DIW schlägt ein verpflichtendes Sozialjahr für Rentner vor – und stößt damit auf breite Ablehnung

Rentner sollten ein soziales Pflichtjahr absolvieren. Dieser brisante Vorschlag kommt vom Wirtschaftsinstitut DIW. Er stößt auf einiges an Gegenwind.
DIW-Präsident Fratzscher warnt vor negativen Folgen hoher Sozialausgaben (Foto: Archiv).
DIW-Präsident Marcel Fratzscher (Archivfoto).Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Epoch Times23. August 2025

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW Marcel Fratzscher fordert ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentner.

„Gesundheitlich werden das manche nicht können, aber dafür gibt es auch bei jungen Leuten Regelungen. Die ältere Generation muss sich stärker einbringen, beispielsweise im Sozialbereich, aber auch bei der Verteidigung“, sagte der Ökonom dem „Spiegel“.

Benötigt würden technische Fähigkeiten. „Warum sollten wir die nicht nutzen, gerade von Leuten, die früher bei der Bundeswehr ausgebildet wurden?“

Neuer Generationenvertrag

Fratzscher sagte weiter: „Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen.“ Der Ökonom warb für einen neuen Generationenvertrag.

Auf die Frage, welche Vergehen er den Älteren konkret vorwerfe, sagte Fratzscher: „Wir haben nach dem Ende des Kalten Krieges gedacht, wir müssten uns nie mehr verteidigen – und haben die Friedensdividende verfrühstückt.“

„Deshalb müssen wir jetzt über fünf Prozent Verteidigungsausgaben reden, um die Schäden zu beheben, die in 35 Jahren entstanden sind. Oder nehmen Sie die Klimapolitik. Wir wissen seit Jahrzehnten, auf welchem explosiven Pfad wir sind.“

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Zu wenige Kinder

Die „Babyboomer“ hätten zudem viel zu wenige Kinder bekommen. „In den Sechzigerjahren versorgten sechs Beitragszahler eine Rentnerin oder einen Rentner“, sagte Fratzscher.

„Bald sind es nur noch zwei. Wieso sollten ausschließlich die Jungen für diese Lebensentscheidungen der Babyboomer geradestehen? Die Boomer selbst verweigern sich seit 20 Jahren dieser Verantwortung.“ Die Last für die junge Generation müsse tragfähig bleiben.

Im Juli hatte sich bereits der Soziologe und Generationenforscher Klaus Hurrelmann (81) für einen sozialen Pflichtdienst für Senioren „am Ende ihres Arbeitslebens“ ausgesprochen. Gesellschaftliche Aufgaben wie die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit sollten von allen Generationen getragen werden.

Bundesregierung zurückhaltend

Man habe noch keine Gelegenheit gehabt, sich „eine abschließende Meinung zu bilden“, sagte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums am Freitag in Berlin. Weiter verwies sie auf die Rentenkommission, die im nächsten Jahr ihre Arbeit aufnehmen soll.

Das Bundessozialministerium äußerte sich zu dem Vorschlag zunächst nicht. Es gebe grundsätzlich „enorm viele Forderungen und Vorstellungen beim Thema Rente“, die derzeit im Raum stünden, sagte eine Sprecherin. Deshalb werde nun Anfang 2026 auch eine Rentenkommission eingesetzt, in der diese diskutiert würden. Sie soll 2027 ihre Ergebnisse vorlegen.

Parteien lehnen DIW-Vorschlag ab

Die Idee greife zu kurz, sagte die CSU-Politikerin Anja Weisgerber. „Statt pauschalem Zwang brauchen wir ein Umfeld, das freiwilliges Engagement stärkt und die unterschiedlichen Lebensrealitäten älterer Menschen berücksichtigt.“ Viele leisteten bereits durch Ehrenamt, Nachbarschaftshilfe oder jahrzehntelange Beitragszahlungen ihren Beitrag.

