„Nicht ultralinks“: Brosius-Gersdorf beklagt „unsachliche“ Berichterstattung und anonyme Vorwürfe

Die SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, meldet sich nach der geplatzten Richterwahl mit scharfer Kritik an Medien und Politik zu Wort. Sie weist den Vorwurf eines „linksradikalen“ Profils zurück, verteidigt ihre wissenschaftlichen Positionen und kündigt an, trotz Gegenwinds an ihrer Kandidatur festzuhalten.
Juristin Brosius-Gersdorf will einiges klarstellen.
Die Kandidatin für einen Richterposten am Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, hat sich in einer Erklärung gegen Anschuldigungen gewehrt.Foto: Britta Pedersen/dpa
Von 15. Juli 2025

In der Debatte um die geplatzte Wahl dreier Richter für das Bundesverfassungsgericht hat die von der SPD für den zweiten Senat nominierte Professorin Frauke Brosius-Gersdorf eine Erklärung veröffentlicht. Am Dienstag, 15. Juli, erhob sie schwere Vorwürfe an die Adresse politischer Verantwortungsträger und Medien.

Die Berichterstattung über ihre Person und ihre Positionen im Kontext der geplanten Wahl sei teilweise „unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent“ gewesen. Sie sei „nicht sachorientiert“ gewesen, sondern „von dem Ziel geleitet, die Wahl zu verhindern“.

„Punktuelle und unvollständige Auswahl“ von Themen und Thesen

Brosius-Gersdorf äußerte zudem, es sei „diffamierend und realitätsfern“, sie als „ultralinks“ oder „linksradikal“ zu bezeichnen. Ordne man ihre wissenschaftlichen Positionen in ihrer Breite zu, zeige sich ein Bild der „demokratischen Mitte“.

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Einseitige Zuschreibungen entbehrten jeder Tatsachenbasis, äußerte Brosius-Gersdorf weiter. Diese beruhten auf einer „punktuellen und unvollständigen“ Auswahl einiger Themen und Thesen. Dabei seien „einzelne Sätze aus dem Zusammenhang gerissen worden“, um ein Zerrbild zu erzeugen.

Hätte man sich mit ihren bisherigen Forschungsschwerpunkten hinreichend befasst, hätte sich gezeigt, dass diese in den Bereichen Verfassungs-, Sozial- und Bildungsrecht gelegen haben. Dazu hätten unter anderem Themen wie Regulierung und Finanzierung von Schulen, Sicherung kommunaler Daseinsvorsorge oder Digitalisierung der Verwaltung gehört.

Brosius-Gersdorf beklagt anonyme Schmähungen aus der Politik

Die Potsdamer Juristin beklagt insbesondere eine Berufung auf anonyme Quellen hinsichtlich der Einordnung als „linksradikal“ – „zumal, wenn es sich bei dieser Quelle um eine Justizministerin handeln soll“. Um welche Ministerin welches Landes es sich dabei handelte, geht aus der Erklärung nicht hervor.

Brosius-Gersdorf wirft jedoch generell Politikern, die sich anonym in Debatten einmischten, Doppelmoral vor. Immerhin forderten diese für sich einen stärkeren Schutz vor anonymen Schmähungen und ein „digitales Vermummungsverbot“. Vor diesem Hintergrund seien die kolportierten Äußerungen befremdlich:

„Selbst anonym an medialer Kritik bis hin zu Schmähungen anderer mitzuwirken und gleichzeitig für sich selbst Schmähungsschutz zu fordern, steht im Widerspruch.“

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Zu einigen Vorwürfen, die gegen sie im Vorfeld der Wahl erhoben worden waren, nahm Brosius-Gersdorf in ihrer Erklärung auch im Einzelnen Stellung. In umfangreicher Weise äußerte sie sich in erster Linie zum Thema des Schwangerschaftsabbruchs. Dabei wies sie die Darstellung zurück, Ungeborenen die Menschenwürdegarantie abzusprechen und die straffreie Abtreibung bis zur Geburt zu fordern.

