Nein zur Programmatik, ja zum Gespräch: Zwei Verbände bestätigen Öffnung zur AfD
In Kürze:
- Politiker und Organisationen äußern Unmut über die neue Gesprächsbereitschaft zweier mittelständischer Unternehmensverbände gegenüber der AfD.
- Der Verband Die Familienunternehmer möchte eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Partei, ist aber gegen eine Regierungsbeteiligung.
- Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft plant, „zeitnah“ Position zur AfD zu erarbeiten.
- AfD-Chefin Weidel wünscht sich „unmittelbaren Austausch der Positionen“ auch mit anderen Verbänden.
Der Verband Die Familienunternehmer und der Bundesverband mittelständische Wirtschaft haben ihre langjährige Strategie gelockert, Vertreter der AfD grundsätzlich auszugrenzen.
Christoph Ahlhaus, der Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), hatte vor wenigen Tagen gegenüber dem „Handelsblatt“ eingeräumt, es sei auf regionaler Ebene bereits „vereinzelt“ vorgekommen, dass AfD-Mitglieder an BVMW-Veranstaltungen teilgenommen hätten. Er verwies dabei auf die hohen Umfrage- und Wahlergebnisse für die AfD. Diese sprächen „derzeit nicht dafür, dass die Strategie der Brandmauer erfolgreich funktioniert“ habe.
Innerhalb der mittelständischen Wirtschaft gebe es schon länger eine „lebhafte“ Debatte über die AfD, so Ahlhaus. Er erklärte, dass sein Verband sich „nicht wegducken und in seinen Gremien zeitnah eine Position erarbeiten“ werde.
Erstes Treffen mit AfD im Oktober
„The Pioneer“ hatte am 16. November als voraussichtlich erstes Medium über eine Annäherung des Verbands der Familienunternehmer an die AfD berichtet. Demnach waren Vertreter der Partei bereits am 8. Oktober erstmals zu einer nicht öffentlichen Veranstaltung eingeladen worden. Anlass war der jährliche „Parlamentarische Abend“ für Mitglieder des Verbands in den Räumlichkeiten der Deutschen Bank Unter den Linden in Berlin.
Nach Angaben des „Pioneer“ soll der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD, Leif-Erik Holm, zu Gast gewesen sein. Der Verband reagierte bis zur Veröffentlichung dieses Artikels nicht auf eine entsprechende Nachfrage der Epoch Times.
Weidel ruft Verbände zum Gespräch auf
Für die AfD gab Bundessprecherin Alice Weidel eine Stellungnahme ab. „Demokratie lebt vom offenen und konstruktiven Austausch zwischen allen relevanten Akteuren“, betonte Weidel. „Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass Wirtschaft und Mittelstand das Gespräch auch mit Vertretern der Opposition suchen, noch dazu, wenn diese die nach Umfragen stärkste politische Kraft im Land darstellt.“ Und weiter:
Weidel riet auch, „anderen Vertretern von Wirtschaft, Finanzwelt und Mittelstand“, dem Beispiel der Familienunternehmer zu folgen. Denn im „unmittelbaren Austausch der Positionen“ lasse sich „auch so manches stereotype Vorurteil revidieren“.
„Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Zeit mit fruchtlosen und kontraproduktiven Distanzierungs- und Ausgrenzungsritualen zu verlieren, statt gemeinsam nach Wegen aus der multiplen Krise zu suchen, in der Deutschland gefangen ist“, mahnte Weidel.
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Bernd Baumann, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, hatte laut Medienberichten bekannt gegeben, dass seine Partei immer mehr Kontakte zu Verbänden unterhalte, die Gesprächskanäle suchten. Den Betroffenen sei klar, „wie wir gegen die Wand fahren“. Demzufolge breche „die Brandmauer in immer weiteren Teilen der Republik“, sagte Baumann. Jene Familienunternehmer, die das öffentlich gemacht hätten, seien „nur ein Teil“.
Besorgte Reaktionen
Nach Bekanntwerden der Annäherungen kündigte die Deutsche Bank ihren Mietvertrag mit den Familienunternehmern für ihre Räume. Dem „Handelsblatt“ zufolge muss sich der Verband nun einen anderen Ort für seinen Parlamentarischen Abend 2026 suchen. Die Stornierung sei im Einvernehmen erfolgt.
Andere Akteure zeigten sich ebenfalls wenig erfreut über den Kurs der beiden Wirtschaftsverbände. Ein Sprecher des Bundesverbands der Industrie (BDI) bestätigte auf Anfrage der Epoch Times, dass sich die kritische Einschätzung und der Umgang seines Verbands mit der AfD nicht geändert hätten:
„Wir suchen nicht proaktiv den Austausch mit Vertretern von radikalen Parteien wie der AfD.“
Der BDI stehe „für Pluralität, nicht für Polarisierung“. Die AfD versuche hingegen „mit ihren populistischen Positionen“, die „stabilen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen“ zu erschüttern, auf denen „der Erfolg der deutschen Industrie“ basiere. Der BDI wolle, „dass Debatten versachlicht werden, damit für drängende Themen Lösungen gefunden werden können“, so der Verbandssprecher.
Auch der Verband der Automobilindustrie und die Gewerkschaft IG Metall warnten nach Informationen des „RedaktionsNetzwerks Deutschland“ (RND) mit ähnlichen Worten vor der AfD.
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Der Zentralverband des Deutschen Handwerks betonte zwar seine parteipolitische Neutralität, aber auch sein Bekenntnis zur „Weltoffenheit des Standortes Deutschland in einem starken und geeinten Europa“. „Wer diesem Selbstverständnis widerspricht, handelt erkennbar nicht im Interesse des Handwerks“, so der Verband laut RND.
