Mehrere Städte wollen Kinder aus Gaza aufnehmen – Bund sieht rechtliche Probleme

In Kürze:
- Staatsministerin Serap Güler kritisiert Aufnahmeinitiativen deutscher Städte als wahlkampforientiert.
- Fünf Städte fordern humanitäres Kontingent für Kinder aus Gaza.
- Bundesregierung betont: Aufnahme nur mit Zustimmung und klaren Verfahren
- Experten warnen vor praktischen Hürden und rechtlichen Folgefragen, etwa beim Familiennachzug.
Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Serap Güler, hat sich skeptisch gegenüber dem Vorstoß mehrerer deutscher Städte zur Aufnahme von Kindern aus dem Gazastreifen geäußert. Gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärte sie, die Idee sei „nett für den Wahlkampf oder um damit punkten zu wollen“. Wahlen stehen in absehbarer Zeit in Düsseldorf und Bonn bevor, in den anderen Städten erst 2026 oder 2027.
Den Menschen vor Ort helfe sie jedoch nicht. Es sei wichtiger und hilfreicher, „Länder in der Region zur Aufnahme zu motivieren“. Deutschland bemühe sich bereits um Lösungen dieser Art und biete dabei Unterstützung an. Güler wittert eine „Instrumentalisierung für den Wahlkampf“ hinter der Städteinitiative und will den Betroffenen nicht „diese lange Reise“ zumuten.
Stopp für Aufnahmeprogramme steht der Städteinitiative für Gaza entgegen
Vor dem Hintergrund des anhaltenden Krieges in Gaza haben sich mittlerweile fünf deutsche Städte bereit erklärt, Minderjährige aus dem Küstenstreifen aus humanitären Gründen aufzunehmen. Ursprünglich war die Initiative von Hannover ausgegangen. Mittlerweile haben sich auch Düsseldorf, Leipzig, Kiel und Bonn bereit erklärt, sich daran zu beteiligen.
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Allerdings hatte das Bundesinnenministerium erst vor wenigen Wochen deutlich gemacht, dass die Bundesregierung alle humanitären Aufnahmeprogramme gestoppt hat. Auch mit Blick auf Landesaufnahmeprogramme hat Minister Alexander Dobrindt jüngst signalisiert, dass man das dafür erforderliche Einvernehmen nicht einstellen werde.
Es droht der Initiative deshalb schon von dieser Seite ein ähnliches Schicksal wie dem 2019 initiierten Städtebündnis „Sichere Häfen“. Damals hatten knapp 250 Städte und Landkreise signalisiert, bereit zu sein, mehr Geflüchtete aufzunehmen, als ihnen gesetzlich zugedacht waren. Es blieb bei einem Appell.
Fünf Oberbürgermeister fordern humanitäres Sofortprogramm
Einen solchen haben nun auch die betreffenden Städte an das Bundesinnenministerium gerichtet. Sie weisen darauf hin, dass „besonders Kinder von Verletzungen, Traumatisierung, dem Verlust von Angehörigen und mangelhafter Versorgung“ betroffen seien. Diesen seien die Kommunen bereit, Schutz zu gewähren.
Allerdings sei dafür ein geordnetes Verfahren auf Bundesebene erforderlich. Deshalb richten die Oberbürgermeister der fünf Städte ein Ersuchen an die Bundesregierung, kurzfristig ein Kontingent zur humanitären Aufnahme besonders gefährdeter Menschen aus Gaza einzurichten.
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Konkrete Anfragen von Städten lagen einer Sprecherin des Bundesinnenministeriums zufolge zumindest bis Montag, 4. August, noch nicht vor, berichtete ZDF-„heute“. Die Sprecherin machte deutlich, dass jede humanitäre Aufnahme einer Zustimmung vonseiten des Ministeriums bedürfe.
Die SPD-Fraktion spricht von einer zweistelligen Zahl möglicher Aufnahmen
Derzeit gehe es vor allem um die Ausweitung medizinischer und humanitärer Hilfe vor Ort. Ohnehin hänge die Umsetzbarkeit von Vorschlägen, wie die Städte sie ins Spiel brächten, „entscheidend von der Sicherheitslage, der Möglichkeit der Ausreise und weiteren Faktoren ab“.
Auch Kanzleramtschef Thorsten Frei betonte gegenüber „RTL/ntv“, es sei „zunächst einmal wichtig, vor Ort zu helfen“. Deshalb lote man Deutschlands Möglichkeiten aus, „sowohl die Versorgung mit Lebensmitteln als auch die medizinische Versorgung zu verbessern“.
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Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, Derya Türk-Nachbaur, spricht sich hingegen für eine humanitäre Aufnahme von Kindern aus Gaza aus. Sie verweist auf Länder wie Italien oder Norwegen. Diese würden bereits jetzt Kinder ausfliegen oder Schwerverletzte behandeln. Es gehe auch nicht um eine große Anzahl. Türk-Nachbaur sprach von einer Größenordnung zwischen 20 und 50 Minderjährigen. Dies sei beispielsweise das Quantum der von Italien aufgenommenen Kinder.
Länder der Region zurückhaltend bei Aufnahme Geflüchteter aus Gaza
Während die Städte, von denen die Initiative ausgeht, betonen, sie könnten Betreuung, psychologische und medizinische Versorgung sicherstellen, stößt ihr Vorhaben auf einige Schwierigkeiten. Selbst wenn der Bund einer begrenzten Aufnahme zustimmen würde, müssten Ausreisen faktisch möglich sein. Dies ist in der derzeitigen Situation in Gaza nicht ohne Weiteres gewährleistet.
Zudem bedarf es geregelter Einreiseverfahren und klarer Kriterien für medizinische Auswahl und Begleitung. Nach einer Aufnahme müssten Perspektiven für eine adäquate Behandlung häufig traumatisierter Minderjähriger sichergestellt sein. Nachbarländer wie Ägypten oder regionale Akteure wie Jordanien, der Libanon oder Syrien haben zwar Kontingente von Geflüchteten aufgenommen.
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Auch diese Länder lehnen jedoch die Aufnahme einer größeren Anzahl Schutzsuchender aus Gaza ab. Dabei führen sie ausdrücklich auch Sicherheitsbedenken ins Treffen, die sich aufgrund von Traumatisierung und Radikalisierung Betroffener aus dem von der terroristischen Hamas beherrschten Gazastreifen ergeben könnten.
Unbegleitete Minderjährige haben grundsätzlich ein Recht auf Familiennachzug
Eine weitere Problematik, die sich aus einer Aufnahme ergeben könnte, wäre jene des Familiennachzugs. Zwar hat die Bundesregierung bereits zu Beginn ihrer Amtsperiode erklärt, diesen für subsidiäre Schutzberechtigte vorerst für zwei Jahre auszuschließen, das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sehen jedoch bei minderjährigen Geflüchteten grundsätzlich ein Recht vor, ihre Eltern nachzuholen. Dieses trete mit Gewährung des Schutzstatus ein. Ausländerrechtlich bedarf es in solchen Fällen meist nicht einmal eines Nachweises von Einkommen oder Wohnraum. Der Antrag muss lediglich innerhalb von drei Monaten nach Anerkennung des Schutzstatus gestellt werden.
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