Bundesweiter Kindergeld-Betrug: Wie Deutschland Millionen verschenkt

Ende Oktober 2024 stand das Problemhochhaus „Weißer Riese“ in Duisburg im Fadenkreuz einer Razzia: Hunderte Polizisten kontrollierten die Bewohner wegen des Verdachts auf Betrug. Es ging um den Bezug von Sozialleistungen. 400 Einsatzkräfte waren angerückt, es gab im Hochhaus mit 320 Wohnungen mehrere Festnahmen. Unter anderem sollte festgestellt werden, wer in dem Wohnhaus tatsächlich lebt – jede Wohneinheit in dem Komplex soll 4,5 Bewohner gehabt haben. Insgesamt 1.414, darunter 300 Kinder. Die Beamten waren von Tür zu Tür gegangen und hatten kontrolliert, wer wirklich dort wohnt und nicht nur gemeldet ist. Epoch Times berichtete.
Razzia hat Millionenschaden verhindert
Die Ergebnisse dieser Razzia: In dem Zuge kam heraus, dass offenbar für 20 Prozent der dort gemeldeten Kinder von der Familienkasse Kindergeld gezahlt wurden, die gar nicht in Deutschland leben. Das bestätigt die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg auf Anfrage von Epoch Times: In dem Wohnkomplex in Duisburg wurde bei der Kontrolle im Herbst festgestellt, dass für 59 Kinder zu Unrecht Kindergeld bezogen wurde.
„Dies entspricht einer Leistung in Höhe von 177.000 Euro, welche die BA nun zurückfordert“, so ein Sprecher des BA gegenüber der Epoch Times: „Des Weiteren wurden 1,2 Millionen Euro an Leistungszahlungen verhindert, die in Zukunft noch für die 59 Kinder gezahlt worden wären, sofern der Leistungsbezug bis zum 18. Geburtstag der Kinder zugrunde gelegt wird.“

Dieses Duisburger Hochhaus hat keinen guten Ruf. Foto: Christoph Reichwein/dpa
18 Jahre Kindergeld
Wie konnten also, lange unentdeckt, so viele Bewohner des „Weißen Riesen“ unrechtmäßig Kindergeld beziehen? Nutzten sie ein Schlupfloch im System?
Das Problem beginnt bereits bei der Anmeldung eines Wohnsitzes. Beim Einwohnermeldeamt kann jeder sein Kind einfach mit anmelden – dazu genügt die Vorlage einer Geburtsurkunde oder eines Ausweises des Kindes. Auf Basis dieser Daten vergibt das Bundesamt für Steuern automatisch eine Steueridentifikationsnummer. Diese erhalten alle in Deutschland gemeldeten Personen, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft – entscheidend ist dafür lediglich die Steuerpflicht in Deutschland.
Mit dieser Steuer-ID kann dann Kindergeld bei der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) beantragt werden. Der Anspruch auf Kindergeld gilt nicht nur für deutsche Staatsbürger, sondern auch für Menschen aus der EU sowie aus bestimmten weiteren Ländern wie Algerien, Marokko, Serbien oder der Türkei.
Keine weitere Überprüfung
Einmal bestätigt, wird das Kindergeld durchgehend mindestens bis zum 18. Lebensjahr gezahlt. In besonderen Fällen, wie Ausbildung, auch bis zum 25. Geburtstag. Das Kindergeld, unabhängig von Einkommen und Vermögen der Eltern, wurde zum 1. Januar 2025 um 5 Euro erhöht und beträgt aktuell 255 Euro für jedes Kind.
Eine Sprecherin des BA äußerte sich Ende 2024 zu den Fällen des unrechtmäßig bezogenen Kindergeldes im Duisburger „Weißen Riesen“. Diese wurden durchgehend ordnungsgemäß geprüft und zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Kindergeld hätten alle erforderlichen Nachweise vorgelegen. Allerdings zogen die Kinder mit ihren Eltern nach der Bewilligung der Anträge offenbar wieder aus, wie „Bild“ berichtete, oft gingen sie in vergleichbaren Fällen zurück in die Heimatländer und kassierten weiter.
Kindergeld-Missbrauch deutschlandweit: 140.000 Verdachtsfälle allein 2024
Beim Kindergeld handelt es sich um eine Steuerleistung. Wer vorsätzlich Steuern hinterzieht, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe rechnen. Somit fällt das unberechtigte Beziehen von Kindergeld unter Steuerhinterziehung, so das BA gegenüber Epoch Times.
Diese Zahlen aus dem Brennpunkt-Hochhaus in Duisburg scheint nur die auffällige Spitze eines Eisbergs zu sein: Im vergangenen Jahr 2024 hat die Familienkasse rund 140.000 Verdachtsfälle überprüft, und infolgedessen in mehr als 100.000 Fällen ein steuerrechtliches Ermittlungsverfahren angestoßen, teilt das BA mit. In 8.000 Fällen bestehe der Verdacht auf bandenmäßigen Betrug beim Leistungsmissbrauch, 1.500 Ermittlungsverfahren wurden dafür eingeleitet.
Höhe des Gesamtschadens unklar
Generell liegt die Gesamtzahl der von der Familienkasse jährlich geprüften Fälle bei zwischen 125.000 und 140.000. Rund 80 Prozent aller Überzahlungen können laut BA per Rückforderung wieder eingetrieben werden. Nur bei einem geringen Bruchteil dieser Fälle liegt tatsächlich eine Steuerhinterziehung vor. Ein gesamtes Schadensmaß oder eine mutmaßliche Dunkelziffer „lässt sich vonseiten der BA nicht seriös beziffern“, so der Sprecher vom BA gegenüber Epoch Times. Entsprechend lässt sich auch keine Gesamtschadenshöhe berechnen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion