Kommunale Krise erreicht neuen Höhepunkt: Kurstadt Baden-Baden vor Zahlungsunfähigkeit
Nach Angaben des Bundesamtes liegt der starke Anstieg der kommunalen Schulden daran, dass sowohl die Städte und Gemeinden als auch ihre ausgelagerten Haushalte deutlich mehr Kredite aufnehmen mussten. Es handelt sich um jeweils rund zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Ursache dafür ist ein Rekorddefizit, das die Kommunen 2024 verzeichnet haben. Auch die Schulden der städtischen Beteiligungen und Tochterunternehmen sind gestiegen, wenn auch weniger stark, um etwa 2,4 Prozent.
Was die bundesweite Entwicklung zeigt, lässt sich in der Kurstadt Baden-Baden besonders drastisch beobachten. Dort haben die Hoffnungen der Stadt auf finanzielle Entlastung erneut einen deutlichen Dämpfer erhalten: Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat die vom Gemeinderat im Oktober beschlossene zweite Nachtragshaushaltssatzung zwar grundsätzlich bestätigt, verweigert jedoch die Genehmigung zusätzlicher Kredit- und Verpflichtungsermächtigungen. Das sei auch schon im Mai beim Einreichen des ersten Nachtragshaushalts passiert, heißt es von der Stadtverwaltung weiter.
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Ursprünglich hatte der Nachtragshaushalt im Mai vorgesehen, dass Baden-Baden Kredite in Höhe von 33,7 Millionen Euro und Verpflichtungsermächtigungen von 142,92 Millionen Euro aufnimmt. Verpflichtungsermächtigungen erlauben es Kommunen schon heute, Verträge abzuschließen, deren finanzielle Auswirkungen erst in den nächsten Jahren zu Ausgaben führen. Es sind also keine Kreditaufnahmen, sondern eine Erlaubnis, zukünftige Zahlungsverpflichtungen einzugehen.
Nicht in der Lage, Darlehen aus Einnahmen zurückzuzahlen
Das Regierungspräsidium Karlsruhe begründete damals die Ablehnung damit, dass die Stadt „nach ihrer eigenen Haushaltsplanung nicht in der Lage“ wäre, die Rückzahlungsverpflichtungen aus Darlehen in dieser Höhe zu erwirtschaften. Das würde aber gegen „die allgemeinen gemeindewirtschaftsrechtlichen Haushaltsgrundsätze“ verstoßen, so das Regierungspräsidium.
Wie die Stadt mitteilt, sind Baden-Baden auch dieses Mal wieder strikte Auflagen aus Karlsruhe erteilt worden. So wurden eine Erhöhung der Kreditermächtigung und eine Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen auch dieses Mal nicht genehmigt. Damit bleibt der finanzielle Handlungsspielraum der ohnehin schwer angeschlagenen Kommune extrem eingeschränkt.
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Trotz dieses Rückschlags erkennt die Aufsichtsbehörde erstmals deutliche Ergebnisverbesserungen im Vergleich zum ersten Nachtragshaushalt an, teilt die Stadtverwaltung weiter mit. Erste Konsolidierungsmaßnahmen der Stadt hätten Wirkung gezeigt, hieße es in der Entscheidung. Doch mit Blick auf das strukturelle Defizit von rund 40 Millionen Euro jährlich bleibt der Ton ernst: Die Konsolidierung müsse „mit aller Anstrengung und Konsequenz“ vorangetrieben werden.
Verbesserungen ja – aber kaum neuer Spielraum
Die Entscheidung des Regierungspräsidiums folgt einem bekannten Muster: Die Stadt darf den Höchstbetrag der Kassenkredite bei 65 Millionen Euro belassen, muss aber weiterhin ohne neue langfristige Kredite auskommen. Das bedeutet, dass Baden-Baden zwar kurzfristige Liquidität sichern kann, aber kaum in der Lage ist, dringend notwendige Investitionen zu finanzieren oder laufende Defizite nachhaltig zu decken.
Diese Vorgaben treffen auf eine Kommune, die in den vergangenen Monaten zunehmend in die Defensive geraten ist. Noch am Mittwoch letzter Woche hatte die Verwaltungsspitze laut „Badische Neueste Nachrichten“ (BNN) gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden einen Brandbrief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geschickt. Darin heißt es, so die BNN, die Stadt stehe kurz davor, ihre Zahlungsfähigkeit zu verlieren. Die seit Jahren schwelende strukturelle Unterfinanzierung zeige nun „dramatische Auswirkungen“.