Der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, René Springer, sagte, wer jahrzehntelang gearbeitet und Steuern und Beiträge gezahlt habe, verdiene Respekt und Anerkennung und keine „Zwangsdienste im Alter“. Fratzschers Vorstoß sei „ein Schlag ins Gesicht aller Fleißigen, die dieses Land aufgebaut haben“.

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BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht sagte, der Vorschlag, „alten Menschen, die ihr Leben lang geschuftet haben und zum Dank dafür in Deutschland oft genug mit Armutsrenten abgespeist werden“ ein Pflichtjahr aufzudrücken, sei an Zynismus kaum zu überbieten.

Die rentenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Sarah Vollath, sagte „die Generationen ständig gegeneinander auszuspielen“. Gerade bei der Rente gehe es nicht um einen Konflikt zwischen Jung und Alt, sondern um eine Klassenfrage. Die Linke lehne Zwangsdienste grundsätzlich ab, sagte Vollath. Rentner nach ihrem Arbeitsleben zu einem sozialen Pflichtjahr zu zwingen, gehe „völlig an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben“.

FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki lehnte Fratzschers Vorschlag ebenfalls ab. „Offensichtlich will er die ältere Generation dafür bestrafen, dass sie ihren Wohlstand und den Wohlstand unserer Republik gemehrt haben.“ Kubicki wirft Fratzscher vor, für jedes Problem eine Gruppe von Schuldigen in der Gesellschaft zu suchen.

Verband: Ruhestand unbedingt verdient

„Die „Lebensentscheidung“, keine vier Kinder zu bekommen, erfolgte bei Millionen Menschen auch aus finanziellen Gründen“, sagte SoVD-Chefin Michaela Engelmeier und verwies auf eine gestiegene Notwendigkeit zur Erwerbsarbeit für beide Partner wegen steigender Kosten. „Ihnen nun daraus einen Strick zu drehen, dass man sich zur Strafe gefälligst im Rentenalter engagieren müsse, empfinden wir als respektlos“, fügte Engelmeier hinzu.

Kritik kommt auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): „Ein Pflichtjahr für Rentner lehnen wir ab. Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, hat seinen Ruhestand unbedingt verdient. Wir warnen davor, mit solchen Vorschlägen Generationen gegeneinander auszuspielen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der dpa. „Die Frage, wer tatsächlich auf wessen Kosten lebt, ist in allererster Linie eine Frage zwischen Reich und Arm, also zwischen Kapital und Arbeit, und nicht etwa zwischen den Generationen.“

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Präsidentin des Sozialverbands VdK Verena Bentele sagte, es entstehe „mehr und mehr der Eindruck, dass Rentner für das zur Verantwortung gezogen werden sollen, was in unserer Gesellschaft nicht funktioniert“. Dabei übernähmen viele schon heute „einen wichtigen Beitrag für eine solidarische Gesellschaft“, etwa indem sie sich um Kinder und andere Angehörige kümmern.

Ähnlich äußerte sich Joachim Lautensack vom baden-württembergischen Seniorenverband Öffentlicher Dienst. Fast 44 Prozent der 65- bis 74-Jährigen seien ehrenamtlich aktiv, sagte er dem RND. Fratzschers Idee, über ein soziales Jahr von Rentnern mehr Generationengerechtigkeit zu schaffen, sei „dümmlich“.

Nicht der erste brisante Vorschlag

Fratzschers Vorstoß für ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentner stößt erneut auf breite Kritik – wie ein anderer Vorschlag des DIW von Mitte Juli.

Das Institut machte sich stark für einen „Boomer-Soli“, eine Solidaritäts-Sonderabgabe auf sämtliche Alterseinkünfte. Dies könne ein wichtiger Baustein zur Stabilisierung des Rentensystems in Deutschland sein.

Die Abgabe würde nach dem Vorschlag des DIW gezielt Personen mit hohen Alterseinkünften „moderat“ zur Kasse bitten. Einkommensschwache Rentner könnten so unterstützt, das Risiko für Altersarmut könne reduzieren werden.

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Mit Material der Agenturen.



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