Deutschland plant vorerst keine Anerkennung Palästinas

Frankreichs Präsident Macron will im September die Anerkennung Palästinas als Staat verkünden. Der deutsche Nachbar sieht andere Fragen als dringender an.
Der französische Präsident Emmanuel Macron will Palästina als Staat anerkennen und hat dazu einen Brief an den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas veröffentlicht.
Der französische Präsident Emmanuel Macron will Palästina als Staat anerkennen und hat dazu einen Brief an den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas veröffentlicht.Foto: Ludovic Marin/AFP/dpa
Epoch Times25. Juli 2025

US-Präsident Donald Trump hat die Äußerungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zur Anerkennung eines Palästinenserstaates heruntergespielt. Macrons Ankündigung habe „kein Gewicht“ und werde nichts ändern, sagte Trump am Freitag in Washington.

Trump nennt Macrons Ankündigung unbedeutend

Macron sei „ein sehr guter Typ, ich mag ihn, aber diese Aussage hat kein Gewicht“, sagte Trump zu Journalisten vor seinem Abflug nach Schottland. „Was er sagt, ist unwichtig, es ändert nichts“, betonte der Präsident.

Deutlich schärfer hatte US-Außenminister Marco Rubio auf Macrons Worte reagiert. Er sprach am Donnerstag (Ortszeit) im Onlinedienst X von einer „rücksichtslosen Entscheidung“.

Rubio erklärte weiter, die Anerkennung eines Palästinenserstaates durch Frankreich diene „nur der Propaganda der Hamas und verzögert den Friedensprozess“.

Der Schritt sei zudem „ein Schlag ins Gesicht der Opfer vom 7. Oktober“, fügte Rubio mit Blick auf den brutalen Angriff der Hamas auf Israel an dem Tag im Jahr 2023 hinzu, der den Gaza-Kreg ausgelöst hatte.

Bundesregierung wird Palästina nicht kurzfristig als Staat anerkennen

Auch Deutschland wird Palästina nicht kurzfristig als Staat anerkennen.

Die Bundesregierung sehe die Anerkennung stattdessen „als einen der abschließenden Schritte“ auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israel und den Palästinensern, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius in Berlin.

Diese müsse über Verhandlungen erreicht werden, um dauerhaft Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser zu bringen.

Erst Waffenstillstand und Freilassung der Geiseln

„Jetzt steht für die Bundesregierung im Vordergrund, überfällige Fortschritte zu den dringendsten Fragen zu erreichen“, sagte Kornelius.

Dazu zählte er einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg, die Freilassung der israelischen Geiseln durch die palästinensische Hamas und die Entwaffnung der Hamas.

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Der Regierungssprecher forderte Israel erneut auf, „die katastrophale humanitäre Lage in Gaza sofort und drastisch“ zu verbessern. „Sie muss der leidenden Zivilbevölkerung menschenwürdige, dringend notwendige Versorgung zukommen lassen.“

Zudem sei eine tragfähige politische Perspektive für Gaza notwendig, damit aus einem befristeten Waffenstillstand ein dauerhafter Frieden werden könne. Israel dürfe auch „keine weiteren Schritte hin zu einer Annexion des Westjordanlandes“ unternehmen.

Bundesregierung bereit, den Druck auf Israel zu erhöhen

 

Regierungssprecher Stefan Kornelius. Foto: Odd Andersen/afp via Getty Images

Hierzu stehe die Bundesregierung in ständigem Austausch mit der Regierung Israels und den internationalen Partnern. „Sie ist bereit, den Druck zu erhöhen, wenn Fortschritte ausbleiben“, sagte Kornelius.

Um welche Maßnahmen es sich dabei handeln könnte, ließ er offen. Aus der SPD waren zuletzt erneut ein Stopp der deutschen Rüstungsexporte nach Israel und ein Einfrieren des EU-Assoziierungsabkommen mit Israel gefordert worden.

