AfD-Klage: Karlsruhe soll Streit um „Otto-Wels-Saal“ im Bundestag schlichten

Die AfD-Fraktion im Bundestag will ihren Kampf um einen größeren Fraktionssitzungssaal im Reichstagsgebäude nicht aufgeben: Am vergangenen Freitag, 4. Juli 2025, hat die Fraktion eine Klage und einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht.
Nun muss sich also das höchste deutsche Gericht mit der Frage beschäftigen, ob die Entscheidung des Ältestenrats des Bundestags, der zweitgrößten Fraktion nur den drittgrößten Sitzungssaal im Reichstag zuzuweisen, rechtens war.
Ein Sprecher des BVerfG bestätigte auf Anfrage der Epoch Times den Eingang der Klage und des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter dem Verfahrenskürzel 2 BvE 14/25. Derzeit sei nicht „konkret absehbar“, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei.
Ein Pressesprecher der AfD-Fraktion erklärte auf Anfrage der Epoch Times, er erwarte eine Entscheidung in der Eilsache in den kommenden Wochen. Ein Fragenkatalog der Epoch Times an die Fraktion der SPD blieb bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unbeantwortet.
AfD will in den Sitzungssaal der SPD ziehen – Brandner spricht von „Missbrauch institutioneller Macht“
Die AfD-Fraktion beharrt mit ihrer seit der Bundestagswahl von 77 auf nunmehr 151 Abgeordnete gestiegenen Vertreterzahl darauf, dass ihr anstelle des nur 252 Quadratmeter großen früheren FDP-Raums Nr. 3N-039 eigentlich der mit 462 Quadratmetern Fläche zweitgrößte Saal im Hauptgebäude zusteht – nämlich Raum 3S-001.
Den aber besetzt nach wie vor die SPD-Fraktion, obwohl sie im Parlament mit 120 Parlamentariern seit der Bundestagswahl nur noch die drittstärkste Kraft darstellt. Als Kanzlerfraktion in der Ampelregierung kam die SPD 2021 noch auf 206 Abgeordnete.
Der Ältestenrat des Bundestags, zuständig für Streitfragen und Organisatorisches, hatte der SPD-Fraktion am 22. Mai 2025 trotz deren Verkleinerung das Recht auf Verbleib in ihrem angestammten Saal gewährt – und zwar durch einen Mehrheitsbeschluss aller Fraktionen außer der AfD. Nach Auskunft des Pressereferats des Bundestags entspricht dies den Ratsbefugnissen gemäß Paragraf 6 (3) der Geschäftsordnung des Bundestags. Auch Unionsvertreter schlossen sich der Position ihres kleinen Koalitionspartners an. Die AfD kündigte noch am selben Tag an, die Entscheidung „mit allen Mitteln“ anzufechten.
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Stephan Brandner, der Justiziar der AfD-Fraktion, sprach anlässlich der Verfassungsklage in einer Pressemitteilung von einer „willkürliche[n] Benachteiligung der Oppositionsführer“ und vom „Missbrauch institutioneller Macht“.
Wer meint, durch Raumzuteilung parlamentarische Stärke ignorieren oder neutralisieren zu können, beschädigt die demokratische Ordnung in ihrem Kern“, so Brandner.
Vosgerau hofft auf „Notbremse“ durch Verfassungsgericht
Nach Ansicht des Staatsrechtlers Ulrich Vosgerau, der die Antragsschrift im Auftrag der AfD verfasst hatte, darf der Ältestenrat des Bundestags gar nicht über jene Rechte der „Gleichbehandlung“ und der „fairen Teilhabe“ befinden, die der AfD-Fraktion entsprechend ihrem Zweitstimmenanteil zustehen würden.
„Es ist in der bisherigen Parlamentsgeschichte in Deutschland noch nie jemand auf den Gedanken gekommen, es könnte etwa der Ältestenrat festlegen, dass die deutlich zweitstärkste Fraktion nur den eindeutig zu kleinen, drittgrößten Sitzungssaal bekommt“, stellte Vosgerau am vergangenen Montag, 7. Juli, während einer Pressekonferenz der AfD-Fraktion fest. Es gebe „wirklich kein tragfähiges Gegenargument“, das begründen könne, warum der Rat sich über die Gebote der „fairen und loyalen Anwendung der Geschäftsordnung und eben der Gleichbehandlung aller Fraktionen“ hinwegsetzen könne.
Mit Blick auf andere teilweise noch anhängige Organstreitverfahren der AfD – etwa zur Verweigerung bestimmter Ausschussvorsitze durch die übrigen Fraktionen – betonte Vosgerau, das BVerfG hätte besser von Anfang an klargemacht, dass es keine Diskriminierung einer Bundestagsfraktion dulde. Solange das BVerfG kein Parteiverbot ausgesprochen habe, besitze schließlich niemand das Recht, eine Partei oder Fraktion als „eine Partei geminderten Rechts“ oder als „Partei, die nur so halb verfassungsgemäß“ sei, zu behandeln.
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Stattdessen aber, so Vosgerau, habe es das BVerfG immer wieder „teilweise aus staatsrechtlicher Sicht überraschend“ vorgezogen, sich im Umgang mit AfD-Klagen auf die „Mehrheitsposition des Bundestags“ zuzubewegen. Die bisherigen Entscheidungen aus Karlsruhe zur AfD hätten dadurch „nicht zu einer Befriedung der Rechtslage“ geführt. Eines Tages aber werde das Verfassungsgericht „die Notbremse ziehen müssen“, so Vosgerau (Video auf YouTube).

AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann zeigt, wie viel Platz den 120 SPD-Abgeordneten im 462 Quadratmeter großen Raum S3-001, dem sogenannten Otto-Wels-Saal, zur Verfügung steht. Foto: Bildschirmfoto/X/Epoch Times
SPD argumentiert mit Status als Regierungsfraktion
Die SPD-Fraktion hatte ihren Verbleib in ihrem alten Versammlungsraum in erster Linie mit ihrem Status als Regierungsfraktion begründet.
Am Tag der Entscheidung des Ältestenrats führte etwa Dirk Wiese, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, den kurzen Weg zum Fraktionssaal des Koalitionspartners Union als Argument ins Feld. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch hatte kurz zuvor argumentiert, dass die Fraktion zuweilen auch Regierungsmitarbeitern Platz bieten müsse.
Außerdem sei die SPD-Fraktion auch aus historischen Gründen nicht bereit, den „Otto-Wels-Saal“ an die AfD abzutreten, so Miersch. Der Name geht auf den früheren SPD-Vorsitzenden und NSDAP-Gegner Otto Wels (1873–1939) zurück.
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Baumann schlägt Namensmitnahme bei Umzug vor
Bernd Baumann, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, stellte schon vor einigen Wochen klar, dass es der SPD-Fraktion im Fall eines Umzugs freistehe, den Namen Otto Wels auch bei einem Umzug in einen kleineren Saal zu verwenden. Denn offiziell firmiere der Raum bei der Bundestagsverwaltung schon seit jeher lediglich unter der Bezeichnung „3S-001“ (Video auf YouTube).
Baumann hatte schon kurz vor dem Schiedsspruch des Ältestenrats ausgerechnet, dass jedem SPD-Fraktionsmitglied 4 Quadratmeter zur Verfügung stehen würden, während ein AfD-Parlamentarier nur 1,6 Quadratmeter in dem inzwischen zugewiesenen ehemaligen FDP-Saal nutzen könne (Video der Epoch Times auf X).

