Brosius-Gersdorf hält sich Verzicht auf Nominierung offen

Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf hält sich nach der Kritik aus CDU und CSU sowie in Medien an ihren Positionen einen Rückzug von ihrer Kandidatur zur Richterin am Bundesverfassungsgericht offen.
Auf die Frage, ob die am vergangenen Freitag im Bundestag geplatzte Richterwahl und der Streit um ihre Person nicht dem Bundesverfassungsgericht schade, antwortete sie in der Sendung „Markus Lanz“ im ZDF: „Sobald das auch nur droht, würde ich an meiner Nominierung nicht festhalten.“
Brosius-Gersdorf betonte: „Das ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten. Ich möchte auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land.“ Es gehe nicht mehr nur um sie. „Es geht auch darum, was passiert, wenn sich solche Kampagnen, und es war in Teilen eine Kampagne, durchsetzen, was das mit uns macht, was das mit dem Land macht, mit unserer Demokratie.“ Dies müsse sie wägen.
Zuspruch und Drohungen
„Ich muss natürlich auch berücksichtigen, wie kann das Bundesverfassungsgericht weiter in Ruhe arbeiten, funktionsfähig bleiben.“ Sie habe Tausende von Zuschriften und Anrufen aus der Bevölkerung, aus der Politik, von Pfarrern, von Kolleginnen und Kollegen aus der Rechtswissenschaft und anderen Disziplinen erhalten, die sie nachhaltig aufgefordert hätten, jetzt nicht zurückzustecken, weil sich dann so eine Kampagne durchsetze.
Zudem habe sie auch Drohungen erhalten. „Ja, wir haben Drohungen bekommen, ich vor allem, per E‑Mail, Poststücke mit verdächtigem Inhalt, die an meinen Lehrstuhl gesendet wurden“, sagte die 54-Jährige laut Vorabmeldung in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“.
Wegen der Drohungen habe sie ihre Mitarbeiter vorsorglich bitten müssen, nicht mehr am Lehrstuhl zu arbeiten, so die Juristin, die an der Universität Potsdam einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht innehat. Zugleich wies Brosius-Gersdorf in der ZDF-Sendung erneut die Behauptungen zurück, sie sei linksradikal.
„Ich vertrete absolut gemäßigte Positionen aus der Mitte unserer Gesellschaft“, sagte sie. Die Debatte um ihre Position halte sie für gefährlich.
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Weder SPD noch CDU scheinen nachzugeben
Die Lage scheint festgefahren. Dass Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur zurückzieht – wie manche in der Union sich wünschen – scheint unwahrscheinlich. Die SPD hält an ihr fest und sieht sich bestärkt.
Die Union betont, es gebe keinen Zeitdruck für eine Lösung – und macht auch nicht den Eindruck, ihre inhaltliche Haltung zu ändern. Am späten Nachmittag will der Vorstand der Unionsfraktion das weitere Vorgehen beraten.
Bisher deutet alles darauf hin, dass man zunächst in die parlamentarische Sommerpause geht und eine neue Richterwahl im Bundestag frühestens im September anpeilt.
Friedrich Merz: In aller Ruhe beraten
Bundeskanzler Merz hält seine Koalition nach dem Streit um die gescheiterte Neuwahl von Verfassungsrichtern nicht für beschädigt.
Bei einem Besuch des bayerischen Kabinetts auf der Zugspitze sagte Merz am Dienstag, in den mittlerweile zehn Wochen seiner Bundesregierung habe es zwei Themen gegeben, bei denen seine Regierung nachjustieren müsse. Kommunikativ sei die Debatte um die Stromsteuer nicht gut gelaufen, handwerklich das Thema Richterwahl. Neue Bundesregierungen hätten solche Themen immer zu Beginn erlebt, das sei nicht ungewöhnlich.
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Merz sagte zur Neuwahl der Verfassungsrichter, er wolle „in Ruhe“ in der Koalition besprechen, wie das gelöst werden könne. „Mein Wunsch wäre, dass wir im Deutschen Bundestag zu Lösungen kommen und dass wir nicht den Ersatzwahlmechanismus auslösen müssen, dass der Bundesrat die Wahl vornimmt, die eigentlich der Bundestag vornehmen müsste.“ Dies sei „der wichtigste Wunsch“, den er habe.
Neue Stellungnahme angekündigt
Brosius-Gersdorf kündigte für Mittwoch eine neue Stellungnahme zu den im Raum stehenden Plagiatsvorwürfen an – allerdings nur über ihre Anwälte.
„Wir haben, als diese Vorwürfe aufgekommen sind, sofort uns erkundigt nach einer Rechtsanwaltskanzlei, die auf solche Vorwürfe spezialisiert ist“, sagte Brosius-Gersdorf in der am Dienstagabend ausgestrahlten Sendung von Markus Lanz im ZDF. Sie habe erst am Morgen der ursprünglich geplanten Wahl im Bundestag, also am letzten Freitag, von den Vorwürfen erfahren und gedacht: „Jetzt das auch noch“, und es habe sie „aus der Bahn geworfen“.
Die beauftragte Kanzlei habe sich jedenfalls „sofort an die Prüfung gemacht, hat das jetzt mehrere Tage geprüft und wird morgen dazu eine Stellungnahme abgeben“.
ZDF-Moderator Lanz hatte sie zuvor mit einer Textpassage konfrontiert, die sowohl in einer wissenschaftlichen Arbeit von ihr als auch in einer ihres Mannes vorkommt, und gefragt: „Wer hat von wem abgeschrieben?“
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Spahn: Wir hatten „die Dimension der Bedenken unterschätzt“
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) räumte in einem Brief an seine Abgeordneten ein, er und die Führung der Fraktion hätten „die Dimension der grundlegenden und inhaltlich fundierten Bedenken“ gegen Brosius-Gersdorf unterschätzt.
„Gegen die Emotionalisierung und Polarisierung der Debatte“ seien die Koalitionsfraktionen „nicht gut gewappnet“ gewesen.
Die Grünen drängen derweil in einem Brief an Spahn und SPD-Fraktionschef Matthias Miersch auf eine Bundestags-Sondersitzung zur Wiederaufnahme der abgesetzten Verfassungsrichterwahl – noch in dieser Woche. Eine „zeitnahe Wahl“ sei „dringend erforderlich“, betonen die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge. (afp/dpa/red)
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