OB-Wahl in Ludwigshafen: Ausgeschlossener AfD-Kandidat Joachim Paul kündigt Klage an

Der AfD-Politiker Joachim Paul darf nicht zur Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen antreten. Der Wahlausschuss begründet seine Entscheidung mit Zweifeln an Pauls Verfassungstreue – gestützt auf Erkenntnisse des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes. Paul wehrt sich und sieht sich zu Unrecht ausgeschlossen.
Dürfen AfD-Mitglieder in Rheinland-Pfalz nicht in den öffentlichen Dienst übernommen werden? Das wird letztlich im Einzelfall entschieden. (Symbolbild)
In Ludwigshafen soll der von der AfD nominierte Kandidat Joachim Paul von der OB-Wahl ausgeschlossen werden. (Symbolbild)Foto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa
Von 6. August 2025

In Kürze:

  • Joachim Paul (AfD) wird von der OB-Wahl in Ludwigshafen ausgeschlossen. Er kündigt rechtliche Schritte an.
  • Ausschlaggebend war laut Wahlausschuss der Stadt eine mögliche fehlende Verfassungstreue.
  • Der Verfassungsschutz lieferte ein belastendes Dossier mit Pauls Beiträgen im „Freilich Magazin“.
  • Der Fachanwalt Udo Vetter spricht von einem „bedenklichen Verfahren“ und kritisiert das Vorgehen scharf.

 

Der rheinland-pfälzische AfD-Politiker Joachim Paul hat am Mittwoch, 6. August, rechtliche Schritte gegen seine Nichtzulassung als Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen am Rhein angekündigt. Am Dienstag hatte der Wahlausschuss der Stadt entschieden, Paul nicht zur Wahl am 21. September antreten zu lassen.

Noch am 23. Februar hatte der Politiker zur Landratswahl im Rhein-Pfalz-Kreis kandidiert. Dort hatte er 19,5 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Bei der zeitgleich stattfindenden Bundestagswahl erreichte Paul als Direktkandidat im Wahlkreis Koblenz 16,1 Prozent der Stimmen. In Ludwigshafen selbst wurde die AfD bei der Bundestagswahl mit 24,3 Prozent der Zweitstimmen stärkste Partei.

Steinruck forderte vom Innenministerium Erkenntnisse über Joachim Paul an

Die Vorsitzende des Wahlausschusses ist die nicht mehr zur Wiederwahl antretende und seit 2023 regierende parteilose Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck. Sie begründete die mit 6 zu 1 Stimmen gefällte Entscheidung damit, dass Paul „möglicherweise nicht die Voraussetzungen der Verfassungstreue“ erfülle.

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Da diese verfassungsmäßige und landesgesetzliche Voraussetzung zur Bekleidung eines Oberbürgermeisteramtes ist, meinte der Wahlausschuss, auch diese im Zuge der Überprüfung der Wählbarkeit prüfen zu müssen. Steinruck hatte im Vorfeld dem Innenministerium mitgeteilt, dass es Anhaltspunkte für Zweifel an der Verfassungstreue Pauls gebe.

In weiterer Folge antwortete die Behörde, man habe die von ihr mitgeteilten Anhaltspunkte geprüft und anlassbezogene Recherchen durchgeführt. Der Verfassungsschutz des Landes habe daraufhin „relevante offene und gerichtsverwertbare Erkenntnisse“ übermittelt.

Verfassungsschutz führt Erkenntnisse zu Aktivitäten zwischen 2021 und 2025 auf

Die elfseitige Stellungnahme, die von „NiUS“ hochgeladen wurde, zählt zu Beginn die Ämter und Funktionen auf, die Paul seit 2015 in der Partei oder in Parlamenten innehatte. So war er unter anderem Stadtrat in Koblenz, Landtagsabgeordneter und Beisitzer im Bundesvorstand.

Anschließend befasst es sich, wie es offenbar auch vonseiten der Stadt Ludwigshafen angefragt war, mit Aktivitäten des Politikers in den Jahren 2021 bis 2025. Mehrere Einträge verweisen auf Inhalte, die Paul im österreichischen „Freilich Magazin“, das als FPÖ-nah gilt, veröffentlicht hatte.

