Nach X-Beitrag: Polizei durchsucht Wohnung des Publizisten Norbert Bolz

In Kürze:
- Polizei durchsucht Wohnung des Publizisten Norbert Bolz wegen Paragraf 86a StGB
- Anlass war ein ironischer Kommentar über einen „taz“-Artikel
- Anwalt Steinhöfel spricht von „Kontrollverlust der Strafjustiz“
- Politiker und Journalisten kritisieren Eingriff in Meinungsfreiheit
Erneut erregt in Deutschland eine Hausdurchsuchung die Gemüter. Am Donnerstag, 23. Oktober, erhielt der bekannte Publizist und Medienwissenschaftler Norbert Bolz unerwarteten Besuch von der Polizei. Zu Zwecken der Beweissicherung durchsuchte diese im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin dessen Wohnräumlichkeiten. Wie aus der Begründung des dazugehörigen Beschlusses hervorgeht, ermittelte diese derzeit gegen den 72-Jährigen wegen des Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs).
Norbert Bolz reagierte auf „woke“ taz-Artikel
Konkret geht es um die Verwendung der Wortfolge „Deutschland erwache“, die als Losung der NSDAP und damit als Straftat gilt. Wie der Anwalt von Bolz, Joachim Steinhöfel, erläuterte, tauchte diese in einem Beitrag auf, den sein Mandant im Januar 2024 auf X verfasst hatte.
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Allerdings standen die Parole und der dazugehörige Post auf X nicht im luftleeren Raum. Bolz hatte auf einen Meinungsartikel der „tageszeitung“ (taz) reagiert. Dieser trug die – bald darauf modifizierte – Überschrift „AfD-Verbot und Höcke-Petition: Deutschland erwacht“.
Dessen Autorin Lotte Laloire freute sich darin über die Demonstrationen und Petitionen, die sich Anfang des Jahres 2024 gegen die AfD gerichtet hatten. Zudem forderte sie die zuständigen Gremien dazu auf, einen Verbotsantrag zu stellen.
Meldung ging bereits im November 2024 ein
Bolz kommentierte den Beitrag und dessen ursprüngliche Überschrift mit den Worten: „Gute Übersetzung von woke: Deutschland erwache!“
Für die Meldestelle HessenGegenHetze war dies Anlass genug, die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) beim Bundeskriminalamt (BKA) darüber in Kenntnis zu setzen.
Bei HessenGegenHetze handelt es sich um eine von der dortigen CDU-geführten Landesregierung im Januar 2020 eingerichtete private Initiative. Diese soll Betroffenen und Zeugen ermöglichen, „akut gefährdende, strafbare oder extremistische Inhalte einfach [zu] melden“.
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Einem Bericht der „Welt“ zufolge ist die Meldung zum Beitrag von Bolz bei der ZMI bereits am 27. November 2024 eingegangen. Die Plattform HessenGegenHetze war bereits im Sommer 2024 bundesweit bekannt geworden. Von ihr stammte der Hinweis auf ein auf X geteiltes Meme, das den damaligen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als „Schwachkopf“ darstellte.
Meldestelle hatte „Schwachkopf“-Ermittlungen herbeigeführt
Dieses wurde zum Anlass für eine Hausdurchsuchung bei einem Rentner in Bayern. Dieser wurde zwar nicht wegen des „Schwachkopf“-Memes angeklagt. Allerdings erfolgte bei ihm eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung, nachdem er ein Meme geteilt hatte, das historische Kirchenmänner beim Hitlergruß zeigte.
Bolz reagierte mit Ironie auf die Hausdurchsuchung. Er schrieb von „jungen, netten Polizisten“, die „mir abschließend den guten Rat gegeben haben, in Zukunft vorsichtiger zu sein“. Anschließend äußerte er:
„Das werde ich tun und nur noch über Bäume sprechen.“
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Ricarda Lang kritisiert „absurde“ Razzia
Anwalt Steinhöfel sprach gegenüber der „Welt“ von einem „erneut besorgniserregenden Kontrollverlust der Strafjustiz“, der jetzt offenbar auch das BKA erfasst habe. Er fügte hinzu: „Die Ironie in Bolz’ Tweet ist so offensichtlich, dass man schon vorsätzlich missverstehen muss, um hier eine Straftat zu konstruieren.“
Steinhöfel forderte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) dazu auf, innerhalb seiner Behörden für Klarheit zu sorgen.
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Die Durchsuchung sorgte für heftige Reaktionen vom gesamten politischen Spektrum.
Der BSW-Europaabgeordnete Fabio De Masi schrieb: „Linke sollten gegen solche autoritären Tendenzen die Stimme erheben – und zwar gerade und auch dann wenn sie politisch Andersdenkende treffen!“
Wolfgang Kubicki, stellvertretender Vorsitzender der FDP, übte deutliche Kritik auf X: „Eine liberale Demokratie, in der die Bürgerinnen und Bürger nicht zur freien Meinungsäußerung ermutigt werden und sich eingeschüchtert fühlen, ist akut bedroht.“
Kritik gab es auch von der früheren Grünen-Chefin Ricarda Lang. Sie halte Bolz’ Positionen zwar für „politisch komplett falsch“. Gleichzeitig sehe sie Razzien dieser Art als „absurd“ und fügte hinzu: Die „so weitgehende Interpretation des Strafrechts bei Meinungsdelikten untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaat“.
Verurteilung von Bolz nicht ausgeschlossen
Gänzlich ausgeschlossen ist eine Verurteilung von Bolz dem Wortlaut des Gesetzestextes zufolge jedoch nicht. Der Paragraf 86a StGB sieht Tatbestandsausschlüsse nämlich nur in eingeschränkten Fällen vor. Diese sollen nur greifen, wenn die Tathandlung „der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient“.
Es könnte unter anderem auf die Frage hinauslaufen, ob der ironische Beitrag von Bolz „der Kunst dient“ oder sich unter „ähnliche Zwecke“ subsumieren lässt. Das Gericht kann auch wegen geringer Schuld von einer Bestrafung absehen.
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Die Ratio des Paragrafen 86a StGB ist, wie auch die Judikatur mehrfach betonte, Symbole verfassungswidriger und terroristischer Organisationen generell aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Deren Kontext war ursprünglich wenig relevant. Der Gesetzgeber wollte die Symbole schlicht nicht in der Öffentlichkeit sehen. Dies führte so weit, dass in den 2000er-Jahren sogar die Verwendung durchgestrichener Hakenkreuze durch Antifa-Gruppen zu Anklagen geführt hatte.
Mittlerweile gilt es als gefestigte Linie, den Tatbestand dann als nicht verwirklicht anzusehen, wenn „auf Anhieb“ erkennbar sei, dass diese mit einer eindeutigen Ablehnung dessen einhergehe, wofür sie stehen. In jedem Fall müssten der kritische Gebrauch, eine soziale Adäquanz oder eine der zulässigen Ausnahmen erfüllt sein.
 
                         
                         
                        





















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