Dr. Bernd Baumann (AfD) bemängelt die Platzverhältnisse im früheren Sitzungssaal der FDP-Fraktion. Foto: Bildschirmfoto/X/Epoch Times
Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Baumann auf seinem YouTube-Kanal ein Video, indem er jene Wege im Regierungsviertel abschritt, die AfD-Abgeordnete zwischen ihren Büros im Reichstag und einem inzwischen provisorisch genutzten Saal im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus zurücklegen müssen.
Dorthin war die AfD-Fraktion ausgewichen, weil sie die Arbeit in dem deutlich kleineren Ex-FDP-Saal für unzumutbar hält. Dies nicht nur wegen der Platzverhältnisse, sondern auch wegen des aus ihrer Sicht unzureichenden Brand- und Arbeitsschutzes, den die Bundestagsverwaltung unter Berufung auf einen Brandschutzgutachter allerdings abstreitet, wie Medien berichteten.
Aus Sicht Baumanns greift das SPD-Argument der notwendigen räumlichen Nähe zum Koalitionspartner nicht: Immerhin befänden sich alle Fraktionssäle im Bundestag auf einer Ebene und seien zu Fuß in unter einer Minute erreichbar. Überhaupt bestimme die Stärke einer Fraktion gemäß Paragraf 11 der Bundestagsgeschäftsordnung stets die Reihenfolge bei der Verteilung von Ressourcen – was seiner Meinung nach auch für die Zuteilung der Räume gelte (Video auf YouTube).

Der Grundriss zeigt die Fraktionsetage im Reichstagsgebäude. Oben rechts im Bild liegt der Fraktionssaal Nr. 3S-001, in dem die SPD-Fraktion residiert. Raum 3N-001 beherbergt die Unionsfraktion. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/Bernd Baumann
Der „Otto-Wels-Saal“
Die SPD nutzt ihren Fraktionssaal S3-001, seit das Parlament 1999 von Bonn nach Berlin umgezogen war. Nach Angaben des SPD-nahen Blattes „vorwärts“ wurde der Raum bereits damals von der Fraktion auf den Namen „Otto-Wels-Saal“ getauft.
2013 hatte die Partei einen Otto-Wels-Preis für Demokratie ins Leben gerufen. Seitdem wird er fast jedes Jahr an junge Leute verliehen, die sich in besonderer Weise für die Demokratie engagieren. Zuletzt war der Preis am 25. Juni im gleichnamigen Saal vergeben worden.

Am 25. Juni 2025 fand im „Otto-Wels-Saal“ der SPD-Fraktion eine Feierstunde zum gleichnamigen Jugendpreis statt. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/SPD-Fraktion
Otto Wels war von 1919 bis 1933 SPD-Parteichef. Seine Rede (PDF), mit der er am 23. März 1933 anlässlich einer Reichstagssitzung in der Berliner Krolloper gegen das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten aufbegehrte, ging in die Geschichte ein.
Während sich damals SA- und SS-Männer des NSDAP-Regimes bereits im Sitzungssaal postiert hatten, fand Wels unter anderem die Worte: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“ (Audio auf YouTube). Er starb im September 1939 im Pariser Exil.
Die SPD wurde im Juni 1933 von der NSDAP-Regierung schließlich verboten und es folgte die Selbstauflösung aller bürgerlichen Parteien.
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SPD will Weg für AfD-Parteiverbot freimachen
Ende Juni beschloss die SPD auf ihrem Parteitag einstimmig, ein Parteiverbot der AfD prüfen zu lassen. Falls eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ausreichend Belege für die Verfassungswidrigkeit der AfD zusammenbekäme, wolle man „unverzüglich“ einen Verbotsantrag in Karlsruhe stellen.
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte die Gesamtpartei AfD Anfang Mai, noch kurz vor der Regierungsübernahme durch die schwarz-rote Koalition, zunächst als gesichert rechtsextreme Bewegung eingestuft. Wenige Tage später aber zog das BfV die Zuschreibung wieder vorläufig zurück, nachdem die AfD sich juristisch dagegen gewehrt hatte. Auch die Beobachtung der Partei wurde fürs Erste auf Eis gelegt. Die sogenannte Stillhaltezusage des BfV soll gelten, bis das Verwaltungsgericht Köln über den Eilantrag der AfD entschieden hat.
Über ein Parteiverbot kann auf Antrag von Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat ausschließlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
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