Merkel kritisiert Asylpolitik der Bundesregierung – Merz kontert: „Lösen Probleme der letzten zehn Jahre“
Gleich zwei Gelegenheiten hat Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel in den vergangenen Tagen genutzt, um die Asylpolitik der amtierenden Bundesregierung zu kommentieren. Am Montag, 30. Juni, organisierte der WDR ein Treffen der Altkanzlerin mit Geflüchteten in einem syrischen Restaurant in Berlin. Anlass dafür war das zehnjährige Jubiläum der Fluchtbewegung des Sommers 2015, an dessen Ende die Entscheidung Merkels stand, eine Vielzahl Schutzsuchender aufzunehmen.
Am Dienstag gastierte die frühere Bundeskanzlerin zu einem Podiumsgespräch in Schwerin. Dieses hatten das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) und die „Ostsee-Zeitung“ im Innenhof des Schlosses organisiert.
Merkel äußerte Sorge um EU-Freizügigkeit
Merkel übte im Rahmen ihrer Auftritte Kritik am derzeitigen Kurs der Bundesregierung unter ihrem Parteikollegen Bundeskanzler Friedrich Merz. Vor allem nahm sie Anstoß an der von seiner Regierung eingeführten Praxis, Asylsuchende, die aus anderen EU-Ländern einreisen wollen, zurückzuweisen. Im Fall dreier somalischer Geflüchteter, die aus Polen angereist waren, hat das Verwaltungsgericht Berlin dieses Vorgehen bereits für rechtswidrig erklärt.
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Wer an der deutschen Grenze „Asyl“ sage, so betont Merkel, müsse ein Verfahren bekommen. Notfalls könne man dies „direkt an der Grenze“ durchführen, das Verfahren sei jedoch zwingend erforderlich. Dies entspreche ihrem Verständnis von europäischem Recht. Das Verwaltungsgericht Berlin sah es ähnlich. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) misst dem Urteil allerdings nur Bedeutung für den Einzelfall zu und will an seiner Linie festhalten.
Das Migrationsthema könne nur im europäischen Rahmen angegangen werden, unterstrich die Bundeskanzlerin. Die Einführung von Grenzkontrollen durch Deutschland, der jüngst reziproke Kontrollen durch Polen folgten, beunruhigt Merkel. In Schwerin erklärte die Altkanzlerin, sie mache sich „Sorgen um die Funktionsfähigkeit von Schengen“. Grenzkontrollen könnten temporär notwendig sein. Allerdings dürften diese nicht dazu führen, „dass wir die Freizügigkeit nicht mehr haben“.
Ex-CDU-Chefin sieht keinen Zusammenhang zwischen Politik von 2015 und AfD-Aufstieg
Die Altkanzlerin betonte mit Blick auf die Union, es sei notwendig, die eigenen Werte zu vertreten, statt sich den Takt in der Debatte von der AfD vorgeben zu lassen. Merkel wies in Schwerin den Vorwurf zurück, durch ihre Migrationspolitik zum Erstarken der AfD beigetragen zu haben.
Flüchtlingspolitische Entscheidungen der Bundesregierung seien kein Grund, pauschale Ressentiments gegen andere Menschen zu entwickeln, äußerte die Altkanzlerin:
Man kann deswegen doch nicht ein Fremdenhasser werden.“
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Im Bereich der Abschiebungen stimmt Merkel der amtierenden Bundesregierung hingegen zu. Abgelehnte Asylsuchende müsse man auch wieder in ihre Herkunftsländer zurückführen können – auch nach Afghanistan. Die frühere CDU-Vorsitzende mahnte allerdings auch die Einhaltung von Zusagen gegenüber sogenannten Ortskräften an.
Die Rückkehr von Merkel auf die politische Bühne
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Altkanzlerin kritisch gegenüber der aktuellen Asylpolitik ihrer Partei äußert. Nach dem Ausscheiden aus ihrem Amt im Dezember 2021 hatte Merkel längere Zeit Abstand zur Tagespolitik demonstriert. Sogar den Bundesparteitagen der CDU ist sie ferngeblieben.
Im Sommer des Vorjahres meldete sie sich hingegen mit einer Autobiografie zurück, die den Titel „Freiheit: Erinnerungen 1954 – 2021“ trägt. Diese hat sie anlässlich ihres 70. Geburtstages veröffentlicht. Im November wandte sie sich im „Spiegel“ gegen die Forderung des Kanzlerkandidaten Friedrich Merz nach Zurückweisungen Asylsuchender bereits an der Grenze.
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Mit Blick auf die Debatte über die Integration der Geflüchteten erklärte Merkel, dies sei ein zweiseitiger Prozess, der auch Offenheit aufseiten der Aufnahmegesellschaft verlange:
Voraussetzung ist ein Mindestmaß an Wissen über andere Kulturen, ich muss mich schon dafür interessieren.“
Im Januar kritisierte sie Merz für sein Manöver, Anträge zur Asylpolitik in den Bundestag einzubringen, die nur mit den Stimmen der AfD eine Chance auf Mehrheiten versprachen.
Kanzleramtschef Frei verteidigt die Regierung
Kanzleramtschef Thorsten Frei verteidigte vor dem Hintergrund der Kritik Merkels im ARD-„Morgenmagazin“ das Vorgehen der Bundesregierung. Personen, die aus sicheren Ländern einreisten, seien keine Flüchtlinge. Es sei notwendig, die Migration zu begrenzen – und die Regierung müsse trotz Kritik bei ihrer Position bleiben.
Kanzler Friedrich Merz selbst reagierte in der Sendung „Maischberger“ auf die jüngsten Äußerungen der früheren Kanzlerin. Man müsse im Moment „ein paar Probleme lösen, die in den letzten zehn Jahren entstanden sind“, erklärte Merz. Damit machte er indirekt Merkel für derzeitige Probleme in der Migrationspolitik verantwortlich.
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Diese hatte 2015 Asylverfahren in Deutschland möglich gemacht von Flüchtlingen, die in Ungarn festsaßen. In weiterer Folge entstand unter weiteren Schutzsuchenden entlang der Balkanroute der Eindruck, Deutschland öffne generell seine Grenzen. Binnen weniger Monate fanden hunderttausende Asylsuchende vor allem aus Syrien und dem Irak den Weg ins Land.
Merz: „Wir beteiligen uns am Schutz der EU-Außengrenzen“
Merz verteidigte auch die Kontrollen an den Schengen-Grenzen. Er wies den Vorwurf zurück, die europäische Komponente der Asylpolitik außer Acht zu lassen, und erklärte:
Die europäischen Außengrenzen sind auch unsere europäischen Außengrenzen. Und deswegen haben wir ein hohes Interesse daran, dass sie geschützt werden. Wir beteiligen uns daran.“
Man sei auf einem guten Weg, eine funktionsfähige europäische Einwanderungspolitik zu konzipieren. Die Zahl der Asylsuchenden gehe infolge der erweiterten Grenzkontrollen deutlich zurück. Für Menschen ohne Bleiberecht soll es „nur eine Tür aus dem Abschiebegewahrsam“ geben, „und das ist die Richtung Heimat“.
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