Bundesregierung will verpflichtenden Alterscheck im Netz einführen

In Kürze:
- Bundesregierung plant verpflichtende Alterschecks im Netz, Vorbild ist Großbritannien.
- Regierung spricht von Jugendschutz, Kritiker von Überwachung und Datenschutzrisiken.
- Großbritannien zeigt: Systeme sind leicht per VPN zu umgehen, ähnliche Debatten auch international.
Im Supermarkt entscheidet ein kurzer Blick auf den Ausweis, ob Alkohol oder Zigaretten den Besitzer wechseln dürfen – im Internet dagegen reicht bislang ein Klick, um Zugang zu Inhalten zu bekommen, die eigentlich nur für Erwachsene gedacht sind. Gewalt, Glücksspiel, Pornografie: Für Jugendliche und auch Kinder ist der Weg dorthin oft erschreckend einfach. Hier plant die Bundesregierung jetzt mit einem verpflichtenden Alterscheck anzusetzen. Was für viele wie ein längst überfälliger Schritt zum Schutz junger Menschen klingt, löst gleichzeitig Debatten über Datenschutz, Überwachung und die Freiheit im Netz aus.
Altersverifikation auf digitalen Endgeräten bald Standard?
Die Bundesregierung beabsichtigt, verpflichtende Altersverifikationen im Internet einzuführen – ähnlich wie in Großbritannien. Während das Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung darin einen wichtigen Schritt für mehr Jugendschutz sieht, warnen Opposition und Fachpolitiker vor massiven Datenschutzrisiken, einer leichten Umgehung der Systeme und die AfD vor einer Ausweitung von staatlicher Kontrolle. Kritiker fordern stattdessen mehr Aufklärung, strengere Plattformregeln und wirksame Moderation.
„Altersverifikation auf digitalen Endgeräten sollte Standard in Europa sein“, sagte ein Sprecher des Bundesministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben). Nach geltendem EU-Recht sei eine verpflichtende Altersverifikation, etwa nach dem Vorbild des britischen Online Safety Acts, im Internet zwar nicht möglich. „Die Bundesregierung will das ändern und setzt sich entsprechend dem Koalitionsvertrag für verpflichtende Altersverifikationen und sichere Voreinstellungen für Kinder und Jugendliche bei digitalen Angeboten ein“, so der Sprecher. Man stehe dazu in Gesprächen mit der EU-Kommission und europäischen Partnern. Entscheidend sei eine „möglichst praktikable, alltagsnahe Umsetzung“.
Im Koalitionsvertrag steht, dass Altersverifikation auf digitalen Endgeräten Standard in Europa sein sollte. Entsprechend soll das Jugendschutzgesetz kohärent zum DSA, dem EU-Gesetzespaket Digital Services Act, sein, der seit Februar 2024 vollständig gilt. Vorwiegend große Anbieter wie Facebook, TikTok, YouTube oder Amazon sollen stärker und bei Strafe in die Pflicht genommen werden, so etwa bei illegalen Inhalten, sogenannter Desinformation und dem Schutz von Minderjährigen. Kritiker und auch die USA fürchten hingegen, dass der DSA die Meinungsfreiheit einschränkt und dazu benutzt wird, US-Technologieunternehmen zu schröpfen.
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Für „Aufklärung, konsequente Moderation und klare Plattformverantwortung, nicht unsichere und am Ende wirkungslose Datensammlungen“ sprach sich Anne-Mieke Bremer von der Linksfraktion und Sprecherin für Games und Digitale Infrastruktur aus. „Nur wenn Plattformen ihre Strukturen aktiv sicher gestalten, Meldewege funktionieren und problematische Inhalte schnell entfernt werden, können Kinder und Jugendliche wirklich geschützt werden“, sagte Bremer.
Ihre Fraktionskollegin Donata Vogtschmidt, Sprecherin für Digitalpolitik und Cybersecurity, warnt hingegen vor verpflichtenden Altersverifikationen nach britischem Vorbild. „Hohe Eingriffe in den Datenschutz bei gleichzeitig leichter technischer Umgehung ist kein wirksamer Jugendschutz“, sagte sie den Funke-Zeitungen. „Wenn sich Altersverifizierungen mit wenigen Klicks per VPN umgehen lassen, entsteht für Kinder und Jugendliche kein echter Schutz, dafür aber erhebliche Risiken durch die massenhafte Erfassung sensibler Daten.“
Vorbild Großbritannien?