Stadtrat und Verwaltung schlagen Alarm
Erster Bürgermeister Alexander Wieland (parteilos), der derzeit Oberbürgermeister Dietmar Späth (parteilos) vertritt, zeigte sich in der Pressemitteilung vom letzten Montag realistisch, aber kämpferisch. Man habe die Entscheidung des Regierungspräsidiums „in dieser Form vorhergesehen“. Die strukturelle Schieflage kommunaler Finanzen treffe Baden-Baden besonders hart. „Trotz aller eigenen Anstrengungen stoßen wir an die Grenzen des Leistbaren“, so Wieland. Ohne zusätzliche Hilfen von Bund und Land werde es „kaum möglich sein, die Handlungsfähigkeit unserer Stadt dauerhaft zu sichern“.
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Wielands Worte stehen im Einklang mit dem Hilferuf, der in Karlsruhe und Stuttgart inzwischen für Aufmerksamkeit sorgt. Der Brief an den Ministerpräsidenten beschreibt eine Kommune, die trotz Einsparungen und Einschnitten in vielen Bereichen weiterhin vor einem Berg an Herausforderungen steht – und deren politisches Führungspersonal zunehmend unter Druck gerät.
Ursachen außerhalb der Stadtgrenzen
Die Stadt verweist in ihrem Schreiben auf Entwicklungen, die zahlreiche Kommunen bundesweit belasten: drastische Kostensteigerungen im öffentlichen Nahverkehr, in Kliniken und insbesondere in der Eingliederungshilfe. Diese Faktoren bildeten die Haupttreiber des Defizits, seien jedoch politisch kaum beeinflussbar.
Auf der Website der Stadt heißt es dazu weiter:
„Die Stadt Baden-Baden hat in den vergangenen Jahren stets vorausschauend gewirtschaftet.“
Die Haushaltspläne seien in der Vergangenheit immer wieder genehmigt worden und hätten auf „soliden Annahmen“ basiert. „Dennoch ist die jetzige Situation in ihrer Schärfe nicht vorhersehbar gewesen“, so die Stadt weiter.
Mehrere Faktoren hätten nach Angaben der Verwaltung zu dem drastischen Einbruch geführt. So sei es zu deutlichen Rückgängen bei den Einnahmen aus Gewerbe-, Einkommen- und Umsatzsteuer gekommen, während gleichzeitig die Ausgaben – vorwiegend in den Bereichen Soziales und Jugendhilfe – stark gestiegen seien. Zudem seien zusätzliche Aufgaben auf die Kommunen übertragen worden, ohne dass Bund und Land für eine ausreichende Gegenfinanzierung gesorgt hätten.
Mit diesen Entwicklungen steht Baden-Baden keineswegs allein, doch trifft die Situation die Kurstadt wegen zusätzlicher Belastungen, etwa durch das Klinikum Mittelbaden, in besonderer Schärfe.
Klinikum Mittelbaden als Risikofaktor
Die finanzielle Lage des Klinikums Mittelbaden (KMB), dessen Träger Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt sind, verschärft die Problematik erheblich. Die Stadt argumentiert im Brief an Ministerpräsident Kretschmann, dass die angestrebten Konsolidierungseffekte in Höhe von 21 Millionen Euro deshalb kaum erreichbar seien, wie die BNN schreibt. Allein der Verlustausgleich für das KMB zwingt die Kommune zu Ausgaben, die sie längst nicht mehr stemmen kann.
Die Stadt bittet das Land daher, Kreditaufnahmen für das Klinikum künftig „wohlwollend zu prüfen“. Es gehe nicht nur um Zahlen, sondern auch um die Sicherung von mehr als 2.000 Arbeitsplätzen und die medizinische Versorgung einer ganzen Region. Das Land hatte zuletzt eine finanzielle Übernahme jedoch abgelehnt.
