„Mehr Beschäftigte als in der gesamten deutschen Landwirtschaft“: Arbeitgeber kritisieren Ineffizienz der Sozialversicherung
Nicht weniger als 25 Milliarden Euro im Jahr muss der Bund für die Verwaltung der Sozialversicherung aufwenden. Das hat die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mitgeteilt. Arbeitgeberchef Rainer Dulger äußerte sich zu dem Thema am Mittwoch, 28. Mai, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ).
Die Summe sei „keine Kleinigkeit, sondern mehr, als wir für Elterngeld, Wohngeld und BAföG zusammen ausgeben“, betonte der Verbandschef. Es sei erforderlich, die Strukturen effizienter zu gestalten, um Kosten zu senken. Die Sozialversicherung müsse dazu gebracht werden, „effizient, digital und kostenbewusst“ zu arbeiten.
Sozialversicherung beschäftigt mehr Menschen als die Landwirtschaft
Dabei gehen die Kosten für die einzelnen Bereiche deutlich auseinander – ebenso wie ihr Anteil am Gesamtaufwand. Insgesamt beschäftigen alle Sozialversicherungen rund 378.000 Mitarbeiter. Das sind mehr Beschäftigte als in der gesamten deutschen Landwirtschaft. Der Personal- und Finanzbedarf der einzelnen Organisationen richtet sich nach der Größe und Komplexität der Aufgaben.
[etd-related posts=“5115696″]
Die höchsten Verwaltungskosten in absoluten Zahlen entfallen mit etwa 11 Milliarden Euro auf die gesetzliche Krankenversicherung. Diese verursacht jedoch auch insgesamt höhere Kosten – unter anderem aufgrund des Aufwandes für Heilbehandlungen und der modernen Geräte, die dabei zum Einsatz kommen. Etwa 3,6 Prozent der Ausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung entfallen auf die Verwaltung.
Jeweils etwa 5 Millionen Euro schlagen an Verwaltungskosten für Renten- und Arbeitslosenversicherung zu Buche. Während dieser Betrag jedoch nur 1,2 Prozent der Gesamtkosten für die gesetzliche Rentenversicherung ausmacht, sind es gleich 14 Prozent jener der Arbeitslosenversicherung.
Höhe der Verwaltungskosten durch Aufgaben bedingt
Diese Zweige stellen damit den niedrigsten beziehungsweise höchsten Verwaltungskostenanteil innerhalb der Sozialversicherung. Im Bereich der Pflegeversicherung entfallen 3,8 Prozent aller Ausgaben in Höhe von zuletzt 68,20 Milliarden Euro auf die Verwaltung. Für die gesetzliche Unfallversicherung gibt es bislang nur Schätzungen bezüglich der Ausgaben im Vorjahr. Sie bewegten sich zuletzt im Bereich von etwas mehr als 13 Milliarden Euro; der Verwaltungskostenanteil lag bei 11,5 Prozent.
Bis zu einem gewissen Grad erklärt sich der jeweilige Verwaltungsaufwand aus der Natur der Tätigkeit selbst. In der Regel wird ein Rentenantrag einmal geprüft und anschließend erfolgen regelmäßige automatisierte Zahlungen mit geringem Anpassungsaufwand.
[etd-related posts=“5072968″]
Deutlich komplexer sieht die Sache in der Arbeitslosenversicherung aus. Die Verwaltungskosten umfassen dort individuelle Beratung, Anspruchsprüfung, Kontrolle und Betreuung von Kunden der Bundesarbeitsagentur. Auch die Jobcenter werden gemeinsam von der Arbeitsagentur und den Landkreisen betrieben. Vor allem in diesem Bereich ist der Aufwand für die Kontrolle von Anspruchsvoraussetzungen ebenfalls hoch.
BDA sieht Vielzahl an Optimierungspotenzialen
Komplexe gesetzliche Regelungen erhöhen regelmäßig den Verwaltungsaufwand für die einzelnen Sozialversicherungsträger. Auch im Bereich der Rentenversicherung gibt es Konstrukte wie die 2021 eingeführte Grundrente, die einen erhöhten Berechnungsaufwand nach sich ziehen. Während in der Rentenversicherung insgesamt der Verwaltungskostenanteil gering ist, liegt er im Bereich der Grundrente bei etwa 13 Prozent.
Aus Sicht der Arbeitgeberverbände ist ein sachgerechter Aufwand zwar nachvollziehbar, allerdings zweifelt Dulger daran, dass in den Sozialversicherungen tatsächlich alle Potenziale ausgeschöpft sind.
[etd-related posts=“5001715″]
Vor allem im Bereich der Digitalisierung sieht Dulger noch eine Vielzahl an Optimierungspotenzialen. Auch was die Strukturen betreffe, gebe es Verschlankungsoptionen, um die Verwaltungskosten zu senken und damit auch die Beitragszahler zu entlasten. Obwohl es seit 1996 bereits einen Rückgang der Zahl der Krankenkassen von 642 auf 94 gegeben habe, bestünden weiterhin zahlreiche parallele Strukturen. Diese führten zu Mehrfachaufwand und Ineffizienz.
Verwaltungskosten niedriger als bei privaten Versicherern
Die Kassen selbst weisen darauf hin, dass ihre Verwaltungskosten pro Kopf niedriger seien als jene der privaten Versicherer. Allerdings räumt man auch in ihren Reihen ein, dass Einsparpotenziale durch Prozessoptimierung und Digitalisierung bestünden. Zu den möglichen Ansätzen gehören unter anderem elektronische Aktenführung, automatisierte Antragsbearbeitung oder Self-Service-Portale für Versicherte.
Schon jetzt bauen die Kassen Möglichkeiten zur Automatisierung repetitiver Aufgaben aus. Diese ermöglichen unter anderem eine digitale Dateneingabe, Terminplanung oder Bestandsverwaltung. Die Beschäftigten bei den Kassen könnten sich somit auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren.
[etd-related posts=“4919611″]
Weitere Einsparpotenziale im Bereich der Verwaltung könnten Ansätze zur Straffung von Prozessen, eine Analyse der Gemeinkosten einzelner Tätigkeiten oder ein Einsatz sogenannter ERP-Software sein. Dieses „Enterprise Resource Planning“ kann auch in öffentlich-rechtlichen Einrichtungen die Planung und Steuerung von Ressourcen optimieren.
Dazu kommen Tools zur Optimierung des Projektmanagements, des Personalmanagements oder der Organisationsstruktur. Ergänzt durch eine Kultur der Transparenz und regelmäßiger Kostenkontrolle ließen sich nach Einschätzung von Praktikern so Effizienzgewinne erzielen, ohne die Qualität der Leistung zu beeinträchtigen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion