SPD hat mit Bas und Klingbeil ein neues Führungsduo und Generalsekretär Tim Klüssendorf

Schwerer Schlag für Klingbeil: Der Vizekanzler schrammt knapp am historisch schlechtesten Wahlergebnis eines SPD-Chefs vorbei. Seine Co-Vorsitzende geht dafür umso gestärkter aus dem Parteitag.
Die neue SPD-Doppelspitze.
Die neue SPD-Doppelspitze.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times28. Juni 2025

Vier Monate nach dem historischen Debakel bei der Bundestagswahl hat die SPD ein neues Führungsduo: Neben Vizekanzler Lars Klingbeil steht nun Arbeitsministerin Bärbel Bas an der Parteispitze. Zusammen sollen sie den Sozialdemokraten in einer tiefen Krise neue Orientierung geben.

Klingbeil startet jedoch mit einem schweren Dämpfer in diese Aufgabe: Er schrammte knapp am schlechtesten Ergebnis in der Geschichte der SPD-Vorsitzwahlen vorbei. Das macht deutlich: In der SPD rumort es – wegen der zuletzt rigorosen Personalpolitik, aber auch beim Thema Krieg und Frieden.

Klingbeil mit zweitschlechtestem Ergebnis aller SPD-Chefs

Während es in der Aussprache auf dem Berliner Parteitag vergleichsweise zurückhaltend blieb, machten die SPD-Delegierten ihrem Unmut bei der Wahl der Parteispitze kräftigt Luft. Klingbeil erhielt 64,9 Prozent der Stimmen – das zweitschlechteste Ergebnis eines SPD-Chefs aller Zeiten.

Nur Oskar Lafontaine hatte 1995 mit 62,6 Prozent noch weniger Zustimmung bekommen – anders als Klingbeil allerdings mit einem Gegenkandidaten, Rudolf Scharping.

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„Das Ergebnis ist für mich ein schweres Ergebnis“, sagte der Vizekanzler. Er hätte sich gewünscht, der ein oder andere hätte diesen Unmut auch in der Debatte geäußert. Zugleich verteidigte er seine Entscheidungen der letzten Monate: „Es war richtig, dass wir uns neu aufgestellt haben, um zu Stärke zurückzukehren.“

Die Parteilinke Bas, die eine mitreißende und launige Bewerbungsrede hielt, bekam dagegen kräftige Rückendeckung von der Partei: Die 57-Jährige erhielt 95 Prozent der Delegiertenstimmen.

Klingbeil räumt Fehler ein

Zuvor hatte Klingbeil Fehler im Wahlkampf und in seinem Verhalten nach der Bundestagswahl eingeräumt. Er trage ohne Frage Verantwortung für das historisch schlechte Ergebnis von 16,4 Prozent, sagte der Vizekanzler.

Er bat seine Partei fast inständig, dass sie „nach einer Klartext-Aussprache über die letzten Monate“ wieder gemeinsam nach vorne schauen möge.

Das schlechteste Bundestagswahl-Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik – in solchen Situationen sind schon Parteichefs zurückgetreten. Klingbeil aber griff im Februar nach der Macht und machte sich zum Hauptansprechpartner für Wahlsieger Friedrich Merz bei den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen.

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Auf dem Parteitag versicherte Klingbeil, er habe „nicht aus Selbstzweck“ gehandelt, „sondern weil ich alles dafür tun will, dass unsere Partei wieder stark wird“.

Nach der Wahl habe es für ihn nur zwei Möglichkeiten gegeben: „Entweder ich höre auf oder ich gehe voll in die Verantwortung für die SPD.“ Er habe sich fürs Kämpfen entschieden.

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Bas kritisiert Umgang mit Esken

Heute ist der 47-jährige Niedersachse Vizekanzler und führt mit dem Finanzministerium das mächtigste Ressort der Bundesregierung. Auf wichtigen Positionen installierte er Vertraute. Seine bisherige Co-Parteichefin Saskia Esken dagegen sitzt künftig als einfache Abgeordnete im Bundestag.

Klingbeils neue Co-Vorsitzende übte deutliche Kritik am Umgang der Partei mit Esken. Diese habe erleben müssen, „dass Solidarität nicht immer selbstverständlich ist – auch nicht in der Sozialdemokratie“. Doch wenn die SPD für eine solidarische Gesellschaft kämpfen wolle, müsse sie zuallererst eine solidarische Partei sein. „Sonst glaubt uns das keiner!“

Esken selbst hatte der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ vor dem Parteitag gesagt, sie habe sicher auch Fehler gemacht. „Aber die Art, wie Häme über mich ausgekübelt worden ist, war unverhältnismäßig und würdelos.“

SPD sucht inhaltliche Orientierung

Bas steht auch inhaltlich für die angestrebte Neuausrichtung der SPD: Die Sozialdemokraten wollen wieder mehr auf ihre traditionellen Kernthemen setzen und wieder zur Partei der Arbeit werden. Mit dem Parteitag will die SPD den Prozess für ein neues Grundsatzprogramm anstoßen.

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Der ehemalige Arbeitsminister Hubertus Heil, der im SPD-Personalkarussell leer ausging, findet seine Partei „zu langweilig“. „Wir müssen wieder interessanter werden.“ Die SPD habe gute Ideen, aber „kein Übermaß an guten Konzepten“. Er gab seiner Partei mit auf den Weg: „Streit in der Sache nicht mit autoaggressiver Selbstzerfleischung der SPD verwechseln, keine Kabale – das hatten wir, das hat uns kaputt gemacht.“

In der Vergangenheit hatte es immer wieder heftige Machtkämpfe und schwere inhaltliche Auseinandersetzung in den führenden oder ehemals führenden SPD-Kreisen gegeben. Nun sagte Heil: „Nicht den einen gegen den anderen ausspielen, keine Intrigen – sondern die SPD modernisieren.“

Ringen um außenpolitischen Kurs

Eine inhaltlich heftige Auseinandersetzung gab es auf dem Parteitag zum Thema Krieg und Frieden. SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius widersprach Forderungen nach einem Kurswechsel in der Russlandpolitik energisch. Die Realität liege auf dem Tisch, sagte Pistorius, der auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin verwies. „Dieser Imperialist im Kreml will nicht verhandeln, er will keinen Frieden“, sagte er.

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Er warnte davor, sich wegzuducken und in Friedenssehnsucht zu flüchten. „Und Putin, so traurig das ist, versteht nur eine Sprache. Und das ist die der Stärke, nicht der Bedrohung, aber der Stärke“, sagte er.

Pistorius antwortete auf den früheren SPD-Vize Ralf Stegner, der zu den Autoren eines Russland-Manifests gehört. Dieser hatte zuvor gefordert, „wir müssen darüber reden, ob diese wahnsinnige Aufrüstung insgesamt der richtige Weg ist. Wir müssen darüber reden, ob die Wehrpflicht die richtige Antwort ist.“ Die Aufregung zeige, dass die Debatte geführt werden müsse. Die Delegierten spendeten ihm auffällig wenig Applaus.

Er und mehrere andere prominente SPD-Politiker hatten in einem „Manifest“ eine Abkehr von der Rüstungspolitik sowie direkte diplomatische Gespräche mit Moskau gefordert. Sie wandten sich zudem gegen eine Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland und gegen die Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf 3,5 oder 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Papier wurde als Absage an den Kurs von Klingbeil und Pistorius gewertet.

Neuer Generalsekretär mit starkem Ergebnis

Nicht einmal sieben Wochen ist es her, dass Tim Klüssendorf vom SPD-Präsidium für den Posten des Generalsekretärs nominiert wurde. Auf dem Bundesparteitag in Berlin erzielte er mit einem Stimmenanteil von 90.76 Prozent nun ein starkes Ergebnis. Der 33-jährige Parteilinke aus Lübeck soll mit dafür sorgen, dass die SPD neben ihrer Regierungsverantwortung als Partei ein eigenständiges Profil zeigt.

Der Volks- und Betriebswirt war als SPD-Bundestagsabgeordneter Sprecher der Parlamentarischen Linken und gehört damit wie seine Vorgänger Matthias Miersch und Kevin Kühnert zum linken Flügel der Partei.

Tim Klüssendorf Pressefoto

Kritik übte er auf dem Parteitag an der Kommunikationsweise der Sozialdemokraten. Viele in der Partei hätten sich eine floskelhafte Sprechweise angewöhnt.

Das Ziel müsse aber sein so zu reden, „dass die Menschen uns auch verstehen“. Vor dem Parteitag sagte er auch, die SPD dürfe nicht zu einer „Status-quo-Partei“ werden, die immer nur bisher Erkämpftes verteidige.

Zu Wort meldete sich Klüssendorf in den vergangenen Jahren unter anderem mit einem Strategiepapier zur Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe und mit Kritik an Einsparungen im Bundeshaushalt.

Zuletzt warnte er im Zuge der Sondierungen und Koalitionsverhandlungen immer wieder vor Verschärfungen bei der Migrationspolitik und beim Bürgergeld – das seien „soziale und integrationspolitische Rückschritte“. In der Auseinandersetzung mit der AfD setzt Klüssendorf auf ein rechtliches Vorgehen mit dem möglichen Ergebnis eines Parteiverbots.

Klüssendorf ist unter anderem Mitglied bei Verdi und der Arbeiterwohlfahrt – und er ist leidenschaftlicher Fußballer. Im VfB Lübeck war er bis Oktober vergangenen Jahres Mitglied des Aufsichtsrats, mittlerweile kickt er für den FC Bundestag. (dpa/afp/red)



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