SPD und Grüne verweisen auf „gesichert rechtsextreme“ Einstufung der AfD
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) bezeichnete die AfD als „arbeitgeber- und arbeitnehmerfeindliche Partei“. Die AfD „schadet unserem Land“, sagte Klingbeil am Dienstag auf dem Arbeitgebertag in Berlin. Den Arbeitgebern bot er Gesprächsbereitschaft an: Sie sollten bei Problemen bei ihm oder Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) anrufen.
„Da erwarte ich, dass wir strittig reden über den richtigen Weg“, fuhr er fort. „Aber den müssen wir in der demokratischen Mitte finden.“
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Roloff, betonte, dass eine vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestufte Partei kein „normaler Gesprächspartner“ sein könne. Gegenüber dem „Handelsblatt“ sagte er weiter:
„Nur weil gerade viele Menschen, auch aus Frust gegenüber anderen Parteien, der AfD ihre Stimme geben, ist das kein Grund für eine Normalisierung.“
Die beiden grünen Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz und Andreas Audretsch argumentierten ähnlich gegenüber dem RND:
„Eine gesichert rechtsextreme Partei, vor der unsere Sicherheitsbehörden vehement warnen, kann kein Gesprächspartner für Demokratinnen und Demokraten sein.“
Die Verbandsmitglieder der Familienunternehmer sollten sich ihrer Ansicht nach „sehr ernsthaft überlegen, ob Frau Ostermann als Vorsitzende des Verbands tatsächlich in ihrem Namen einer solchen gefährlichen Relativierung und Entwicklung das Wort redet“, so Audretsch und von Notz. Beide erhofften und erwarteten „eine Korrektur dieser jüngsten, geschichtsvergessenen Aussagen“.
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Unionspolitiker befürchten Nachteile für Standort
Dennis Radtke vom Sozialflügel der CDU kritisierte die FU ebenfalls für ihren Vorstoß: „Wer als Unternehmerverband die Nähe zur AfD sucht, legt die Axt an die Wurzel unseres Wirtschaftsmodells“ und handele „nicht nur fahrlässig, sondern verantwortungslos gegenüber Standort, Arbeitsplätzen und sozialer Stabilität“, sagte er auf Anfrage des „Focus“. Radtke weiter:
„Die AfD steht für Abschottung, Protektionismus und eine anti-europäische Agenda – das ist Gift für unsere exportorientierte Wirtschaft und für jeden mittelständischen Betrieb, der auf Fachkräfte angewiesen ist.“
Seine Parteikollegin Gitta Connemann, die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, gab im „Handelsblatt“ zu bedenken, dass eine „nationalistische Wirtschaftspolitik à la AfD“ Exporte torpedieren und Arbeitsplätze zerstören würde.
Es sei „kontraproduktiv“, eine „Abkehr von Europa“ oder den Euroausstieg zu verfolgen. „Die AfD ist kein Partner für den Mittelstand. Denn ihr Programm und ihre Haltung schaden dem Standort Deutschland massiv“, so Connemann.
Brandmauer aufgegeben – Kritik an AfD-Positionen bleibt
Nach Informationen der „WELT“ hatte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Familienunternehmer, Albrecht von der Hagen, die Einladung von AfD-Politikern damit begründet, dass die „Brandmauer“ nichts gebracht habe. Daher habe man sich verbandsintern von ihr verabschiedet – auch wenn das AfD-Parteiprogramm aus seiner Sicht eine „schiere Katastrophe“ sei.
Seinem Verband gehe es diesbezüglich nun um einen „Fachaustausch“: Es gelte, der AfD aufzuzeigen, dass „wir alle“ mit der bisherigen AfD-Wirtschaftspolitik „einen phänomenalen Schiffbruch erleiden“ würden. Denn „die gesamte Philosophie dahinter“ ziele „darauf ab, dass Frauen letztlich aus der Arbeitswelt verdrängt werden“, so von der Hagen im Gespräch mit „The Pioneer“. Auch der AfD-Vorschlag, das Rentenniveau von derzeit 48 auf 70 Prozent anzuheben, sei bei von der Hagen auf Ablehnung gestoßen, weil er solche Erhöhungen für nicht umsetzbar halte.
Präsidentin Ostermann: „Wollen keine Regierung mit AfD-Beteiligung“
Eine am 24. November veröffentlichte Pressemitteilung von Präsidentin Marie-Christine Ostermann zeugt von der ambivalenten Position ihres Verbands zur AfD:
„Die Hoffnung, man könne ein Viertel der bundesdeutschen Wähler durch moralische Ausgrenzung zur Umkehr bewegen, ist nicht aufgegangen“, räumte auch Ostermann ein. „Jetzt hilft nur noch die Auseinandersetzung mit den Inhalten der AfD, jenseits von schlichten Kategorisierungen in ‚gut‘ und ‚böse‘.“ Sie stellte jedoch klar:
„Wir Familienunternehmer wollen keine Regierung mit AfD-Beteiligung.“
Ihr Verband habe sich „schon lange inhaltlich mit der AfD auseinandergesetzt“ und festgestellt: „Das Weltbild der AfD passt nicht zu unserer freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Grundüberzeugung.“
Nun „mit einem Andersdenkenden zu diskutieren“, bedeute aber nicht, dass man dessen Positionen akzeptieren werde. „Reden heißt nicht zusammenarbeiten. Und wer gar nicht mehr redet, hat inhaltlich aufgegeben – gerade diejenigen überlassen das Feld den Extremisten“, so Ostermann.
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Der Verband vertritt eigenen Angaben zufolge „die Interessen von 180.000 Familienunternehmen aus allen Branchen und Unternehmensgrößen“.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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