Seit 25. Juli 2025 ist in Großbritannien im Rahmen des Online Safety Act eine Altersverifikation („highly effective age assurance“) für Websites und Apps vorgeschrieben, die Inhalte zu Pornografie, Selbstverletzung, Selbstmord und Essstörungen hosten. Auch soziale Medien, Gaming-Dienste und Dating-Apps sind verpflichtet, Minderjährige durch ähnliche Überprüfungen vor legalen, aber schädlichen Inhalten zu schützen.
Selbstauskunftscheckboxen, mit denen sich zuvor jeder auf Pornowebsites als volljährig ausgeben konnte, werden jetzt durch Gesichtsscans zur Altersschätzung, das Hochladen von Ausweisdokumenten, Kreditkartenprüfungen und weitere Maßnahmen ersetzt. Einige der größten Websites hätten erklärt, so die Plattform wired.com, dass sie sich an die neuen Vorschriften halten werden.
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Problematisch daran: Diese neuen Regeln werden durch technische Lösungen wie VPN massenhaft umgangen und sind gewissermaßen dadurch wirkungslos. Ein virtuelles privates Netzwerk (VPN) ist eine Sicherheitssoftware, die Internetverbindungen verschlüsselt, um zu umgehen, dass Dritte Online-Aktivitäten ausspionieren können. Sie verschleiern die echte IP-Adresse, sodass es so aussieht, als würde man aus einem anderen Land im Internet surfen.
Aus Großbritannien berichtete techradar.com, dass Dienste wie Proton VPN ab dem 25. Juli stündliche Nutzungsspitzen von bis zu 1.400 Prozent verzeichnet haben sollen. Unklar ist jedoch, ob es sich dabei um Erwachsene handelt, die ihre Anonymität schützen wollen, oder um Minderjährige, die die neuen Kontrollen umgehen möchten.
Jugendschutz versus Datenschutz
In Deutschland gibt es aus der CDU/CSU-Fraktion Kritik an solchen geplanten Altersüberprüfungen. „Wir brauchen einen wirksamen Kinder- und Jugendschutz im Internet“, sagte Ralph Brinkhaus, Sprecher der AG Digitales und Staatsmodernisierung. Eine verpflichtende Personenidentifizierung gegenüber jedem Anbieter berge jedoch erhebliche Risiken für Datenschutz und IT-Sicherheit. „Selbst bei hohen Sicherheitsstandards kann nie vollständig ausgeschlossen werden, dass zentrale Datensätze durch Cyberangriffe oder Insider-Missbrauch kompromittiert werden“, warnte Brinkhaus.
Die größte Oppositionspartei AfD geht sogar noch einen Schritt weiter. Der AfD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Digitalausschuss, Tobias Ebenberger, warnt davor, dass Kinderschutz nur als Vorwand genutzt werde, um Zensur und eine digitale Zwangsidentität voranzutreiben. Die AfD-Fraktion betont, dass der Schutz von Kindern im Netz absolut notwendig ist, aber nicht durch expansive Formen der Altersverifikation umgesetzt werden dürfe. Sie sehen darin vielmehr ein „trojanisches Pferd“ für allgemeine Überwachung und Regulierung im Internet.
Weltweites Thema mit gleichen Herausforderungen
Neben Großbritannien gibt es in mehreren EU-Ländern Bestrebungen, Altersverifikationen einzuführen. Die EU-Kommission hat im Juli eine eigene App zur Altersverifikation vorgestellt. Diese wird in einer Pilotphase von fünf EU-Staaten – Frankreich, Dänemark, Griechenland, Italien und Spanien – getestet. In den USA existieren unterschiedliche Bundesstaatengesetze. In Australien sollen ab Ende 2025 nicht nur soziale Netzwerke, sondern auch Suchmaschinen wie Google nur noch nach Altersverifikation zugänglich sein. Überall zeigen sich ähnliche Herausforderungen: Datenschutz, Umgehungsmöglichkeiten und Belastungen für kleinere Anbieter.
Mit Material von dts
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