Familiennachzug: Umstrittenes Programm soll ausgesetzt werden

Monatlich können 1.000 Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland kommen. Um die Migrationszahlen zu senken, soll dieser Mechanismus ausgesetzt werden. Morgen entscheidet der Bundestag darüber. Um was geht es?
Der Familiennachzug umfasst Ehepartner und minderjährige Kinder. Unbegleitete Minderjährige können ihre Eltern nachholen. (Symbolbild)
Der Familiennachzug umfasst Ehepartner und minderjährige Kinder. Unbegleitete Minderjährige können ihre Eltern nachholen (Symbolbild).Foto: Boris Roessler/dpa
Epoch Times26. Juni 2025

Der Bundestag soll morgen die zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge ohne Asylstatus beschließen. Dies ist eine von mehreren Maßnahmen von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), um die Migrationszahlen in Deutschland zu senken. Die wichtigsten Fragen:

Um wen geht es?

Es geht um Familienangehörige von sogenannten subsidiär Schutzberechtigten. Dies sind Menschen, die in Deutschland weder im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention noch als Asylberechtigter anerkannt sind, aber aus anderen Gründen bleiben dürfen.

Dies ist der Fall, wenn ihnen im Heimatland Folter, Todesstrafe oder unmenschliche Behandlung droht. Betroffen sind häufig Bürgerkriegsflüchtlinge. Subsidiär Schutzberechtigte bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst drei Jahre, die verlängert werden kann.

Wie hoch sind die erwarteten finanziellen Einsparungen?

Mit der Aussetzung des Familiennachzugs fallen Kosten für Unterkunft, Versorgung oder auch Integrationskurse weg. Der Gesetzentwurf beziffert die Einsparungen für das laufende Jahr auf  3,2 Millionen Euro.

Für 2026 liegen die Schätzungen bei 26,8 Millionen Euro und für 2027 bei 46,2 Millionen Euro. Einsparungen bei der Grundsicherung „in geringer Höhe“ sind nicht enthalten. Es sei nicht möglich, dafür Zahlen zu geben.

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Wie nutzen Migranten den Familiennachzug?

Über den Familiennachzug können enge Angehörige, also Ehegatten, minderjährige ledige Kinder und Eltern von minderjährigen Kindern, ein Visum beantragen. Zuletzt gab es ein Kontingent von bis zu 1.000 solchen Zuzügen pro Monat.

Nach der Migrationskrise lag diese Möglichkeit ab März 2016 schon einmal für gut zwei Jahre auf Eis. 2018 wurde sie mit der Begrenzung auf 1.000 Zuzüge pro Monat wieder eingeführt.

Die Vergabe der Plätze erfolgt über das Visumverfahren, die Anträge müssen bei den deutschen Botschaften oder Generalkonsulaten im Ausland gestellt werden. Diese und die in Deutschland zuständige Ausländerbehörde prüfen dann, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.

War das Kontingent ausgeschöpft?

Ja. Im vergangenen Jahr gaben Behörden weltweit rund 12.000 Visa über das Instrument des Familiennachzugs aus, heißt es im Gesetzentwurf. 2023 waren es demnach 11.630.

Wie es aus dem Auswärtigem Amt hieß, waren es im laufenden Jahr bisher rund 5.760 – im vergangenen Jahr im gleichen Zeitraum 6.148. Die meisten davon kamen 2024 und 2025 aus Syrien, Somalia, Jemen, Afghanistan und Eritrea.

Wie viele Menschen in Deutschland sind von der Aussetzung betroffen?

Zum Stichtag 31. März 2025 lebten insgesamt 388.074 Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis zum subsidiären Schutz in Deutschland, die meisten davon aus Syrien. Sie könnten grundsätzlich Familienangehörige nachholen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

„Wie viele dieser Personen bereits in der Kernfamilie in Deutschland leben und keinen Familiennachzug mehr geltend machen können, ist nicht bekannt“, steht im Gesetzentwurf. Demnach wird angenommen, dass sich pro Jahr 50.000 Menschen auf Wartelisten für den Familiennachzug registrieren.

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Warum ist der Familiennachzug so umstritten?

Der ursprüngliche Gedanke beim Familiennachzug war ein humanitärer. Kinder sollten nicht von ihren Eltern getrennt aufwachsen, Ehepaare nicht dauerhaft in unterschiedlichen Ländern leben müssen.

Die Befürworter sehen darin einen Beitrag zur Integration in Deutschland: Wer sein direktes familiäres Umfeld nah bei sich hat, könnte sich der Gesellschaft und dem Staat eher zugehörig fühlen als diejenigen, die ganz ohne Familie hier leben.

Gegner des Familiennachzugs weisen darauf hin, dass die Kapazitäten für Wohnraum und Integrationsprogramme in den Kommunen ausgeschöpft sind. Zudem halten Kritiker das Instrument für einen sogenannten Pullfaktor, der weitere Anreize zur Migration nach Deutschland aus Bürgerkriegsländern schafft.

Soll es Ausnahmen geben?

Ausnahmen für Härtefälle soll es fortan weiterhin geben. Dobrindt nannte Situationen, in denen Familienangehörige „dringende medizinische Versorgung brauchen, die ihnen in ihrem Heimatland nicht gewährt werden kann“.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiert, dass es keine Übergangsregelung für Menschen gibt, „die bereits in einem laufenden Visumverfahren sind oder seit Monaten auf Terminwartelisten bei den Botschaften stehen. Für sie würde das Verfahren abgebrochen und für mindestens zwei Jahre auf Eis gelegt.“

Könnte eine weitere Aussetzung kommen?

Ja. „Rechtzeitig vor dem Ablauf der Aussetzungsfrist soll geprüft werden, ob eine Verlängerung der Aussetzung notwendig und möglich ist“, heißt es im Gesetzentwurf. Kommt es nicht zu einer Verlängerung der Aussetzung würde automatisch wieder die Regelung mit einem Kontingent von 1.000 Zuzügen pro Monat in Kraft treten.

(afp/red)



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