Reiche hält Zertifizierung von Nord Stream 2 weiter für möglich – Inbetriebnahme bleibt ausgeschlossen

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche sieht zwar keine Chance auf eine Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream 2, schließt aber eine Wiederaufnahme des ruhenden Zertifizierungsverfahrens nicht aus. Eine Sprecherin betonte, es handle sich um eine rein rechtliche Möglichkeit, nicht um ein politisches Signal.
Titelbild
Hinweisschild Nord Stream 2 (Archiv).Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 16. Oktober 2025

In Kürze:

  • Wirtschaftsministerin Reiche: Keine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 – aber rechtlich mögliche Wiederaufnahme der Zertifizierung
  • Ministerium: Es gehe um „reines Verfahrensrecht“, nicht um politische oder sachliche Zustimmung.
  • Bundesregierung will Ausstieg aus russischem Gas bis 2027 beschleunigen.
  • Die EU hat im Juli ein vollständiges Transaktionsverbot gegen Nord Stream 2 verhängt.

 

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hält eine Weiterführung des Zertifizierungsverfahrens für das Pipelineprojekt Nord Stream 2 für möglich, nicht aber eine Inbetriebnahme. Das geht aus einer Antwort des Ministeriums an die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hervor, die trotzdem behauptet, die Bundesregierung behalte sich eine solche vor.

„Reines Verfahrensrecht“ – keine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 angedacht

Am Mittwoch, 15. Oktober, zitierte der „Tagesspiegel“ aus der Antwort. In dieser hieß es, dass eine „Wiederaufnahme des ruhenden Verfahrens aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums mittelfristig nicht ausgeschlossen werden“ könne. Voraussetzung dafür sei, dass die Nord Stream 2 AG die „Gründe für die Aussetzung des Verfahrens“ behebe.

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Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte dazu, dass es sich bei dieser Einschätzung um „reines Verfahrensrecht“ handele. Es sei damit weder etwas darüber gesagt, ob die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine tatsächliche Zulassung vorlägen, noch über die politische Bewertung. Ministerin Reiche, so heißt es weiter, setze sich weiter „unmissverständlich gegen eine Inbetriebnahme der Nord-Stream-2-Pipelines“ ein.

Die Darlegungen zum Verfahren bedeuteten nicht, dass „die Bundesregierung einer Inbetriebnahme der Pipelines offen gegenübersteht“. Das Gegenteil sei der Fall: Das Kabinett in Berlin wolle das „derzeit bis Ende 2027 vorgesehene Ausstiegsdatum auf europäischer Ebene für russisches Pipeline- und Flüssigerdgas“ sogar noch beschleunigen.

Abgeschlossenes Verfahren zur Zertifizierung noch keine Betriebserlaubnis

Die Zertifizierung ist nur eine der rechtlich erforderlichen Voraussetzungen für eine Inbetriebnahme der Pipeline. Gegenstand davon ist unter anderem die Prüfung, ob der Betreiber die technischen, rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für einen sicheren und zuverlässigen Betrieb der Anlage erfüllt.

Ferner geht es um die Organisation selbst und die Qualifikation des vorgesehenen Betriebspersonals. Zu den weiteren Prüfthemen gehören Betriebsführung und technische Ausstattung. Ein Augenmerk gilt dabei der Einhaltung technischer Normen und Standards wie DNV-OS-F101 für Offshore-Pipelines.

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Sicherheit und Umweltverträglichkeit sind weitere Aspekte des Zertifizierungsverfahrens, einschließlich dazugehöriger Dokumentationen zur Qualitätssicherung. Im Kern muss in diesem Stadium die Unbedenklichkeit des Projekts nachgewiesen werden.

Verfahren bis auf Weiteres ausgesetzt

Der positive Abschluss eines Zertifizierungsverfahrens ist erst der erste Schritt zur Inbetriebnahme einer Pipeline. In weiterer Folge sind ein Raumordnungsverfahren und ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Dieses beinhaltet unter anderem die Genehmigung des konkreten Trassenverlaufs und der technischen Planung.

Neben einer Betriebsanerkennung nach weiteren spezifischen Normen muss auch das zuständige Bundesministerium eine Sicherheitsbewertung und Unbedenklichkeitserklärung abgeben. Je nach Standort müssen, insbesondere bei grenzüberschreitenden Projekten, noch weitere nationale und internationale Genehmigungen eingeholt werden.

Im Fall von Nord Stream 2 ist das Zertifizierungsverfahren seit dem 16. November 2021 bis auf Weiteres ausgesetzt.

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Ministerium geht von Gefährdung der Versorgungssicherheit aus

Eine abschließende Bewertung sei dies nicht, heißt es aus dem Ministerium. Eine solche sei vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine nicht erstellt worden. Es habe einen Entwurf gegeben, den jedoch schon die Vorgängerregierung zurückgezogen habe. Für eine Veröffentlichung gebe es keinen Grund mehr.

Die DUH erklärt, in den Besitz des Entwurfes gelangt zu sein. Sie präsentierte ein Dossier, in dem es heißt, die von der Nord Stream 2 AG begehrte Feststellung der Nichtgefährdung der Versorgungssicherheit könne nicht getroffen werden. Es sei, so heißt es, wahrscheinlich, dass Russland die geplanten Gaslieferungen als „politisches Druckmittel“ einsetze – vornehmlich im Kontext des Kriegs.

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Die EU hat in ihrem 18. Sanktionspaket gegen Russland am 18. Juli 2025 ein vollständiges „Transaktionsverbot“ für Nord Stream 2 verhängt. Auf diese Weise will sie jede künftige Nutzung der Pipeline ausschließen.

Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte am 28. Mai dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zugesagt, sich gegen eine Inbetriebnahme der Pipeline einzusetzen.

Die DUH zeigte sich irritiert. Sascha Müller-Kraenner, deren Bundesgeschäftsführer, sagte in der Stellungnahme: „Wenn er es ernst meint, muss der Bundeskanzler die offenbar im Haus von Wirtschaftsministerin Reiche bestehenden Gedankenspiele zu einer späteren Inbetriebnahme von Europas größtem fossilen Projekt unterbinden. […] Statt über eine spätere Zertifizierung zu spekulieren, muss die Bundesregierung die immer noch bestehende Betriebserlaubnis der Pipeline unwiderruflich zurücknehmen.“

Präsident Trump hatte US-geführte Lösung angeregt

Trotz der Anschläge auf beide Stränge der Pipeline am 26. September 2022 wäre einer davon jederzeit für den Transport von Gas einsatzbereit. Auch beide Stränge von Nord Stream 1 wurden zerstört.

US-Präsident Donald Trump hatte im März angedeutet, eine mögliche Verwendung für Nord Stream 2 nach einem Friedensschluss zwischen Russland und der Ukraine zu sehen.

Laut Medienberichten sollte es auch bereits Gespräche in der Schweiz über eine Inbetriebnahme gegeben haben. In diesen sei ein möglicher Einstieg US-amerikanischer Investoren erörtert worden. Allerdings dementiert der ehemalige Geschäftsführer von Nord Stream, Matthias Warnig, Teil der Gespräche gewesen zu sein.

Allerdings hatte es schon damals negative Resonanz aus Deutschland und der EU gegeben. Außerdem ist ein Friedensabkommen für die Ukraine seither nicht näher gerückt.



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