Ohne Gesetz keine Steuer: Bundesrechnungshof warnt vor gefährlicher Praxis im Finanzministerium

Der Bundesrechnungshof schlägt Alarm: Immer häufiger ersetzen Bundesministerien – allen voran das Finanzministerium – klare gesetzliche Grundlagen durch interne Verwaltungsregelungen. Die Folge: Rechtsunsicherheit, mögliche Milliardenverluste und eine gefährliche Aushöhlung demokratischer Prinzipien.
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Der Bundesrechnungshof in Bonn übt in einem Bericht Kritik an eigenmächtiger Gesetzeskorrektur durch Steuerbehörden.Foto: Andreas Rentz/Getty Images
Von 17. Juni 2025

Der Bundesrechnungshof hat in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags eine Praxis von Bundesbehörden – insbesondere des Bundesfinanzministeriums (BMF) – kritisiert. Konkret geht es um interne Verwaltungsregelungen, für die es keine klare gesetzliche Grundlage gebe.

Diese seien im Bereich der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes verbreitet. Häufig seien sie von einer durchaus konstruktiven Haltung gegenüber Rechtsunterworfenen getragen. Da sie jedoch mangels gesetzlicher Grundlage für die Rechtsgemeinschaft nicht bindend seien, könnten sie für Unsicherheit und sogar unerwünschte Resultate sorgen.

Bundesrechnungshof: „Auslegung der Gesetze erlaubt – Korrektur nicht“

Über den Inhalt des Dossiers hat „table.media“ zuerst berichtet und dieses auf seiner Internetseite veröffentlicht. Demzufolge setzten Bundesministerien häufig intern kommunizierte Verwaltungsregelungen in Kraft oder wendeten diese an – ohne dass es dafür eine hinreichende Rechtsgrundlage gebe. In vielen Fällen sei das Bundesfinanzministerium in diese Praxis involviert und es gehe um steuerliche Angelegenheiten.

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Der Bundesrechnungshof sei im Zuge seiner Prüfungen und Beratungen mehrfach auf dieses Phänomen gestoßen. Dabei habe er „in jüngerer Zeit wiederholt festgestellt, dass Regelungen des BMF in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers übergreifen“. Diese schränkten die gesetzmäßige Besteuerung ein.

Das Aufsichtsorgan verweist auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung. Dieser stehe „einer Auslegung der Gesetze durch die Verwaltung nicht im Weg“. Allerdings dulde er „keine Gesetzeserweiterungen, Gesetzeskorrekturen sowie Entscheidungen außerhalb und gegen das Gesetz“. Die Finanzbehörden seien zu einem solchen Handeln auch dann nicht befugt, wenn diese de facto Steuerentlastungen bewirkten. Auch Vereinfachungen bedürften einer gesetzlichen Regelung.

Keine Bindungswirkung gegenüber Gerichten

Statt auf Gesetze und Verordnungen stützten sich die Regelungen auf interne Verwaltungsvorschriften und ministerielle Erlasse. Allerdings, so der Bundesrechnungshof, binden diese nur Finanzbehörden und Bedienstete. Sie entfalteten eine mittelbare Außenwirkung für die Steuerpflichtigen selbst, sobald sie im Bundessteuerblatt amtlich veröffentlicht würden.

Gegenüber den Verwaltungsbehörden greife dann auch ein Vertrauensschutz zugunsten der betroffenen Rechtsunterworfenen. Die Gerichte seien dadurch jedoch nicht gebunden. Für diese hätten die Verlautbarungen „kein größeres Gewicht als Äußerungen in der Literatur“.

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Die Steuerpflichtigen könnten zwar die Überprüfung einer ungünstigen Auslegung des Gesetzes durch ein BMF-Schreiben erzwingen, allerdings könnten sie nicht die Anwendung eines für sie günstigen, aber rechtswidrigen Erlasses gerichtlich erzwingen. Zudem sei der Bestandsschutz solcher Regelungen gering und die Verwaltung könne diese umgehend wieder aufheben. Deshalb gefährde die Anwendung von Regelungen ohne klare Rechtsgrundlage die Rechtssicherheit und die Transparenz staatlichen Handelns.

Haushalt laut Bundesrechnungshof erheblich beeinträchtigt

Die Praxis der Verwaltungsregelungen ohne gesetzliche Grundlage erhöhe die Gefahr willkürlicher Entscheidungen vonseiten staatlicher Behörden. Außerdem könne das Fehlen der Gesetzesgrundlage ineffiziente Abläufe und unterschiedliche Auslegungen durch diese begünstigen.

Verwaltungsregelungen ohne Rechtsgrundlage könnten nach Überzeugung des Bundesrechnungshofs auch haushaltspolitische Unwägbarkeiten nach sich ziehen. So gefährdeten diese wesentliche Grundsätze wie die Einheit und Jährlichkeit des Haushalts.

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Die Kontrolleure nennen auch mehrere Beispiele für Verwaltungshandeln ohne Rechtsgrundlage. Zu diesen gehöre die Verkürzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer für Computerhardware und Software auf einheitlich ein Jahr. Das BMF hatte damit eine faktische Sofortabschreibung ermöglicht, um in der Corona-Zeit die Digitalisierung zu fördern.

Beispiele reichen von Computernutzung bis zu Photovoltaik

Die Regelung löste zuvor geltende Vorschriften ab, wonach eine Abschreibung über drei Jahre (Hardware) und fünf Jahre (Software) stattzufinden habe. Für die Jahre 2022 bis 2026 habe dies zu Steuermindereinnahmen von bis zu 11,7 Milliarden Euro geführt, so der Bundesrechnungshof in seinem Bericht.

Dass die angenommene Nutzungsdauer von Computerhardware lediglich ein Jahr betrage, widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung. Die Praxis schade der Rechtssicherheit und sorge auch für Unsicherheiten mit Blick auf die handelsrechtliche und steuerrechtliche Bilanzierung.

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Als weitere Beispiele nennt der Bundesrechnungshof unter anderem die Akzeptanz von „Arbeitstagepauschalen“ und zusätzlichen Abzügen für Unfallkosten – unter Abweichung von gesetzlichen Vorgaben zur Pendlerpauschale. Insbesondere die zusätzliche steuerliche Berücksichtigung von Unfallkosten widerspreche dabei dem Gesetzeswortlaut und der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Ein weiterer genannter Anwendungsfall von Verwaltungsregelungen ohne gesetzliche Grundlage sei die Steuerbefreiung für kleine Photovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerke. Zwar sei das Problem mittlerweile durch Paragraf 3 Nr. 72 EstG gesetzlich gelöst, es habe jedoch zahlreiche Anwendungen in Altfällen ohne Rechtsgrundlage gegeben.

Stellungnahme des BMF: Wo kein Kläger, da kein Richter

Das BMF hat in einer Stellungnahme sein Vorgehen verteidigt. Das Ministerium sieht die internen Regelungen in den beanstandeten Fällen als ausreichend an. Die Verwaltungsregelungen seien ausschließlich begünstigender Natur zugunsten der Steuerpflichtigen. Deshalb seien auch keine Streitfälle zu erwarten. Im Übrigen sei es der Verwaltung überlassen, wie sie ihre Auffassung kommuniziere. Aus Sicht der Rechnungsprüfer stellt dies keine überzeugende Antwort dar. In ihrem Bericht heißt es:

„Im Ergebnis ist damit die Kritik des Bundesrechnungshofes nicht ausgeräumt.“



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