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Das Klinikum Mittelbaden befindet sich in einer angespannten finanziellen Lage. Für das Jahr 2024 weist der Verbund einen Jahresfehlbetrag von rund 16,75 Millionen Euro aus, nachdem bereits 2023 ein Minus von knapp 8,9 Millionen Euro verzeichnet worden war. Als Ursachen nannte die Klinikum-Geschäftsführung auf der Jahrespressekonferenz im August unter anderem nicht kostendeckende Fallpauschalen, deutliche Tarif- und Sachkostensteigerungen sowie den Wegfall staatlicher Entlastungen, etwa im Energiebereich.
Hinzu kommt die wirtschaftlich belastende Mehrstandortstruktur mit hohem Instandhaltungs- und Sanierungsbedarf. Die Gesellschafter Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt stützen das Klinikum derzeit über eine verlängerte Patronatserklärung (Bürgschaft) zur Sicherung der Liquidität, während parallel umfassende Strukturmaßnahmen und die Planung eines zentralen Neubaus vorangetrieben werden.
Zurückweisen von Steuererhöhungen
Für besonders viel Unmut sorgt ein Hinweis aus dem Regierungspräsidium: Kommunen könnten nicht zahlungsunfähig werden, da ihnen jederzeit die Möglichkeit bleibe, Steuern zu erhöhen. Doch die Stadt weist laut BNN diesen Vorschlag mit deutlichen Worten zurück.
Um das aktuelle strukturelle Defizit auszugleichen, wäre nahezu eine Verdopplung der Grund- und Gewerbesteuer nötig – ein Schritt, der nach Meinung der Stadt politisch wie gesellschaftlich vollkommen undenkbar wäre. Die wirtschaftlichen Folgen wären absehbar: Abwanderung von Unternehmen, fehlende Investitionsbereitschaft, sinkende Attraktivität des Standorts. Schon jetzt stoßen Sparmaßnahmen bei Teilen der Bevölkerung auf erheblichen Widerstand.
Forderung nach struktureller Reform
Baden-Baden fordert deshalb nicht nur Soforthilfen, sondern eine grundlegende Reform der kommunalen Finanzierung. Die Stadt plädiert für eine deutliche Erhöhung des kommunalen Anteils an Einkommen- und Umsatzsteuer sowie für eine dauerhafte Verbesserung des kommunalen Finanzausgleichs. Viele Aufgaben – von Sozialstandards über Kitabetreuung bis hin zur Finanzierung von Kliniken – seien den Kommunen übertragen worden, ohne dass eine ausreichende finanzielle Ausstattung erfolgte. Das führe zu einer strukturellen Unterfinanzierung, die sich nun drastisch bemerkbar mache. „Aktuell explodieren die Sozialkosten, ohne dass darauf reagiert wird“, heißt es unverblümt im Schreiben an Kretschmann.
In der Stadt wird der Druck größer
Noch ist unklar, wie Ministerpräsident Kretschmann auf den Hilferuf aus Baden-Baden reagieren wird. Zwar hatte das Land zuletzt einmalige Mittel für klamme Kommunen bereitgestellt, doch diese seien nach Einschätzung der Stadt lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Ein struktureller Kurswechsel sei notwendig, um Kommunen langfristig handlungsfähig zu halten.
In der Stadt selbst wird der politische Druck unterdessen größer. Als Reaktion darauf hat die Verwaltung einen Zehn-Punkte-Plan vorgestellt, der die Haushaltskonsolidierung vorantreiben und zugleich die Zukunftsfähigkeit Baden-Badens sichern soll. Er umfasst weitere Einsparungen im Haushalt, eine schlankere und digitalere Verwaltung, die Überprüfung städtischer Angebote und Reformen im Klinikum sowie eine stärkere Fokussierung der Sozial- und Asylleistungen auf das rechtlich Notwendige.
Zusätzlich sollen städtische Flächen effizienter genutzt, neue Finanzierungswege für Kultur, Bildung und Sport erschlossen und Kooperationen mit privaten wie kommunalen Partnern ausgebaut werden. Durch die Ausweisung neuer Gewerbegebiete und eine Qualitätsstrategie im Tourismus sollen die Einnahmen gestärkt werden. Gemeinsam sollen diese Maßnahmen den „Kurs Baden-Baden 2030“ markieren – ein Aufbruchssignal, das jedoch nur mit Unterstützung von Land und Bund vollständig umzusetzen sein wird.
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