Die Bundesregierung werde ihre Hilfe zur Schaffung der Voraussetzungen palästinensischer Staatlichkeit fortsetzen, sagte Kornelius. Dazu gehöre die Unterstützung der Autonomiebehörde.

Macron hatte angekündigt, dass Frankreich Palästina im September als Staat anerkennen werde.

Was will Macron mit seinem Vorstoß erreichen?

Macron hatte schon vor einigen Monaten eine mögliche Anerkennung Palästinas in Aussicht gestellt und damit für einiges Aufsehen gesorgt. Über die humanitäre Lage im Gazastreifen zeigte er sich bei einem Besuch in der Region tief betroffen. Inzwischen ist die Lage für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen noch katastrophaler und verzweifelter geworden.

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Mit einer Anerkennung Palästinas setzt Macron jetzt auf ein eigenes diplomatisches Druckmittel. Zugleich unterstreicht er damit den Anspruch Frankreichs auf eine Führungsrolle in der internationalen Diplomatie.

„Frankreich will insbesondere für andere G7-Mächte wie das Vereinigte Königreich den Weg ebnen“, sagte die Nahost-Expertin vom französischen Institut für Internationale Beziehungen Ifri, Amélie Férey, dem Nachrichtenmagazin „L’Express“.

Die moralische Führungsrolle der USA sei geschwächt und Frankreich wolle Grundprinzipien des Westens verteidigen, um nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, bei internationalen Konflikten mit zweierlei Maß zu messen.

Nach Angaben des französischen Außenministeriums geht es Macron vor allem um die Umsetzung der Zweistaatenlösung, mit der nach Vorstellung Frankreichs Frieden und Sicherheit in der Region geschaffen werden sollen. Zweistaatenlösung bedeutet, dass Israel und ein unabhängiger Palästinenserstaat friedlich Seite an Seite existieren.

In wenigen Tagen schon gibt es dazu in New York unter Vorsitz von Frankreich und Saudi-Arabien eine internationale Konferenz. Außenminister Jean-Noël Barrot werde Frankreichs Partner dort ermutigen, sich der Entscheidung zur Anerkennung Palästinas anzuschließen.

Das französische Investigativmedium „Médiapart“ ordnete Macrons Erklärung als „Plan B“ ein, weil dessen Versuch eines gemeinsamen Vorstoßes mit anderen Staatschefs, etwa aus Kanada und Großbritannien, bislang nicht erfolgreich war. „Jetzt haben die anderen zwei Monate Zeit, um sich zu positionieren“, zitierte „Médiapart“ eine diplomatische Quelle.

Wie reagiert die Bundesregierung?

Anders als Frankreich plant die Bundesregierung „kurzfristig“ keine Anerkennung eines Palästinenserstaats. Deutschland sei aber „bereit, den Druck zu erhöhen“, wenn Fortschritte bei der Lösung des Nahost-Konflikts ausblieben, erklärte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Freitag.

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Im politischen Berlin stieß die Ankündigung Frankreichs, Palästina im September als eigenen Staat anzuerkennen, auf ein geteiltes Echo.

Deutschland ist neben den USA der engste Verbündete Israels. Kanzler Friedrich Merz hat die Regierung Netanjahu für das militärische Vorgehen im Gaza-Streifen zwar kritisiert, ist aber bisher gegen Maßnahmen wie einen Waffenexportstopp, ein Einfrieren des EU-Assoziierungsabkommens oder eben die Anerkennung eines Palästinenserstaats.

Deutschland ist für eine Zweistaatenlösung auf dem Verhandlungsweg. Eine Anerkennung eines palästinensischen Staates kommt demnach erst in Frage, wenn sich Israel und die Palästinenser geeinigt haben – was derzeit aussichtsloser denn je scheint.

