Merz will Verbrennerverbot 2035 kippen – und EU-Klimavorgaben prüfen

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stellt das EU-weite Verbot für neue Verbrennerautos ab 2035 offen infrage. In Berlin warb er für mehr „Technologieoffenheit“ und kündigte an, das Thema beim EU-Gipfel in Kopenhagen auf die Agenda zu setzen. Damit rückt die Bundesregierung vom bisherigen Kurs der Europäischen Union ab.
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Bundeskanzler Friedrich Merz macht klare Ansagen in Richtung Brüssel.Foto: Daniel MIHAILESCU/AFP via Getty Images
Von 27. September 2025

In Kürze:

  • Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht sich erstmals klar dafür aus, das EU-weite Verbot neuer Verbrennerautos ab 2035 aufzuheben.
  • Er fordert mehr Technologieoffenheit und warnt vor staatlicher Bevormundung bei der Wahl klimafreundlicher Antriebstechnologien.
  • Beim kommenden EU-Gipfel in Kopenhagen will Merz das Thema auf die Agenda setzen und eine grundlegende Diskussion über die Zukunft des Automobilstandorts Europa anstoßen.
  • Ziel des Kanzlers ist es, die europäischen Klimavorgaben zu überprüfen, die Kompetenzen der EU-Kommission zu begrenzen und den Mitgliedstaaten mehr Entscheidungsspielraum zu geben.

 

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich erstmals klar dafür ausgesprochen, das für 2035 geplante Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren in der Europäischen Union wieder aufzuheben. Beim „Schwarz Ecosystem Summit“ in Berlin warb Merz am Freitag vor Unternehmern für eine Rücknahme des Beschlusses.

Leitprinzip „Technologieoffenheit“

„Es ist grundsätzlich falsch, wenn der Staat einseitig Technologien vorgibt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht werden müssen oder verboten werden sollen. Beides ist gleich falsch“, sagte Merz. Mit Blick auf das geplante Verbot in der Europäischen Union ab 2035 erklärte er, die Bundesregierung befinde sich „in einer sehr intensiven Diskussion“ darüber. Er selbst werbe „gegenüber der EU-Kommission dafür, dass wir dieses Verbrennerverbot aufheben“. Statt staatlicher Vorgaben solle die Industrie selbst entscheiden, „welcher technologische Weg zur CO₂-Neutralität führt“.

Merz sprach sich dafür aus, verschiedene Antriebstechnologien zuzulassen – etwa „Range Extender“, „hybride Antriebe“ und „synthetische Kraftstoffe“. Damit könne auch der bestehende Fahrzeugbestand klimafreundlicher werden. „In Deutschland gibt es ungefähr 40 Millionen Fahrzeuge, in Europa ungefähr 250 Millionen und in der Welt 1,5 Milliarden Fahrzeuge, die mit dem Verbrennermotor unterwegs sind“, sagte Merz. Diese Autos würden „am 1. Januar 2035 immer noch auf den Straßen“ sein. „Was machen wir mit den Fahrzeugen eigentlich?“, fragte er. Als Leitprinzip nannte Merz die „Technologieoffenheit“: „Wir wollen Ziele vorgeben in der Politik, aber wir wollen nicht den Weg beschreiben, wie man solche Ziele erreicht.“

„Klartext“ mit Kommissionspräsidentin von der Leyen reden

So deutlich hatte sich der Kanzler bislang nicht zu diesem Thema geäußert. Das geplante Verbrenner-Aus war 2022 von der EU beschlossen worden. Es sieht vor, dass ab 2035 keine neuen Pkw mit Benzin- oder Dieselmotor mehr zugelassen werden dürfen. Ziel der Regelung ist es, die CO₂-Emissionen im Verkehrssektor deutlich zu reduzieren und den Umstieg auf klimafreundliche Antriebe zu beschleunigen.

Innerhalb der schwarz-roten Koalition gab es bisher unterschiedliche Positionen beim Thema Aufhebung des Verbrenner-Aus. Die Union setzt sich schon seit Langem für die Aufhebung des Verbrenner-Aus 2035 ein. Schon im Europawahlpogramm von CDU und CSU aus dem vergangenen Jahr kann man unter dem Stichwort „Eine Zukunftsperspektive für den sauberen Verbrennungsmotor schaffen“ lesen:

Wir stehen zum Auto, unabhängig von der Antriebsart. Wir wollen das Verbrennerverbot wieder abschaffen und die deutsche Spitzentechnologie des Verbrennungsmotors erhalten und technologieoffen weiterentwickeln. Synthetische Kraftstoffe spielen dafür eine zentrale Rolle. Wir schreiben keine Technologien vor.“

Anfang September hatte der baden-württembergische CDU-Landeschef Manuel Hagel mit deutlichen Worten vor einem Aus für neue Autos mit Verbrennermotor gewarnt. „Das Verbrenner-Aus der EU muss weg. Es schadet der Innovation, schwächt unsere Industrie, gefährdet tausende Arbeitsplätze – und bringt unserem Klima nichts“, sagte der Landeschef, laut der Wochenzeitung „Staatsanzeiger“, der „Deutschen Presse-Agentur“ nach einem Gespräch der Unionsfraktionsvorsitzenden aus Bund, Ländern und EU-Parlament mit Bundeskanzler Merz in Berlin.

Im Namen der Fraktionschefs der Union in den Ländern forderte Hagel Merz auf, nun mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „Klartext“ über das Verbrenner-Aus zu sprechen. „Es geht jetzt darum, deutsche Interessen zu vertreten. Dafür brauchen wir einen Kurswechsel in der europäischen Automobilpolitik.“

Jetzt seien laut Hagel „Technologieoffenheit, unternehmerische Freiheit und faire Regeln für alle Antriebsformen“ nötig. „Unsere Hersteller brauchen keine Politik, die ihnen erklärt, wie ein Auto funktioniert.“

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Zuvor hatte sich auch CSU-Chef Markus Söder in seiner Rede auf der „IAA Mobility 2025“ in München dafür ausgesprochen, das geplante Verbrenner-Aus zu kippen. Bayern sei und bleibe ein Autoland, sagte Söder, und bekannte sich klar zur Elektromobilität. Sie werde sich auf Dauer durchsetzen. Zugleich betonte er aber: „Auch der Verbrenner hat noch Zukunft.“

Versprechen Verbrenner-Aus zurückzunehmen

Er warnte davor, den technologischen Wandel allein durch politische Vorgaben zu steuern. „Das Verbrennerverbot, so wie es konzipiert ist, ist der falsche Weg. Dieses Verbrennerverbot ist falsch. Wir müssen es aufheben“, so Söder. Statt staatlicher Bevormundung brauche es „mehr Realismus, weniger Ideologie und mehr Innovation“. Europa solle den Ingenieuren und Facharbeitern zutrauen, selbst zu entscheiden, welche Technologien sich durchsetzen.

Söder forderte außerdem, die europäischen Klimaziele bis 2035 an die Realität anzupassen und Strafzahlungen für Hersteller auszusetzen. Klimaschutz könne nur gelingen, wenn wirtschaftliche Stärke und Arbeitsplätze erhalten bleiben. „Klimaschutz nur über Verzicht und Rückschritt ist der falsche Weg. Der beste Klimaschutz ist mit Technologie und Innovation“, so Söder.

Gerade erst hat auch EVP-Chef Manfred Weber angekündigt, das EU-Verbot für neue Verbrennungsmotoren wieder rückgängig machen zu wollen. „Ich verspreche den Europäern das Aus vom Verbrenner-Aus“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Ein entsprechender Vorschlag solle im Herbst vorgelegt werden. Zwar bekräftigte Weber das Ziel der Klimaneutralität, betonte aber, der Weg dorthin müsse offen bleiben.

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Mit einem „Vier-Punkte-Auto-Versprechen für Europa“ will er die Autoindustrie stärken. Dazu gehören neben der Rücknahme des Verbrennerverbots eine virtuelle Auto-Universität, KI-Gigafabriken für Fahrzeugentwicklung, Testregionen für neue Technologien und ein intensiver Dialog mit Beschäftigten. Weber forderte, „die ideologischen Fehler der vergangenen Legislaturperiode“ zu korrigieren und Jobs in der Autoindustrie zu sichern.

Zustimmung in der SPD zum Verbrenner-Aus kippt

Im März dieses Jahres sprach sich die „SPD-Abgeordneten-Fraktion der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament“ klar für ein Festhalten am Verbrenner-Aus 2035 aus. In einer Stellungnahme reagierten die Abgeordneten damals auf die von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigten Änderungen an der CO₂-Gesetzgebung für Pkw.

Die EU-Kommissionspräsidentin hatte zuvor vorgeschlagen, den Autoherstellern zwei Jahre länger Zeit zu geben, um ihre CO₂-Reduktionsziele für das Jahr 2025 zu erreichen. Eigentlich müssten sie bis dahin ihre Flottenemissionen deutlich senken, sonst drohen hohe Strafzahlungen.

Der umweltpolitische Sprecher Tiemo Wölken kritisierte, dass von der Leyen „die Tür geöffnet hat für eine Diskussion über das Verbrenner-Aus 2035“. Dies sei „brandgefährlich“, weil es die Planungssicherheit der Hersteller gefährde. Auch Matthias Ecke, SPD-Abgeordneter im Industrieausschuss, mahnte, die Ziele für 2035 beizubehalten, wenngleich ein „pragmatischer Weg“ für die Umsetzung nötig sei. Der Fokus müsse aber auch auf einer stärkeren Nachfrageförderung in Europa liegen, um die Branche langfristig zu stabilisieren.

Inzwischen wird aber auch in der SPD das geplante Verbrennerverbot von 2035 infrage gestellt. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf signalisierte Gesprächsbereitschaft: „Wir sind gesprächsbereit“, sagte er am Freitag der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, mit Blick auf eine mögliche Verschiebung des Verbrenner-Aus.

Zuvor hatten auch mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete Kritik am strikten Festhalten an den Plänen für 2035 geäußert. „Wir müssen uns ehrlich machen: Die europäischen Ziele sind für die Automobilindustrie momentan in weiter Ferne“, sagte Esra Limbacher dem „Spiegel“. Limbacher ist Sprecher des „Seeheimer Kreises“, der konservativen Strömung in der SPD-Fraktion. „Wir brauchen hier mehr Flexibilität, mehr Pragmatismus bei Flottengrenzwerten und Strafzahlungen.“

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Der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz fordert im „Tagesspiegel“ in der Debatte um das Verbrenner-Aus mehr Flexibilität und Technologieoffenheit. In seinem Wahlkreis mit vielen Autozulieferern werde deutlich, dass der Staat „nicht der bessere Ingenieur“ sei. Schwarz betonte, die SPD müsse als Partei der Arbeiterschaft die Sorgen der Beschäftigten in der Automobilindustrie ernst nehmen und sich intensiv mit den Folgen des Umbruchs auseinandersetzen. Und Schwarz weiter:

„Einer glaubwürdigen Klimapolitik ist nicht geholfen, wenn modernste Werke bei uns schließen und im außereuropäischen Ausland unter schlechteren Standards produziert wird.“

Thema auf EU-Gipfel in Kopenhagen

Mit Olaf Lies fordert auch erstmals ein SPD-Ministerpräsident, dass in der EU kein generelles Verbrennerverbot für erstmals zugelassene Autos ab 2035 gelten soll. Das Ziel, in zehn Jahren ausschließlich reine E-Autos zu verkaufen, „ist leider unrealistisch“, schreibt der niedersächsische Landeschef in einem Papier zur Kursbestimmung auf dem Weg zur klimaneutralen Mobilität. Stattdessen sollten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren – insbesondere Plug-in-Hybride und E-Autos mit Range-Extender – weiter zugelassen werden dürfen, wenn sie zur Erreichung der Klimaziele beitragen.

Beim informellen EU-Gipfel in Kopenhagen will Bundeskanzler Friedrich Merz nun die Zukunft des Automobilstandorts Europa auf die Agenda setzen. Das kündigte er gestern in seiner Rede in Berlin an. Merz will dabei das EU-weite Verbrennerverbot ab 2035 zur Diskussion stellen und für mehr Technologieoffenheit werben.

Es sei „grundsätzlich falsch, wenn der Staat einseitig Technologien vorgibt“, so Merz. Weiter forderte er eine Überprüfung der europäischen Klimavorgaben. Zugleich plädiert der Kanzler laut „Die Presse“ dafür, die Mitgliedstaaten stärker in EU-Entscheidungen einzubinden und die Kompetenzen der Kommission zu begrenzen.



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