srebrenica im Jahr 1995 gilt als das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Kurz vor dem Ende des Bosnienkriegs hatten Truppen des bosnisch-serbischen Armeechefs Ratko Mladic am 11. Juli 1995 die damalige UN-Schutzzone in Srebrenica gestürmt und mehr als 8000 muslimische Jungen und Männer verschleppt, getötet und in Massengräbern verscharrt.

Abgeordnete sollen auf Symbol verzichten

Die Bundestagsabgeordneten sind aufgefordert, bei der an diesem Freitag stattfindenden Debatte anlässlich des 30. Jahrestages des Völkermords von Srebrenica auf das Tragen der sogenannten „Srebrenica-Blume“ zu verzichten.

„In der parlamentarischen Debatte gilt der Grundsatz, dass diese ausschließlich durch das Wort geführt wird, nicht mittels von Symbolen, Aufklebern oder anderen gegenständlichen Demonstrationen“, sagte ein Sprecher von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) der „Rheinischen Post“.

Im Präsidium sei daher besprochen worden, „in dieser Wahlperiode grundsätzlich darauf hinzuwirken, dass im Plenarsaal auf das Tragen von Symbolen verzichtet wird“.

Abgeordnete der SPD-Fraktion wollen während der Debatte Anstecknadeln in Form der weiß-grünen Blume tragen, die zur Erinnerung an den Völkermord in Srebrenica verwendet wird.

Sie besteht aus elf weißen Blütenblättern, die an das Datum 11. Juli 1995 erinnern, und einem grünen Stempel. Die weiße Farbe symbolisiert die unschuldig Getöteten, die grüne steht für Hoffnung.

Ein Überlebter sucht nach Überresten

Sadik Selimovic hatte Glück: Er überlebte das Massaker von Srebrenica, das sich an diesem Freitag das 30. Mal jährt. Doch seine drei Brüder und sein Vater wurden damals von bosnisch-serbischen Truppen ermordet – wie mehr als 8000 weitere muslimische Männer und Jungen.

Die Suche nach den Überresten von Srebrenica-Opfern hat Selimovic zu seiner Lebensaufgabe gemacht.

Dass etwa tausend Opfer des Völkermords noch immer nicht gefunden wurden, empfindet der 62-Jährige als schier unerträglich. Als Ermittler beim Bosnischen Institut für Vermisste fahndet er nach Anhaltspunkten dafür, wo die Toten verscharrt sein könnten.

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„In den vergangenen drei Jahren haben wir an 62 Orten gesucht“, in der Hoffnung, Massengräber zu finden, erzählt Selimovic. „Aber wir haben keine einzige Leiche gefunden.“

Bereits zu Beginn des Bosnien-Krieges 1992 hatten bosnisch-serbische Einheiten die hauptsächlich von Muslimen bewohnte Kleinstadt Srebrenica belagert. Die Vereinten Nationen erklärten Srebrenica zur Schutzzone und entsandten UN-Soldaten.

Doch diese verhinderten nicht, dass die bosnisch-serbischen Truppen im Juli 1995 tausende Muslime binnen weniger Tage ermordeten.

„Diejenigen, die wissen, wo sich die Gräber befinden, wollen es nicht sagen”

Selimovic ist ständig auf der Suche nach serbischen Zeugen der Gräueltaten. Vor dem Krieg waren viele von ihnen seine Nachbarn, Schulfreunde oder Arbeitskollegen in der Batteriefabrik von Potocari, die heute eine Gedenkstätte für den Völkermord ist.

„Diejenigen, die wissen, wo sich die Massengräber befinden, wollen es nicht sagen“, sagt Selimovic. „Wie können sie mit dem leben, was sie wissen?“ fragt er sich. „Ich kann das nicht verstehen. Aber es gibt Leute, die geredet haben. Das muss auch gesagt werden.“

Zuletzt wurde 2021 ein Grab mit zehn Opfern in der Region Dobro Polje entdeckt, 180 Kilometer südwestlich der Stadt. Mehr als 6800 Opfer, etwa 80 Prozent der Ermordeten, seien bis heute identifiziert, sagt Dragana Vucetic, forensische Anthropologin bei der Internationalen Kommission für vermisste Personen (ICMP).

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In der Leichenhalle der Organisation in Tuzla lägen noch die Überreste von „90 Fällen, deren genetischer Fingerabdruck (DNA) isoliert wurde“, erläutert sie. Wer diese Menschen waren, sei jedoch immer noch unklar.

Bei den Überresten von etwa 50 weiteren Opfern in der Halle ist die Identität geklärt. „Aber die Familien wollen sie noch nicht begraben lassen. Meistens, weil die Skelette unvollständig sind“, sagt die Expertin.

Zunächst hätten die Mörder die Toten in große Gräber in der Nähe der „fünf Massenhinrichtungsstätten“ geworfen, berichtet Vucetic. „Ein paar Monate später wurden diese Gräber wieder geöffnet und die Leichen, die schon angefangen hatten zu verwesen, wurden an andere Orte gebracht, manchmal hunderte Kilometer entfernt.“

Dort seien die Leichen mit Baggern und Bulldozern „in Stücke gerissen“ und oft an zwei oder drei verschiedenen Stellen verscharrt worden, um das Verbrechen zu vertuschen. „Bei den Exhumierungen haben wir nur in zehn Prozent der Fälle vollständige Leichen gefunden“, sagt Vucetic.

Er wird nun begraben, wenn auch unvollständig

Mithilfe von DNA-Tests konnten einige Skelette vervollständigt werden, deren Teile manchmal in vier verschiedenen Massengräbern gefunden worden waren. Zwischen 2012 und 2022 wurden etwa 6000 Männer und Jungen identifiziert, seither glückt das seltener. Seit Jahresbeginn waren es nur drei Fälle.

Mevlida Omerovic hofft seit 2013, dass alle Teile des Skeletts ihres Mannes Hasib gefunden werden. Hasib war 33, als er zusammen mit seinem Bruder Hasan ermordet wurde. „Wir haben nur seinen Kiefer, aber ich habe jetzt beschlossen, ihn begraben zu lassen“, sagt die 69-jährige Witwe.

„Dann haben wir ein Grab, und wir können dorthin gehen und beten.“ Von Omerovics Bruder Senad, der mit 17 Jahren getötet wurde, fehlt bis heute jede Spur.

Ermittler Selimovic hat die Überreste seiner Brüder und seines Vaters gefunden. Zuletzt konnte er seinen kleinen Bruder Sabahudin 2023 beerdigen. Dennoch will er weitermachen. „Das hält mich am Leben. Ich weiß, wie es ist, wenn man erfährt, dass ein Angehöriger gefunden wurde“, sagt er.

Also liest er Zeugenaussagen, durchkämmt die Gegend, schaut sich immer wieder dieselben Orte an. Auch die Drina, den Grenzfluss zwischen Bosnien und Serbien, der unweit von Srebrenica fließt.

„Ich befürchte, dass die Drina das größte Massengrab ist“, sagt Selimovic. „Niemand wird jemals diejenigen finden, die dort gelandet sind.“ (dts/afp/red)



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