Verfassungsrechtliches Dilemma um die Nichtabwägungsfähigkeit der Menschenwürde

Sie sei stets dafür eingetreten, dass menschlichem Leben ab der Einnistung des befruchteten Eis in der Gebärmutterschleimhaut das Grundrecht auf Leben zustehe. Gleichzeitig habe sie auf die rechtlichen Konsequenzen hingewiesen, dass die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes bereits vor der Geburt gelte.

Da die Menschenwürde nach der bisher vorherrschenden Prämisse grundsätzlich nie mit den Grundrechten Dritter abwägbar sei, wäre ein Schwangerschaftsabbruch ausnahmslos unzulässig. Dies würde auch den Fall einer medizinischen Indikation bei Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Mutter umfassen.

Um eine widerspruchsfreie gesetzliche Regelung zu ermöglichen, müsse man entweder die Menschenwürdegarantie für abwägungsfähig erklären oder sie erst ab der Geburt gelten lassen. In diesem Fall wäre das ungeborene Leben dennoch nicht schutzlos. Brosius-Gersdorf weist den Vorwurf zurück, „lebenskritisch“ zu sein oder für einen Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt einzutreten.

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Brosius-Gersdorf stellte auch in Abrede, Wahlgrundsätze wie die Wahlgleichheit zugunsten von Paritätsmodellen bei der Listenbesetzung aushebeln zu wollen. Die Landesverfassungsgerichte von Brandenburg und Thüringen haben sogenannte „Paritätsgesetze“ verworfen, die Listenplätze abwechselnd für Männer und Frauen vorschrieben.

Keine Äußerung zu Aussagen über Impfpflicht und AfD-Verbot

Brosius-Gersdorf schlug zuvor vor, Parteien zu verpflichten, in Wahlkreisen „Bewerber-Tandems aus Mann und Frau“ aufzustellen. In ihrer aktuellen Erklärung heißt es, Brosius-Gersdorf habe sich nur „rechtswissenschaftlich mit der Frage auseinandergesetzt“, ob das Gebot der Förderung der Gleichberechtigung Eingriffe dieser Art rechtfertige. Diese Frage sei „in der Rechtswissenschaft umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt“.

Nicht geäußert hat sich Brosius-Gersdorf in der Erklärung zu Äußerungen bezüglich einer Impfpflicht oder eines Verbots der AfD. In Schriften oder Fernsehsendungen hatte sie unter anderem in der Zeit der Corona-Pandemie Überlegungen angestellt, ob die Einführung einer COVID-Impfpflicht „nicht sogar eine verfassungsrechtliche Pflicht“ wäre. Zudem hatte sie erklärt, ein Verbotsantrag gegen die AfD wäre ein „ganz starkes Signal unserer wehrhaften Demokratie“. Gleichzeitig gab sie zu bedenken, „dass damit nicht die Anhängerschaft beseitigt“ wäre.

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Die Union hatte nach massiven Widerständen gegen die Kandidatin in der eigenen Fraktion am Freitag mit einer Enthaltung gedroht. Daraufhin wurde der geplante Wahlvorgang von der Tagesordnung genommen. Begründet hatte die Union den Schritt allerdings mit zuletzt aufgetauchten Plagiatsvorwürfen, die bislang allerdings keine Konsequenzen vonseiten der Universität hatten.

Ab Ende August könnte der Bundesrat die Verfassungsrichter wählen

Brosius-Gersdorf plant offenbar, an ihrer Kandidatur festzuhalten, ebenso die SPD, die sie nominiert hat. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte am Sonntag im ARD-„Sommerinterview“, bei der Wahl gebe es keine Eile. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Mai eine eigene Vorschlagsliste für die Besetzung der drei offenen Richterposten veröffentlicht. Drei Monate nach Veröffentlichung dieser gerichtlichen Vorschläge kann, wenn immer noch keine Wahl erfolgt ist, der Bundesrat anstelle des Bundestages die Wahl übernehmen.



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