Radikale Reform: BAMF-Chef Sommer will Asylrecht in Deutschland abschaffen

Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Hans-Eckhard Sommer, hat ein Ende des individuellen Rechts auf Asyl in Deutschland gefordert. Auch die Europäische Union solle Flüchtlinge künftig nur noch im Wege von Kontingentlösungen aufnehmen. Diese Ansicht, die Sommer am Montagabend, 31.3., in Berlin vorgetragen hatte, sei nicht die Position des BAMF, aber seine „persönliche Einschätzung“.
Sommer hält 150.000 Flüchtlinge pro Jahr in der EU für vertretbar
In einem Vortrag vor der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung forderte Sommer eine „grundlegende Neuordnung“ des Asylrechts in Europa. Es solle „jeglicher Anspruch“ auf Asyl und sonstige humanitäre Schutzrechte entfallen. Die EU solle die bestehende Asylgesetzgebung vollständig aufheben.
Dies würde eine sofortige ersatzlose Aufhebung der meisten Asylrechtsakte der EU ermöglichen – und wäre ein „gewaltiger Beitrag zur Entbürokratisierung und zur Entlastung der Gerichte“. Dazu könnten „Kosten in Milliardenhöhe eingespart werden“. Als vertretbare Anzahl an Schutzsuchenden bezeichnete der BAMF-Chef 150.000 pro Jahr. Die EU-Mitgliedstaaten könnten gemeinsam über konkrete Aufnahmezahlen, Quoten oder Finanzierung entscheiden.
Man könne eine „durchaus beachtliche Höhe“ an Flüchtlingen aufnehmen. Allerdings müssten neben humanitären Erwägungen auch Faktoren wie die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes Beachtung finden. Kanada könnte ein Vorbild darstellen. Irregulär nach Deutschland Eingereiste sollten gar keine Aussicht auf ein Bleiberecht erhalten. Die Geflüchteten sollten im Regelfall direkt eingeflogen werden.
BAMF-Chef will „Dysfunktionalitäten“ im bestehenden System beseitigen
Sommer sprach mit Blick auf Deutschland von einem „zynischen Asylsystem“. Dieses erlaube „keine Begrenzung der Migration“ und lade zu Missbrauch ein. Selbst Personen ohne Asylanspruch verließen das Land im Regelfall nicht. Das derzeitige System begünstige lediglich junge Männer aus der Mittelschicht ihrer Herkunftsländer – und Schleuser, die auf diese Weise reich würden.
Der BAMF-Chef beklagte auch eine „Erpressbarkeit“ der EU. Diese sei „Opfer hybrider Kriegsführung durch Belarus und Russland“ und auf „zynische Deals mit demokratiefeindlichen Regimen“ angewiesen. Aus diesem Grund sprach Sommer sich auch gegen Aufnahmevereinbarungen mit Drittstaaten aus. Die Zahl der Geflüchteten, die zwischen 2021 und heute über Belarus in die EU gelangt war, beläuft sich auf etwa 76.000.
Stattdessen müsse das System praktikabler gemacht werden, es sei erforderlich, „Dysfunktionalitäten“ zu verhindern. In den Augen der Bevölkerung habe das derzeitige System bereits einen „Kipppunkt“ erreicht. Zudem seien „populistische und extremistische Parteien, deren Erfolg maßgeblich auf dem Thema Migration beruht“, bereits jetzt in der Lage, „demokratische Regierungsbildungen zu blockieren“.
Asyl nur noch in Nachbarländern? Das ist schon jetzt der Regelfall
Sommer regt an, die Genfer Flüchtlingskonvention zu erweitern. Vor allem Nachbarstaaten von Krisenregionen mit hohem Flüchtlingsaufkommen solle es durch internationale Zusammenarbeit ermöglicht werden, Geflüchtete mit Nahrungsmittel, Gesundheitsversorgung und Unterkunft zu versorgen.
Dies würde auch für die Flüchtlinge selbst einen Anreiz schaffen, in ihren Regionen zu bleiben und nicht weiterzureisen. So ließe sich auch kulturelle Entwurzelung verhindern. Allerdings befindet sich der größte Teil der Geflüchteten aus Krisenregionen wie Afghanistan oder Syrien schon jetzt als Binnenflüchtlinge im eigenen Land oder in Nachbarländern.
In weniger bekannten Krisenherden wie Myanmar gibt es 1,3 Millionen Binnenflüchtlinge – aber kaum Medienecho. Mit 900.000 geflüchteten Rohingya ist Kutupalong in Bangladesch die größte informelle Siedlung der Welt. Auch von 2,8 Millionen Vertriebenen in der Sahelzone stranden die meisten in Libyen oder Tunesien – nur 0,2 Prozent erreichen Europa. Derzeit befinden sich fünf Prozent aller Flüchtlinge aus den weltweit größten Krisenherden in EU-Ländern, die Asylzahlen waren zuletzt rückläufig.
Rechtliche Schwierigkeiten
Die Aussicht auf eine Umsetzung der Forderungen des BAMF-Chefs ist unterdessen in vielen Ländern der EU überschaubar. In Deutschland steht das – seit 1993 unter anderem um das Konzept der sicheren Drittstaaten eingeschränkte – Asylrecht in Artikel 16a GG im Verfassungsrang. Um dies zu verändern, bräuchten Union und SPD im Bundestag die Stimmen der AfD und im Bundesrat jene von Ländern, in denen Grüne oder Linkspartei mitregieren. Die SPD will zudem ebenfalls am individuellen Recht auf Asyl festhalten.
Grundlegende Bestimmungen über den rechtlichen Status von Geflüchteten enthalten auch die Genfer Konvention aus dem Jahr 1951. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) enthält zwar kein explizites Recht auf Asyl. Allerdings setzt sie Mindeststandards bezüglich der Behandlung und der Freiheit von Flüchtlingen fest – und verbietet eine Rückschiebung in den Herkunftsstaat bei konkretem Todesrisiko.
Die EU-Grundrechtecharta sieht in den Artikeln 18 und 19 ein Asylrecht nach Maßgabe der EU-Verträge und ein Verbot kollektiver Ausweisungen vor. Sie gilt als eine der Rechtsquellen auf höchster Ebene, wenn es um den subsidiären Schutz geht.
Unterschiedliche Konzepte für Asyl in der EU
Als auf Verfassungsebene verankertes Grundrecht ist das Asylrecht neben Deutschland noch in Frankreich verankert. Als Gnadenrecht gilt es hingegen eher in Dänemark, wo man sich eine Überstellung von Asylsuchenden in Drittstaaten vorbehält. In ähnlicher Form handhaben Länder wie Großbritannien oder Australien ihr Asylrecht. Externalisierte Verfahren sind ein typisches Merkmal von Ländern mit Asyl als Gnadenrecht.
In den meisten EU-Ländern gilt ein hybrides Modell, das sich aus einer Kombination von Genfer Konvention, EU-Recht und nationalen Sonderregelungen zusammensetzt. De facto würde eine Abschaffung individueller Asylansprüche nicht automatisch zu einer Massenrückführung Flüchtlinge führen.
Ein großer Teil der in der EU aufhältigen Geflüchteten stammt aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan. Mit deren Regierungen gibt es keine Rücknahmeabkommen, im Fall des von den Taliban kontrollierten Afghanistan bestehen nicht einmal diplomatische Beziehungen. Dazu kommen Gerichtsurteile, die bezüglich einer Rückführung in diese Staaten bis dato eher restriktiv agiert hatten.
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