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Was hat Paul im österreichischen Magazin geschrieben?

In dem Blatt hat Paul nach Angaben des Verfassungsschutzes mehr als 20 Artikel veröffentlicht. Dabei geht es unter anderem um einen Beitrag zur Amazon-Serie „Die Ringe der Macht“. Paul habe die von J. R. R. Tolkiens Monumentalwerk „Der Herr der Ringe“ inspirierte Produktion politisch im Sinne der Ideen der „konservativen Revolution“ gedeutet.

Deren Protagonisten hätten sich entschieden, für eine „Sache, die größer ist als sie selbst“, zu kämpfen. Dabei meinte Paul „die Heimat, den Fortbestand ihrer Kultur, eine gerechte Ordnung, die Abwehr einer Weltgefahr“ – wobei er offenließ, worin Letztere aus seiner Sicht bestehe.

In einem anderen Beitrag, der Erwähnung fand, hatte er das Phänomen von Clankriminalität monokausal auf kulturelle Faktoren zurückgeführt. Zudem habe er Gewalt „in Berlin und anderswo“ exklusiv als „jung, männlich, orientalisch“ beschrieben.

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Lob für Anti-Islam-Provokation von „Identitären“

In einem anderen Beitrag habe Paul sich lobend über eine Aktion der Gruppierung „Revolte Rheinland“ geäußert. Diese ist aus der vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften „Identitären Bewegung“ hervorgegangen. In dem Beitrag ging es um das Überkleben eines in arabischer Sprache verfassten Straßenschildes in der Ellerstraße. Diese wurde darauf als „Karl-Martel-Straße“ umbenannt.

Diese historische Person aus dem 8. Jahrhundert ist als fränkischer Hausmeier bekannt. Obwohl er selbst als Kirchenräuber in Erscheinung trat, stilisieren ihn islamfeindliche Ideologen seit dem 19. Jahrhundert zur Symbolfigur für eine „Rettung des christlichen Abendlandes“. Auch Terroristen wie Anders Breivik, Brenton Tarrant und die in den 1970er- und 1980er-Jahren in Frankreich agierende „Charles Martel Gruppe“ bezogen sich auf ihn.

Grund dafür ist, dass es einem Heer unter seiner Führung 732 gelang, bei Tours einen mutmaßlich geplanten Plünderungszug von Truppen arabischer Umayyaden auf die dortige Martinskirche zu stoppen.

Paul forderte in dem Beitrag „Remigration statt Unterwerfung“ und nannte die Provokation „nötig“ angesichts der „expansiven Agenda“ eines „nach Deutschland eingewanderten politischen Islams“.

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Wie in den übermittelten Ausführungen des Innenministeriums ebenfalls erwähnt ist, trat der in Deutschland und Österreich als Rechtsextremist eingestufte Martin Sellner im Sommer 2023 im Veranstaltungsraum „Quartier Kirschstein“ auf. Auf diesem Anwesen in Koblenz befindet sich auch das Wahlkreisbüro Pauls.

Vortrag zu „Remigration“

Sellner hielt an der Adresse eine Veranstaltung im Rahmen seiner „Remigrations“-Tour ab. Ob Paul dort anwesend war, geht aus der Aufstellung des Verfassungsschutzes nicht explizit hervor. Es heißt dort lediglich:

„Aufgrund des Social-Media-Auftritts Pauls kann von einer weiteren Vernetzung mit Sellner ausgegangen werden.“

Paul selbst soll jedoch im November 2023 als Landtagsabgeordneter einen Vortrag zum Thema „Schicksalsfrage Einwanderung – Warum Remigration nötig und machbar ist“ gehalten haben. Inwieweit sich die Interpretation des Begriffs bei Paul mit jener deckt, die Sellner in seinem dazu veröffentlichten Buch vertritt, geht aus den Ausführungen des Verfassungsschutzes nicht hervor.

