Kommt unter Klingbeil die Vermögenssteuer wieder?

Im ZDF-„Sommerinterview“ hat Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) eine höhere Besteuerung von Vielverdienern und Eigentümern „superhoher Vermögen“ ins Spiel gebracht, um Haushaltslöcher stopfen zu können. Wird die 1997 ausgesetzte Vermögenssteuer womöglich wiederbelebt? Die Union sperrt sich dagegen – noch.
Titelbild
Die Vermögensteuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben, weil sie in der bis dahin praktizierten Form als verfassungswidrig eingestuft wurde. Die SPD wäre für eine Wiederbelebung offen.Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Von 19. August 2025

In Kürze

  • SPD möchte „sehr hohe Einkommen“ stärker belasten
  • CDU/CSU warnt vor Kapitalflucht ins Ausland
  • Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögenssteuer: Immobilien müssen steuerlich genauso behandelt werden, wie andere Vermögenswerte
  • Mehr als zwei von drei Wahlberechtigten sind für die Wiedereinführung einer Vermögensteuer

Trotz der im März 2025 noch mit dem alten Bundestag beschlossenen Neuverschuldung in Billionenhöhe ist Bundesfinanzminister, Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil grundsätzlich für Steuererhöhungen aller Art offen.

Angesichts einer „enormen“ Finanzierungslücke im Bundeshaushalt 2027 dürfe man nicht nur danach schauen, wo gespart werden könne. „Wir brauchen am Ende ein Gesamtpaket, um eine Haushaltslücke von 30 Milliarden zu füllen“, kündigte Klingbeil am 17. August im ZDF-„Sommerinterview“ an, „und da nehme ich keine Option vom Tisch.“ Es könnte vor allem Gutsituierte treffen:

„Die SPD ist immer der Meinung gewesen, dass Menschen, die viel verdienen und die superhohe Vermögen haben und die hohe Einkommen haben, dass die einen Teil dazu beitragen müssen, auch, dass diese Gesellschaft gerechter wird.“

Wie immer eine Lösung auch aussehen könnte, müsste sie „das Land nach vorne“ bringen und auch die Koalition zusammenhalten, mahnte der Bundesfinanzminister. Debatten über Einzelheiten führe er allerdings „nicht in Sommerinterviews, weil es mir nicht darum geht, den Koalitionspartner zu provozieren“, sagte Klingbeil (Video auf „ZDFheute.de“).

Zuvor hatte bereits Dirk Wiese, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, gefordert, neben einer Entlastung für Gering- und Durchschnittsverdiener „sehr hohe Einkommen stärker“ zu belasten.

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SPD: Unternehmen und Superreiche belasten, „arbeitende Mitte“ entlasten

Was der SPD vorschweben könnte, lässt sich aus dem Wahlprogramm 2025 ableiten. „Eigentum gibt Sicherheit, aber Eigentum verpflichtet auch“, lautete der Grundsatz auf Seite 19 (PDF).

Geplant war unter anderem, „die übermäßige Privilegierung großer Unternehmensvermögen“ durch eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer abzuschaffen und eine „effektive Mindestbesteuerung“ für „große Betriebsvermögen“ und „vermögenshaltende Familienstiftungen“ einzuführen. Auch eine „international koordinierte Mindeststeuer für Superreiche“ sollte es laut Wahlprogramm geben. Das mache „Steuervermeidung unattraktiv“.

Die pauschale Abgeltungsteuer auf private Kapitaleinkünfte in Höhe von derzeit 25 Prozent solle ebenfalls zugunsten des regulären Einkommensteuertarifs weichen. Einer Finanztransaktionssteuer steht die SPD ebenfalls positiv gegenüber. All das, um die „arbeitende Mitte“ zu entlasten.

Die wiederum sollte weitere Vorteile erhalten: „Das selbst genutzte Familienheim bleibt auch in Zukunft unangetastet“, und auch die „persönlichen Freibeträge“ sollten erhöht werden, so lauten jedenfalls die Versprechen der SPD.

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Vermögensteuer soll nach Vorstellungen der SPD aufleben

Noch während der Koalitionsverhandlungen hatten die SPD-Unterhändler insbesondere dafür geworben, die 1997 ausgesetzte Vermögensteuer „für sehr hohe Vermögen“ zu „revitalisieren“. Die Unionsvertreter lehnten das allerdings ab, und im Koalitionsvertrag (PDF) taucht das Wort kein einziges Mal auf.

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Während sich Grüne, Linke und das BSW ebenfalls traditionell offen für eine Vermögensteuer zeigen, lehnen die AfD und die FDP so etwas kategorisch ab, obwohl die jährliche Steuer nach Artikel 106 (2) des Grundgesetzes grundsätzlich noch immer erlaubt wäre.

Union befürchtet negative Folgen für Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Immobilienbesitzer und Mieter

Ihr Wiederaufleben würde zur Flucht von Eigentümern oder wenigstens ihres Kapitals ins Ausland führen, so das seit Jahren vorgetragene Hauptargument der Vermögensteuergegner.

