Neue Regeln für Arztbesuche: Zum Facharzt nur mit Schein?

Erst zum Hausarzt, dann zum Facharzt: Berlin erwägt ein neues Modell zur Steuerung von Arztbesuchen. Wer nicht zuerst zum Hausarzt geht, könnte bald zur Kasse gebeten werden.
Der Bundesrat berät über eine gerechte Terminvergabe für Patienten. (Symbolbild)
Eine Einführung des Hausarztmodells sei eher für ältere Patienten sinnvoll, sagte KBV-Vorsitzende Andreas Gassen(Symbolbild).Foto: Daniel Karmann/dpa
Epoch Times1. Juni 2025

Die Pläne der Koalition für eine bessere Patientensteuerung über ein Primärarztsystem stoßen bei Medizinern auf ein geteiltes Echo. Der Hausärzteverband begrüßt das Vorhaben, aus Sicht der Kassenärzte macht es jedoch nur für Patienten ab mittleren Alter Sinn.

Für eine gezieltere Steuerung und schnellere Vergabe von Terminen soll nach dem Willen von CDU, CSU und SPD ein „verbindliches Primärarztsystem“ durch Haus- und Kinderärzte eingeführt werden, die Patienten gegebenenfalls an Fachärzte überweisen – ausgenommen sein sollen Augenärzte und die Gynäkologie. Für Patienten mit einer spezifischen schweren chronischen Erkrankung sollen andere Lösungen gefunden werden.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken warb beim Deutschen Ärztetag in Leipzig für die Pläne. Ziel sei die Hausarztpraxis als „erste Ansprechstelle mit einer beschleunigten Terminvermittlung zur fachärztlichen Weiterbehandlung“, sagte die CDU-Politikerin.

Unterstützung bekommt die schwarz-rote Koalition vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband. Deren Vorsitzende Nicola Buhlinger-Göpfarth sagte der „Bild“, die Einführung des Modells würde je Hausarztpraxis zwei bis fünf zusätzliche Patienten am Tag bedeuten: „Und da sage ich Ihnen als Hausärztin, das ist ein Versprechen: Das machen wir.“ Generell seien Patienten in einem Hausarztprogramm besser versorgt.

Keine freie Wahl des Facharztes mehr?

Hingegen warnt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) vor der flächendeckenden Einführung eines Primärarztsystems für gesetzlich Krankenversicherte.

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Die KBV spricht sich stattdessen für eine Altersgrenze für das System aus. Eine Einführung des Hausarztmodells sei eher für ältere Patienten sinnvoll, sagte der KBV-Vorsitzende Andreas Gassen der „Bild“.

Beim Primärarztsystem gilt der Hausarzt als erste Anlaufstelle für Patienten. Wer medizinische Hilfe benötigt, soll sich zunächst an diesen wenden. Der Hausarzt entscheidet, ob und wann eine Überweisung an einen Facharzt notwendig ist.

Bislang ist in Deutschland die freie Wahl des Facharztes möglich. Das soll sich mit der Einführung des verbindlichen Primärarztsystems ändern.

Es könne funktionieren, „wenn es sich um ältere multimorbide Patienten handelt, also Menschen, die verschiedene Erkrankungen haben, aus unterschiedlichen Bereichen, wo zum einen eine ordnende Hand im Sinne der hausärztlichen Praxis notwendig ist, um alle Befunde zusammenzuführen und wo auch gezielt zu fachärztlichen Kollegen überwiesen werden kann“.

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Eine pauschale Altersgrenze, ab wann das Modell sinnvoll sei, gebe es nicht. Doch „ungefähr ab 50 macht es Sinn“, so Gassen. „Da sind relativ viele schon mit irgendwelchen Zipperlein in ärztlicher Behandlung.“

Mehr zahlen ohne Überweisung?

Wer ohne Überweisung direkt zum Facharzt geht, könnte künftig an den Kosten beteiligt werden. Für die Hausarztpraxen bedeutet das System einen erhöhten Arbeitsaufwand.

Der Verbandschef sprach sich dafür aus, eine bessere Steuerung der Arztbesuche von Patienten über mehr Eigenbeteiligung zu erreichen.

„Ich glaube, dass man Menschen, die sich zukünftig in jedweder medizinischen Steuerung entziehen, mit Eigenbeteiligungen an den dann möglicherweise höheren Kosten beteiligt. Nehmen wir an, wir haben Menschen, die gehen nicht zum Hausarzt, die wollen sich auch nicht über die 116 117 medizinisch beraten lassen. Sie suchen sozusagen den Facharzt ihres persönlichen Wunsches auf, dann muss man vielleicht tatsächlich über Eigenbeteiligung nachdenken“, sagte Gassen der „Bild“.

Grüne: Hausärzte dürfen keine „Facharzttürsteher“ sein

Der Grünen-Gesundheitsfachmann Janosch Dahmen unterstützt das Steuerungskonzept, mahnt aber zugleich eine Entlastung der Hausärzte an.

„Ein verpflichtendes Primärarztsystem kann helfen – aber nur, wenn es richtig gemacht wird“, sagte Dahmen der dpa. Das Gesundheitssystem leide unter zu vielen unnötigen Arztbesuchen, langen Wartezeiten und unkoordinierten Abläufen.

Konkret forderte Dahmen für die Hausärzte „mehr Zeit durch Vorhaltepauschalen statt Quartalsabrechnung, mehr Unterstützung durch eigenständig arbeitendes nichtärztliches Praxispersonal und ein vernetztes, digitales Terminmanagement – ein System, das Ärztinnen und Ärzte nicht zu Facharzttürstehern und Überweisungsautomaten macht.“

Dahmen verwies darauf, dass im ländlichen Raum viele Hausärzte fehlen. Er warnte: „Wer dort eine Pflicht einführt, ohne tragfähige Lösungen zu schaffen, riskiert reale Unterversorgung.“

(dts/dpa/red)



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