Ab Herbst möglich: Von Oslo nach Athen mit einem Bahnticket

Der Ticketkauf für Bahnfahrten durch Europa soll ab Herbst einfacher werden. Dann schließt sich die Deutsche Bahn an eine technische Schnittstelle an, die das bislang zersplitterte System vereinheitlichen soll.
Bis Ende 2026 wird die DB „Tickets aller großen Bahnen unserer Nachbarländer direkt über bahn.de und die App DB Navigator verkaufen können“, verspricht das Unternehmen.
„Der internationale Fernverkehr boomt“, sagt Michael Peterson, Vorstand im DB-Fernverkehr. 2024 sei für den bundeseigenen Konzern das stärkste Jahr in diesem Bereich gewesen – mit einem Wachstum von 22 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019.
„Es gibt kein integriertes europäisches Bahnnetz“
Immer wieder nimmt die Bahn neue Verbindungen ins Angebot auf, zuletzt eine ICE-Direktverbindung zwischen Berlin und Paris. Doch Bahnreisen in Europa bleiben problematisch.
„Es gibt kein integriertes europäisches Bahnnetz“, sagt der Grünen-Politiker Matthias Gastel. Der Bundestagsabgeordnete, der seeit Jahren die Bahnpolitik verfolgt, sitzt im Aufsichtsrat der Bahn-Infrastrukturtochter InfraGo.
Die Schwierigkeiten beginnen schon beim Fahrkartenkauf. Für grenzüberschreitende Fahrten sind oft mehrere Fahrscheine nötig, die einzeln gekauft werden müssen. Fahrgastrechte greifen nicht, etwa bei verpassten Anschlusszügen. Tickets von Wettbewerbern wie Flix verkauft die Bahn nicht – laut Gastel, weil die DB „horrend hohe Provision erwartet, die nur dazu da ist, abzuschrecken“.
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Auch der technische Betrieb grenzüberschreitender Strecken ist kompliziert. „Die Probleme fangen oft an, wenn eine Zugstrecke an eine Landesgrenze stößt“, sagt Sebastian Wilken, der über das internationale Zugfahren auf seinem Blog Zugpost schreibt. Es geht um die Stromversorgung, Leit- und Sicherungstechnik, Spurbreiten oder auch die Sprachkenntnisse der Lokführer.
Zumindest der Ticketkauf soll bald einfacher werden. Europäische Bahnen einigten sich vor Jahren auf die Einführung des Schnittstellenstandards OSDM (Open Sales and Distribution Model).
Bahn-Manager Peterson nennt OSDM die „Sprache, in der die europäischen Bahnen und Vertriebsdienstleister ihre Daten miteinander austauschen“. Die DB erhalte so Zugriff auf das komplette Ticket-Portfolio der beteiligten Bahnen und umgekehrt.
Bald von Oslo nach Athen mit einem Ticket
Ab Herbst 2025 gilt der Standard für die Österreichischen und die Schweizer Bundesbahnen ÖBB und SBB. Monatlich sollen weitere Partner hinzukommen.
„Wir gehen davon aus, dass bis Ende nächsten Jahres Europa nahezu flächendeckend entsprechend angebunden ist“, sagte Peterson. „Damit kommen wir einem großen Ziel näher.“ Die Buchung von Oslo nach Athen oder Warschau nach Barcelona werde in einem Buchungsschritt möglich.
Bahnen und Vertriebsdienstleistern können selbst entscheiden, ob sie OSDM umsetzen. Auf Vergütungen, die sich die Bahnen untereinander für den Verkauf von Tickets zahlen, hat dieser keinen Einfluss.
Bahn-Konkurrent Flix war nach eigenen Angaben nicht an der Entwicklung beteiligt gewesen. „OSDM bietet zwar einige positive Eigenschaften, birgt aber auch Herausforderungen für neue Marktteilnehmer.“ Es verweist auf Kosten und die komplexe Umsetzung.
DB-Kunden profitieren laut Konzern von mehreren Vorteilen. „Ich kann eine internationale Fahrt genauso einfach buchen wie eine nationale Fahrt“, sagt Peterson. Der Hinweis „Preis ermitteln“ ist bei internationalen Verbindungen dann weitgehend Geschichte. Stattdessen erhalten Kunden direkt eine Preisauskunft.
Zudem können Bahnen günstige Preise anderer Bahnen kombinieren. Während der Reise sollen die Fahrgäste über das Handy informiert werden. Auch Tickets für den Regionalverkehr im Ausland lassen sich einfacher kaufen.
Will die EU einen anderen Standard als OSDM?
Dass Handlungsbedarf besteht, ist auch in Brüssel bekannt. In den Leitlinien von Behördenchefin Ursula von der Leyen heißt es, grenzüberschreitende Bahnreisen seien für viele Bürger nach wie vor zu kompliziert. „Die Menschen sollten offene Buchungssysteme nutzen können, um transeuropäische Reisen bei mehreren Dienstleistern erwerben zu können, ohne ihren Anspruch auf Erstattung oder Ersatzreisen zu verlieren.“
Die EU-Kommission plant einen Gesetzesvorschlag für „einheitliche digitale Buchungs- und Ticketdienste“. Dieser solle sicherstellen, dass „Europäerinnen und Europäer ein einziges Ticket auf einer einzigen Plattform kaufen und ihre Fahrgastrechte für die gesamte Reise wahrnehmen können“.
„Grundsätzlich habe ich keine Befürchtungen, was die EU-Kommission regulieren will, weil wir von den Zielen her exakt das Gleiche wollen“, sagt Peterson. Allerdings möchte die Behörde einen anderen Standard als OSDM vorschreiben.
„Meine Befürchtungen sind, dass wir Jahre in OSDM investiert haben, dass wir es in der IT umgesetzt haben – das kostet Geld, das kostet Zeit – und dass die EU eine entsprechende Regulierung nicht vor 2026 auf den Weg bringen würde.“ (dpa/red)
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