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Der Jurist und AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah warnt seine Partei vor einer Übernahme des Konzepts Sellners zur „Remigration“. Das Verdachtsfallurteil des OVG Nordrhein-Westfalen in Münster vom 13. Mai 2024 – 5 A 1216/22, jüngst bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht, hatte in der Position der AfD zum Islam und in einem rein ethnischen Volksbegriff eine Infragestellung der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes gesehen. Dies begründe die Annahme tatsächlicher Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung.

NPD-Vorwürfe werden Paul nicht angelastet

Die Stellungnahme des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes erwähnt auch, dass Paul in einem weiteren Beitrag für das „Freilich Magazin“ die Staatszugehörigkeit von Bulgaren in Zweifel gezogen haben soll. So habe er diese unter Anführungszeichen gesetzt, was die Annahme nahelege, dass er diese aufgrund einer vermuteten Zugehörigkeit zu den Sinti und Roma nicht als Teile der bulgarischen Nation betrachte.

Die übrigen Ausführungen widmen sich vorwiegend den Beziehungen Pauls zu dem, was er als „politisches Vorfeld“ der AfD betrachte. Dazu gehörten Publikationen wie das „Compact“-Magazin, die sogenannte GegenUni oder die Frauenvereinigung Lukreta. Paul habe darum geworben, dass Mandatsträger der Partei das Vorfeld mit einem Teil ihrer Abgeordneteneinkünfte unterstützen sollten.

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Nicht zum Gegenstand der Anhörung hatte der Wahlausschuss in Ludwigshafen allerdings Aspekte gemacht, die Paul in den 2010er-Jahren zum Vorwurf gemacht worden waren. So hatte der Medienausschuss des Landtags ihn 2019 als Vorsitzenden abgewählt. Als Grund wurde angegeben, dass es diesem nicht gelungen sei, den Verdacht hinreichend auszuräumen, 2011 in einer Publikation aus dem Umfeld der seit mehreren Jahrzehnten als rechtsextremistisch eingestuften NPD geschrieben zu haben.

Ende 2023 hatte auch der Landesvorstand der AfD Rheinland-Pfalz Paul für die Übernahme von Parteiämtern gesperrt. Grund dafür waren Vorwürfe, der Politiker habe im November jenes Jahres während einer Schifffahrt den sogenannten White-Power-Gruß gezeigt. Paul hatte vehement bestritten, dass die von ihm gezeigte Geste eine extremistische Bedeutung gehabt haben soll. Allerdings soll der Bundesvorstand selbst Maßnahmen gegen Paul verlangt haben, da auch Bundesparteichef Tino Chrupalla bei der Veranstaltung anwesend war.

„Law-Blog“-Betreiber übt Kritik: „Wähler die Entscheidung genommen“

Auf X übt der Fachanwalt und Betreiber des „Law Blog“ Udo Vetter Kritik an der Vorgehensweise des Wahlausschusses. Er wirft der Oberbürgermeisterin vor, den Auftrag zur Prüfung der formalen Voraussetzungen für die Kandidatur überschritten zu haben. Sie habe den „Verfassungsschutz aktiv angestoßen, um Munition gegen einen offenkundig unliebsamen Kandidaten zu liefern“.

Es werde also „vorher ausgesiebt“, statt dem Wähler die Entscheidung zu überlassen. Was der Verfassungsschutz liefere, sei „ein wildes Konglomerat aus Bulletpoints“, so Vetter weiter. Was ihm zur Last gelegt werde, sei „alles zwar nicht strafbar, aber halt irgendwie rechts“.

Immerhin habe der Verfassungsschutz kein eigenes Urteil abgegeben. Die Vorgehensweise sei dennoch als solche bedenklich. Der Beitrag schließt mit den Worten:

„Man kann den Kandidaten Paul durchaus für rechts halten. Aber das Geschreibsel des Verfassungsschutzes ist nicht mal ansatzweise ein Beleg dafür, dass der Kandidat und letztlich seine Partei den Wählern vorenthalten werden muss. Das Grundgesetz verbietet es nicht, rechts zu sein. Umso schlimmer, dass solche Vorgänge fast Alltag werden.“



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