Deutschland fühlt sich vor dem Hintergrund des Holocaust dem Existenzrecht Israels in besonderer Weise verpflichtet. Es erkennt aber gleichzeitig an, dass die Palästinenser auf der Grundlage des in der Charta der Vereinten Nationen verbrieften Selbstbestimmungsrecht der Völker einen eigenen Staat für sich in Anspruch nehmen.

Warum lehnt Israel den Plan Macrons so vehement ab?

Die rechts-religiöse Regierung, aber auch Oppositionsführer Jair Lapid, lehnen Macrons Vorstoß entschieden ab. Sie sehen darin eine „Belohnung“ für den Terror der Hamas. Nach ihrer Darstellung unterstützt ein Großteil der Palästinenser die Hamas – und hat deshalb keinen eigenen Staat „verdient“.

Warum sind sowohl Israel als auch die Hamas gegen eine Zweistaatenlösung?

Israels Regierung ist gegen die Zweistaatenlösung, weil in ihr die Ansicht vorherrscht, dass das besetzte Westjordanland und Ost-Jerusalem aus historischen und religiösen Gründen Israel zustehen und von Juden bewohnt werden sollen.

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Bei nicht religiösen Israelis überwiegen Sicherheitsbedenken: Ein palästinensischer Staat, der in der Mitte Jerusalems beginnt und an manchen Stellen recht nah an die Metropolen Tel Aviv und Haifa heranreicht, gilt aus ihrer Sicht als ein inakzeptables militärisches Risiko.

Auch die Hamas lehnt eine Zweistaatenlösung ab. Sie beansprucht langfristig das gesamte historische Palästina – also einschließlich des heutigen Staatsgebietes Israels – für einen künftigen palästinensischen Staat.

In einem Grundsatzpapier aus dem Jahr 2017 akzeptiert sie einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 – das heißt bestehend aus dem Westjordanland, dem Gazastreifen und Ost-Jerusalem – als „Zwischenschritt“, erkennt aber auch dabei das Existenzrecht Israels nicht explizit an.

Woran ist eine Zweistaatenlösung bislang gescheitert?

Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern sind bislang gescheitert, weil keine Einigung auf den Grenzverlauf, den künftigen Status von Jerusalem, das Schicksal von Flüchtlingen aus vergangenen Kriegen und Vertreibungen sowie die Zukunft von israelischen Siedlungen in den palästinensischen Gebieten erzielt werden konnte. Zu den wichtigsten Streitpunkten zählen auch Israels Sicherheit sowie der Umgang mit Naturreserven wie beispielsweise Wasser.

Welche Staaten haben Palästina schon anerkannt, welche haben dies bald vor?

Viele EU-Länder, vor allem in Ost- und Südosteuropa, haben schon vor langer Zeit Palästina anerkannt. So hat etwa das sehr israelfreundliche Ungarn Palästina schon 1988 anerkannt.

Vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges haben die EU-Länder Spanien, Irland und Slowenien den Staat Palästina im Vorjahr anerkannt. Neben Frankreich hat auch Malta eine Anerkennung angekündigt.

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Was macht ein Gebiet zum Staat?

Juristisch wird ein Staat über drei Elemente definiert: Staatsvolk, Staatsterritorium und Staatsgewalt. Diese Kriterien greift auch die völkerrechtliche Montevideo-Konvention von 1933 auf. Demnach muss ein Staat eine ständige Bevölkerung, ein Staatsgebiet, eine Regierung und die Fähigkeit zu Beziehungen mit anderen Staaten haben. Nicht notwendig ist dagegen die Anerkennung durch andere Staaten.

Inwieweit die palästinensischen Gebiete diese Kriterien erfüllen, wird schon lange kontrovers diskutiert. Hinzu kommt, dass die palästinensische Autonomiebehörde mit Sitz in Ramallah, die eine Reihe von hoheitlichen Aufgaben wahrnimmt, seit 2007 keine Kontrolle über den Gazastreifen hat. (dpa/red)



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