Im Regierungsprogramm der Union des Jahres 2021 hieß es auf Seite 35 (PDF), dass die Vermögensteuer „vor allem auch die wirtschaftliche Substanz Deutschlands gefährden und Arbeitsplätze kosten“ könne. Eine Analyse der Steuerkanzlei „Juhn & Partner“ aus jener Zeit ergab, dass die Union auch immer wieder mit negativen Folgen für Hausbesitzer und Mieter argumentierte.

In ihrem gemeinsamen Wahlprogramm des Jahres 2025 versuchten CDU und CSU, Stimmen über einen Appell für „höhere Freibeträge bei Grunderwerb- und Erbschaftsteuer sowie beim Sparen“ einzusammeln.

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Dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) höheren Steuern bereits eine klare Absage erteilt hatte, schien Klingbeil im ZDF nicht weiter zu beeindrucken: Es gehe nun darum, dass man sich „kollegial an einen Tisch“ setze und die jeweiligen Vorschläge bespreche. Immerhin habe gerade Söder „mit einigen Vorhaben, die ihm wichtig sind, dazu beigetragen, dass eine Lücke im Haushalt größer“ werde, sagte Klingbeil, ohne näher ins Detail zu gehen.

„Wir haben ganz andere Herausforderungen, die wir bewältigen müssen mit dieser Koalition: Wir haben die internationale Lage, wir haben die wirtschaftliche Lage, wir haben die finanziellen Herausforderungen, die wir in diesem Land bewerkstelligen müssen“, betonte der Finanzminister. „Und insofern erwarte ich von allen, die jetzt Verantwortung auch in dieser Koalition tragen, dass wir das hinbekommen.“

Erhebung der Vermögensteuer nach BVerfG-Beschluss 1997 ausgesetzt

Vor einer Wiedereinführung der Vermögensteuer müssten noch immer praktische Schwierigkeiten bei der steuerlichen Bewertung von Vermögen aus dem Weg geräumt werden. Das hatte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 1995 klargestellt (2 BvL 37/91).

Das BVerfG hatte damals im Kern entschieden, dass Immobilien steuerlich genauso zu behandeln seien wie andere Vermögenswerte. Zudem dürfe nicht das Vermögen selbst, sondern nur der „Sollertrag“ besteuert werden, also der üblicherweise zu erwartende Ertrag aus einem Vermögen. Dabei müssten nicht nur die Einnahmen, sondern auch die abziehbaren Aufwendungen und sonstige Entlastungen berücksichtigt werden. Die „steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages“ müsse auch „in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand“ verbleiben, entschied das BVerfG.

Die schwarz-gelbe Regierung Helmut Kohl V. (CDU) beschloss angesichts des komplexen Beschlusses, die Vermögensteuer in der Praxis lieber gar nicht mehr zu erheben, obwohl das Vermögensteuergesetz (VStG, PDF) formal bis heute nicht aufgehoben wurde.

Unter Kohl und seinem Finanzminister Theo Waigel (CSU) waren laut Paragraf 6 und Paragraf 10 VStG zuletzt jährlich bis zu 1,0 Prozent des Vermögens einer Familie in den westlichen Bundesländern in Rechnung gestellt worden. Für jedes Familienmitglied konnte damals ein Freibetrag von 120.000 DM geltend gemacht werden, bei Menschen über 60 Jahre oder Behinderten noch mehr. Ein halbes Prozent wurde fällig, wenn es um land- und forstwirtschaftliches Vermögen oder um Betriebsvermögen ging. Für Körperschaften galt ein Satz von 0,6 Prozent. Schulden oder ausländische Vermögensteuern wurden berücksichtigt.

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Die Grundlage der Steuer war damals das Gesamtvermögen abzüglich der Schulden. Die Bewertung des Vermögens basierte allerdings auf veralteten Einheitswerten aus dem Bewertungsgesetz. Dessen Maßstäbe taugten nach einigen Jahrzehnten nicht mehr, weil sie zu erheblichen Bewertungsdifferenzen insbesondere bei Immobilien führten. Diesen Umstand hatte auch das BVerfG kritisch angemerkt und Nachbesserung verlangt.

Nach Informationen der Hans-Böckler-Stiftung (PDF, Seite 17) hatten die Länder im letzten Jahr der Erhebung 1996 etwas mehr als 9 Milliarden D-Mark via Vermögensteuer eingenommen, was nach heutiger Währung etwa 4,6 Milliarden Euro entsprechen würde.

Deutliche Mehrheit für höhere Belastungen für Vermögende

Anfang April 2025 hatte der ARD-„DeutschlandTrend“ gezeigt, dass mittlerweile mehr als zwei von drei Wahlberechtigten der Wiedereinführung einer Vermögensteuer im Sinne der SPD positiv gegenüberstehen (PDF).

Ein knappes Jahr davor hatte sich in einer repräsentativen Forsa-Umfrage ebenfalls eine breite Mehrheit von 62 Prozent für eine erneute Vermögensteuer zulasten reicher Privatpersonen oder Unternehmen ausgesprochen.



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