„Deutsche Wirtschaft weiterhin in der Krise“: Experten erwarten „ein weiteres Stagnationsjahr“

„Die deutsche Wirtschaft ist weiterhin in schwerem Fahrwasser. Sie ist unterausgelastet. Wir erwarten ein weiteres Stagnationsjahr“, so fasst Stefan Kooths vom Kiel Institut für Weltwirtschaft die aktuelle Situation der deutschen Wirtschaft gegenüber Epoch Times zusammen. Er ist einer von sechs Wirtschaftsexperten, die ihren gemeinschaftlichen Wirtschaftsbericht am 10. April vorstellten und dabei auch den Inhalt des Koalitionsvertrags bewerteten.
Titelbild
Vorstellung der Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2025 der Wirtschaftsforschungsinstitute mit v.l. Prof. Dr. Timo Wollmershäuser, Prof. Dr. Stefan Kooths, Dr. Geraldine Dany-Knedlik, Prof. Dr. Torsten Schmidt, Prof. Dr. Oliver Holtemöller, PD Dr. Klaus Weyerstraß.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 11. April 2025

Einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 0,1 Prozent prognostiziert ein Expertenrat von Wirtschaftswissenschaftlern für dieses Jahr in ihrer am Donnerstag, 10. April, vorgestellten „Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2025“.

Für 2026 erwarten sie einen Anstieg von 1,3 Prozent, wovon etwa 0,3 Prozentpunkte auf die höhere Zahl an Arbeitstagen zurückzuführen seien.

Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose ist ein Gremium mehrerer Wirtschaftsforschungsinstitute, das zweimal im Jahr eine Analyse und Prognose der deutschen Wirtschaft im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt.

Die Zahl der Arbeitslosen sei seit 2022 um 400.000 Personen gestiegen. Dieser Anstieg sei „inzwischen doch ganz erheblich“ und belaste den privaten Konsum, so Dr. Klaus Weyerstraß vom Institut für Höhere Studien (IHS) bei der Vorstellung des Berichts mit dem Titel „Geopolitischer Umbruch verschärft Krise – Struktur­reformen noch dringlicher“.

Für dieses Jahr erwarte man eine Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent, die im kommenden Jahr auf 6,2 Prozent absinken könnte. Die Verbraucherpreise würden sich weiter stabilisieren, wobei man für dieses Jahr eine Inflationsrate von 2,2 Prozent erwarte, die im kommenden Jahr auf 2,0 Prozent fallen könnte.

Subventionen keine Lösung für Energiepreise

Gemischt fällt die Einschätzung zum am 9. April vorgestellten Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD aus.

„Es hilft überhaupt nichts, nur die Symptome der aktuellen Energiepolitik durch entsprechende Subventionen zu kaschieren“, so Prof. Dr. Stefan Kooths vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) zu dem angekündigten Industriepreis für Strom, der im Koalitionsvertrag enthalten ist.

Denn ein Industriestrompreis sei nichts anderes als eine Subvention, führt der Ökonom weiter aus. „Und auch die Steuerfinanzierung der Netzentgelte oder das Herabsetzen der Netzentgelte durch Steuerzuschüsse ist keine tragfähige Lösung, sondern es braucht einen Umbau in der Energiepolitik, der die Produktionskosten insgesamt senken.“

Dazu würden die gesamten systemischen Kosten der Energieproduktion gehören, nicht nur die reinen Erzeugungskosten, sondern auch die Netz- und Infrastrukturkosten, die Reservekapazitäten, die Speicher und alles, was dazugehöre, um das Stromnetz stabil zu halten und die Energieversorgung zu sichern. „Und da ist sehr wenig zu erkennen“, kritisiert der Professor für Volkswirtschaftslehre.

Knappheitsproblem der Energie muss gelöst werden

Prof. Dr. Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) fügt hinzu, dass eine Verbilligung von Energie für die Unternehmen durch Subventionen das Knappheitsproblem nicht löst.

Denn im Zuge der Energiewende sei vorübergehend mit einer Verknappung der verfügbaren Energie zu rechnen, weil beispielsweise der Kohleausstieg schneller stattfände, als erneuerbare Energien nachgebaut werden könnten, so Holtemöller.

Dadurch werde es schwieriger, Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen. Denn eine Subventionierung von Strom für bestimmte Unternehmen werde den Strom für alle anderen Verbraucher teurer machen, erklärt der Wirtschaftsexperte. Denn die subventionierten Unternehmen würden ihre Nachfrage nach Strom erhöhen.

Kooths sieht daher kein wirkliches Umsteuern und sieht „eher Symptom bekämpfende Maßnahmen“ und fordert einen konsequenten Abbau von Subventionen.

Allerdings gebe es auch Lichtblicke im Dokument, wozu er den angestrebten Abbau von Regulierungs- und Bürokratielasten zählt.

Wirtschaftsexperte sieht Problem von dauerhaftem strukturellem Defizit

Bei den noch kurz vor Ende der Legislatur durch den alten Bundestag beschlossenen Grundgesetzänderung zur Lockerung der Schuldenbremse und den Sonderschulden vermisst Holtemöller einen konkreteren Ansatz zur langfristigen Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen.

Wenn man alles ausreize, was beschlossen sei, ergebe dies ein mögliches strukturelles Defizit von 3,7 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, führt der Professor für Volkswirtschaftslehre aus.

„Wo soll denn jetzt langfristig diese Geschichte hinlaufen? Sind langfristig nachhaltige strukturelle Defizite im Haushalt das, was man anstreben sollte?“, so der Ökonom weiter.

Und weist darauf hin, dass dies mit der EU ausgehandelt werden müsste, da das, was im Moment in Deutschland geplant sei, wider den EU-Fiskalregeln sei.

„Es gibt eine Reihe guter Ansätze, die oft sehr vage formuliert sind. Von daher muss man abwarten, was in den nächsten Jahren davon tatsächlich umgesetzt wird und wie dann die Effekte auf das Wirtschaftswachstum sein werden“, fasst Prof. Dr. Timo Wollmershäuser vom ifo Institut die geplanten Maßnahmen des Koalitionsvertrages zusammen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion