Merz zu Sozialausgaben: „So, wie es jetzt ist, wird es nicht bleiben“

In Kürze:
- Merz plant, Sozialausgaben zu kürzen, um für mehr Beschäftigung und Wirtschaftswachstum zu sorgen.
- SPD will Wohlhabende zusätzlich zur Kasse bitten, um die Sozialsysteme zu stützen.
- Die Sozialdebatte zielt auf die NRW-Kommunalwahl. Der AfD werden hohe Zuwächse vorausgesagt.
Für die Bundesregierung aus CDU und SPD wird die Kommunalwahl in NRW am 14. September zum ersten Stimmungstest. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die AfD stark zulegen könnte. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ging deshalb vergangenes Wochenende in die Offensive. Auf dem NRW-Landesparteitag seiner Partei in Bonn am 30. August kündigte er tiefgreifende Reformen bei Sozialleistungen an. „So, wie es jetzt ist, insbesondere im sogenannten Bürgergeld, kann es nicht bleiben und wird es auch nicht bleiben“, gab sich Merz überzeugt.
Merz: „Wir müssen ran an die sozialen Sicherungssysteme“
Der deutsche Sozialstaat müsse reformiert werden, sagte Merz, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. „Wir müssen ran an die sozialen Sicherungssysteme“, betonte Merz, denn Deutschland könne sich das derzeitige System nicht mehr leisten. „Wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse“, kritisierte der Bundeskanzler und gab dafür die Schuld den Vorgängerregierungen. Verantwortlich für die Krise in den Sozialsystemen seien nicht die Leistungsempfänger, sondern die Politik.
Die Bundesregierung wolle nun die Sozialsysteme reformieren, damit auch die junge Generation eine Chance auf Wohlstand und sichere Arbeitsplätze habe, gab sich Merz überzeugt. Dies werde „ein mühsamer Weg“. Er sei aber „fest entschlossen, diesen Weg zu gehen und diese Koalition dazu zu bringen, das Land wirklich zu erneuern“, versprach der Bundeskanzler, kündigte aber dazu auch „schmerzhafte Entscheidungen“ an, damit „die großen Errungenschaften unseres Sozialstaates“ – Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung – auch in Zukunft leistungsfähig und nicht überfordert seien.
Ähnlich äußerte sich Merz am Sonntag, 31. August, im ZDF-Sommerinterview. Mit Blick auf die drohende Finanzlücke von 30 Milliarden Euro im Haushalt für das Jahr 2027 will Merz bei den Sozialausgaben sparen. Steuererhöhungen, wie von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) gefordert, schließt er kategorisch aus.
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Klingbeil warnt „ein bisschen“, Bas nennt Merz-Pläne „Bullshit“
Der SPD-Parteichef und Finanzminister Lars Klingbeil hielt am selben Tag dagegen und sprach sich in einem „Tagesschau“-Interview gegen Kürzungen bei sozialstaatlichen Leistungen aus. Ohne den Bundeskanzler beim Namen zu nennen, sagte er, es gebe „einige, […] die meinen, man könnte alles Geld beim Sozialstaat, bei der Rente, bei Gesundheit, bei Pflege, bei anderen Dingen einsparen“, doch davor warne er „ein bisschen“. Um die Milliardenlücke zu schließen, bedürfe es „noch anderer Ideen“.
Deutlicher wurde seine Parteikollegin, die Arbeitsministerin Bärbel Bas. In einer „Impulsrede“ beim Sommerfest der NRW-Jusos in Gelsenkirchen wurde sie gestern gegenüber dem Bundeskanzler ausfällig. Dessen Kürzungspläne bei den Sozialversicherungssystemen seien „Bullshit“.
Vielmehr sei es der Sozialstaat, der den sozialen Zusammenhalt fördere, wird Bas in zahlreichen deutschen Medien zitiert. Allerdings räumte die Ministerin ein, dass Reformen notwendig seien. Bas kritisierte weiterhin, dass Wohlhabende, die privat versichert seien, „darüber schwadronieren, dass wir uns das alles nicht mehr leisten können“, und deutete an, dass darüber diskutiert werden müsse, wer künftig in die gesetzlichen Systeme einzahlen solle, wird Bas zitiert.
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Debatte zielt auf NRW-Kommunalwahlen ab
Zwar handelt es sich bei der derzeitigen Auseinandersetzung in der Koalitionsregierung um eine Grundsatzdebatte, doch zielt sie auch auf die bevorstehenden Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen ab. Dort bereitet beiden Regierungsparteien ein prognostizierter Aufwind der AfD beträchtliche Sorgen.
Seit Wochen berichten die regionalen Medien über deren mögliche Wahlerfolge. Das Düsseldorfer „Handelsblatt“ etwa zitierte am 21. August aus einer unveröffentlichten Analyse der Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen (forsa). Darin prognostiziere der Leiter des Meinungsforschungsinstituts, Manfred Güllner, ein starkes Abschneiden der AfD.
Die Partei könne „ihre Westwanderung beschleunigen und sich in der Wählerschaft im bevölkerungsreichsten Land der Bundesrepublik flächendeckend verankern“, wird Güllner zitiert. Möglich werde dies dadurch, „dass CDU wie SPD durch eigenes Verschulden und nicht erst seit Existenz der AfD das einstmals große Vertrauen auf lokaler Ebene verloren haben“, wird die Einschätzung des forsa-Chefs von „Handelsblatt“ wiedergegeben.
Güllner äußerte zudem, dass bei vielen Wahlberechtigten „große Vorbehalte“ gegen Merz und seinen Politikstil bestünden. Andererseits sagte er auch, dass er einen „bedenklichen Anstieg der CDU-Anhänger, die eine Annäherung von CDU und AfD befürworten“, festgestellt habe.
WDR: AfD wächst besonders im Ruhrgebiet
Der WDR vermutete am Wochenende, dass die AfD im Ruhrgebiet gar „stärkste Kraft“ werden könnte. „Weil die AfD in den vergangenen fünf Jahren insgesamt stärker geworden ist, würde es nicht verwundern, wenn sie diesen Trend zwischen Wesel und Dortmund bestätigen kann“, mutmaßt der WDR und glaubt: Anders als bei den Kommunalwahlen im Jahr 2020 „dürften die Ergebnisse in der Fläche deutlicher zweistellig sein – teilweise könnten sie sogar über 20 Prozent liegen“.
Nordrhein-Westfalen gilt mit seinen 12,6 Millionen Wahlberechtigten – das entspricht etwa der Bevölkerung in allen ostdeutschen Bundesländern zusammengenommen – wie ein Miniaturabbild Deutschlands. Es gibt die Ballungsgebiete im Ruhrgebiet genauso wie ländlichen Raum am Niederrhein und im Sauerland. Überall ist Strukturwandel nötig, da Kommunen – auch durch den Migrationsdruck – überschuldet sind. Deshalb dürfte das Wahlergebnis für Bürgermeister und Landräte die Sozialdebatte auf Bundesebene weiter befeuern und beide Regierungsparteien zu unterschiedlichen Schlüssen führen.
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Zankapfel Bürgergeld
Die der SPD nahestehende Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes warnte bereits im Mai: „Immer wieder wird in Debatten für den Abbau des Sozialstaats plädiert, da er zu aufgeblasen sein soll. Tatsächlich sind die Staats- und Sozialausgaben in Deutschland jedoch weder im internationalen noch im historischen Vergleich besonders hoch oder stark gewachsen.“
Die Stiftung weist zudem darauf hin, dass ihren Erkenntnissen nach in der Debatte zur Sozialpolitik „oft vereinfachte und falsche Behauptungen“ kursierten. Dies könne „zu Spannungen zwischen verletzlichen Gruppen führen, das Vertrauen in staatliche Institutionen untergraben und Ressentiments in der Gesellschaft schüren“.
Als Beispiel nennt die Gewerkschaftsstiftung „die Behauptung, dass Sozialleistungen massenhaft missbraucht würden“. In der Debatte werde jedoch nicht berücksichtigt, „dass viele Menschen solche Leistungen gar nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie dazu berechtigt wären“, zeigt sich die Stiftung überzeugt.
Auch die Einführung des Bürgergeldes habe „eine intensive Debatte über die Lohndifferenz in Deutschland angestoßen“. Nachberechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Böckler-Stiftung hätten indes ergeben: „Wer arbeitet, hat immer mehr Geld“ als der Bürgergeldempfänger.
Bundeskanzler Merz scheint von dieser Gewerkschaftsposition nicht überzeugt zu sein. „Schaut man sich die Arbeitslosenstatistik an, dann ist gleichzeitig dort nachzulesen, dass wir viele hunderttausend offene Stellen in Deutschland haben, die wir nicht besetzen können. Wir werden dieses System ändern. Ich sage es ganz ruhig, aber auch sehr klar und bestimmt: So, wie es jetzt ist, insbesondere im sogenannten Bürgergeld, kann es nicht bleiben und wird es auch nicht bleiben“, sagte er am Samstag vor 680 Delegierten auf dem Landesparteitag der NRW-CDU in Bonn.
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