Grünen-Fraktionschefin: Sozialbeiträge könnten bis 2035 um 1.000 Euro steigen

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, warnt vor einem drastischen Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland – um bis zu 1.000 Euro jährlich in den nächsten zehn Jahren. Gleichzeitig kritisiert sie die künftige schwarz-rote Koalition, die zentralen Fragen zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung lediglich aufzuschieben.
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Grünen-Politikerin Britta Haßelmann warnt vor einem drastischen Anstieg der Sozialbeiträge.Foto: Arno Burgi/dpa
Von 15. April 2025

Von einem „immensen Anstieg“ der Sozialbeiträge in Deutschland im Laufe der nächsten zehn Jahre geht die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, aus. Sie warf der künftigen schwarz-roten Regierungskoalition vor, Themen wie die Rentenversicherung oder Krankenversicherung und Pflegefinanzierung zu vernachlässigen. Diese Fragen würden „in Arbeitskreise und Kommissionen und damit auf das Jahr 2027“ vertagt.

In einer Presseerklärung vom Donnerstag, 10. April, zur Einigung auf einen Koalitionsvertrag nannte sie sogar konkrete Zahlen:

„Jede und jeder von uns weiß, dass die Sozialversicherungsbeiträge immens steigen und dass es darauf jetzt eine Antwort braucht. Bürgerinnen und Bürger haben damit zu rechnen, dass bei allen Sozialversicherungsbeiträgen insgesamt in zehn Jahren bis zu 1.000 Euro höhere Beiträge im Jahr anfallen könnten für sie.“

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Aber auch in der gesetzlichen Krankenversicherung rechnet die Politikerin mit einer Kostenexplosion in einer vergleichbaren Größenordnung. Haßelmann fügte hinzu:

„Alleine bei der gesetzlichen Krankenversicherung, so wissen wir aus den Berechnungen, ist klar, dass mit 700 Euro Mehrkosten im Jahr für ein durchschnittliches Einkommen zu rechnen ist für die Bürgerinnen und Bürger in zehn Jahren.“

Haßelmann ist nicht die erste Politikerin des Landes, die vor einem Ausufern der Sozialbeiträge für Berufstätige warnte. Im Februar 2024 wies bereits der Verband DIE JUNGEN UNTERNEHMER auf ein Gutachten der WHU – Otto Beisheim School of Management hin. Der Volkswirt Christian Hagist und der Gesundheitsökonom Stefan Fetzer halten einen Anstieg der Sozialabgaben auf mindestens 50 Prozent des Bruttolohns bis 2050 für möglich.

Derzeit liegen die Abzüge für die gesetzliche Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung bei bis zu 41,7 Prozent. DIE JUNGEN UNTERNEHER sprachen von einem möglichen „Kipppunkt“, ab dem legale Erwerbstätigkeit nicht mehr als lohnend angesehen werden könnte.

Kassen klagen über versicherungsfremde Leistungen

Die Prognose geht von steigenden Beitragssätzen aufgrund mehrerer Faktoren aus. Einige davon sind bereits seit mehreren Jahrzehnten bekannt. So führen der demografische Wandel und die Überalterung infolge sinkender Geburtenraten dazu, dass weniger Beitragszahler die Renten für immer mehr Anspruchsberechtigte finanzieren müssen.

Im Bereich der Krankenversicherung führen unter anderem technische Entwicklungen zu einer Kostenexplosion: Die medizinischen Standards in Deutschland bleiben hoch, die Geräte werden moderner und die Behandlungsmöglichkeiten breiter.

Dies hat jedoch zur Folge, dass die Behandlungen teurer und die Kosten für Personal und Arzneimittel höher werden. Außerdem beklagen Umfragen zufolge bis zu 70 Prozent der Bürger ineffizientes Kostengebaren bei den Krankenkassen. Diese selbst beschweren sich darüber, dass die Politik ihnen immer mehr an Kosten für versicherungsfremde Leistungen auferlege. Dies hätte auch zur Folge, dass die Krankenversicherungsträger keine ausreichenden Rücklagen bilden könnten. Zuletzt hatten zahlreiche Kassen auch die Zusatzbeiträge erhöht.

Krankenhausreform dürfte bleiben – „Frühstart-Rente“ statt „Aktienrente“?

Im Koalitionsvertrag finden sich keine präzisen Aussagen darüber, wie man die Beiträge im Rahmen halten wolle. Mit Blick auf die Krankenversicherung ist von einem „Gesamtpaket aus strukturellen Anpassungen und kurzfristigen Maßnahmen“ die Rede. Konkrete Maßnahmen werden jedoch nicht genannt.

Ziel sei es, „die seit Jahren steigende Ausgabendynamik zu stoppen und die strukturelle Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen zu schließen“. Es ist damit zu rechnen, dass die vom scheidenden Minister Karl Lauterbach angekündigte Krankenhausreform im Kern auch die Politik der künftigen Bundesregierung prägen wird.

Ob die sogenannte Aktienrente zur Finanzierung der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung beibehalten wird, bleibt noch offen. Der Begriff selbst findet sich im Koalitionsvertrag nicht. Allerdings wird es mit der geförderten „Frühstart-Rente“ für Kinder zwischen sechs und 18 Jahren erstmals tatsächlich einen ersten Schritt hin zur Kapitaldeckung eines Teils der Altersrente geben.

Grüne wollten Versicherungspflicht erweitern – und Sozialbeiträge auf Kapitalerträge

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann wollte die Sozialausgaben bei 40 Prozent des Bruttolohns deckeln. Allerdings konnte sich die Union lediglich mit der „Aktivrente“ durchsetzen, die Arbeit nach dem gesetzlichen Renteneintritt entlasten soll. Eine Erhöhung des Rentenalters scheiterte am Widerstand der SPD.

Aus den Reihen der Grünen kamen bis dato eher Vorschläge wie eine Verbreiterung der Basis an Beitragszahlern – etwa durch eine Erweiterung der Versicherungspflicht auch auf Beamte und alle Selbstständigen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wollte zuletzt auch Kapitalerträge der Sozialversicherungspflicht unterwerfen. Zuvor waren aber auch schon ähnliche Vorschläge von den CDU-Politikern Kai Whittaker und Markus Reichel gekommen.



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