Rentenpaket unter Druck: 22 Ökonomen fordern Stopp – Grüne wollen keine Mehrheit retten

Der Streit um das Rentenpaket bricht nicht ab. Während die Koalitionsspitzen auf eine schnelle Verabschiedung drängen, fordern einflussreiche Ökonomen einen Stopp des Gesetzesentwurfs und vollständigen Neustart der Reform.
Sozialministerin Bas sieht keinen Grund für Änderungen an ihrem Rentenpaket.
Sozialministerin Bas sieht keinen Grund für Änderungen an ihrem Rentenpaket.Foto: Elisa Schu/dpa
Von 24. November 2025

In Kürze:

  • 22 renommierte Wissenschaftler appellieren an die Koalition, das Rentenpaket zu stoppen.
  • Union-intern droht die Junge Gruppe, den Gesetzesentwurf zu Fall zu bringen.
  • Experten fordern eine Reform erst nach Vorlage der Rentenkommission Mitte 2026.
  • Die SPD lehnt jegliche Änderungen strikt ab.

 

Die Debatte um das Rentenpaket, das nach dem Willen der Koalition bis Ende des Monats im Bundestag zur Abstimmung kommen soll, spitzt sich weiter zu. Die „Junge Gruppe“ innerhalb der CDU/CSU-Fraktion, die damit droht, das Paket scheitern zu lassen, erhält nun prominente Schützenhilfe.

Wie das „Handelsblatt“ berichtet, haben 22 Wissenschaftler, darunter namhafte und einflussreiche Ökonomen, einen Appell formuliert. In diesem fordern sie die Koalition auf, das Gesetzespaket, das im Koalitionsvertrag verankert ist und im August im Kabinett beschlossen wurde, nicht im Bundestag zu verabschieden.

Ökonomen fordern Verschiebung des Rentenpakets bis nach dem Kommissionsbericht

Vielmehr soll die Koalition nach dem Willen der Verfasser das Rentenpaket vollständig zurückziehen. Stattdessen sollen die Regierungsparteien die geplante Rentenreform neu konzipieren und dabei so lange aufschieben, bis eine Empfehlung der Rentenkommission vorliege.

Diese ist allerdings erst im Koalitionsvertrag angekündigt. Ihre Einsetzung durch das Kabinett ist offenbar erst für den 17. Dezember und die Arbeitsaufnahme für den Jahresanfang eingeplant.

Die Ergebnisse sollen Mitte 2026 vorliegen. Die Kommission soll eine „neue Kenngröße für ein Gesamtversorgungsniveau über alle drei Rentensäulen prüfen“ – also gesetzliche Rente, Betriebsrente und private Altersvorsorge. Der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zufolge sei Eile nicht zwingend geboten, auch nicht bezüglich der sogenannten Haltelinie, die nun zum Stein des Anstoßes geworden ist.

Die Haltelinie bezeichnet das Absicherungsniveau der Rente im Verhältnis zu den Löhnen. Dieses soll laut Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas bis 2031 bei 48 Prozent festgeschrieben werden.

Die DRV geht auch ohne gesetzliche Festschreibung für die Jahre 2026 und 2027 von einem Rentenniveau von 48 Prozent aus. Im Jahr 2028 könnte es mit 48,2 Prozent sogar leicht höher liegen, so DRV-Vorstand Alexander Gunkel, weil der Nachhaltigkeitsfaktor die Rentenanpassung sogar noch deutlicher erhöhen könnte.

[etd-related posts=“5312326″]

Prominente Namen unter den Unterzeichnern

Dass demnach die Haltelinie in den nächsten Jahren noch keine faktische Relevanz entfalten würde, nimmt dem Rentenpaket aus Sicht seiner Gegner die Dringlichkeit. Erst vor knapp zwei Wochen hatten 32 Wirtschaftsverbände eine Vertagung der Entscheidung bis nach dem Bericht der Rentenkommission gefordert.

Nun haben die 22 Initiatoren des Appells nachgelegt, dessen Volltext am Montag, 24. November, veröffentlicht werden soll.

Unter den Unterzeichnern finden sich bekannte Namen. Mit von der Partie sind ifo-Chef Clemens Fuest, die sogenannten Wirtschaftsweisen Veronika Grimm, Monika Schnitzer und Martin Werding und Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft. Ebenso dabei sind der frühere Wirtschaftsweise Bert Rürup, der ehemalige Büroleiter von Bundeskanzler Friedrich Merz, Michael Eilfort von der Stiftung Marktwirtschaft und der Leiter des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, Jörg Rocholl.

[etd-brightchat-video=„https://vod.brightchat.com/embed/391f3af0-50f1-4d41-9caa-1fe1cc53bbd4“]

[etd-related posts=“5306742″]

Im Koalitionsentwurf von Bas ist vorgesehen, dass auch nach 2031 das Rentenniveau um etwa einen Prozentpunkt höher bleiben soll, als es nach geltendem Recht der Fall wäre. Die Junge Gruppe in der Union befürchtet dadurch bedingte Mehrkosten von 120 Milliarden Euro. Zudem sieht sie diese Bestimmung nicht mehr als durch den Koalitionsvertrag gedeckt an.

Bas: Haltelinie im Sinne künftiger Generationen

Die SPD hat jedes Aufschnüren des Rentenpakets bereits jetzt kategorisch ausgeschlossen. Bas betonte, dass die Haltelinie, notwendig sei, um auch für künftige Generationen ein angemessenes Rentenniveau sicherzustellen. Sie sagte: „Würden wir das nicht tun, würde jetzt nur eine Generation davon profitieren.“

Die Initiatoren des Appells sehen in dem Vorhaben hingegen eine Besitzstandswahrung der derzeitigen Generation von Rentenbeziehern auf Kosten der künftigen. So heißt es dort laut „Handelsblatt“:

„Die demografisch bedingten strukturellen Probleme des Rentensystems würden weiter verschärft. Es käme zu einer zusätzlichen Lastenverschiebung zwischen den Generationen zulasten der Jüngeren, die schon heute unter steigendem finanziellem Druck stehen.“

[etd-related posts=“5307756″]

Mit der Rentenkommission, so heißt es in dem Appell weiter, bestehe die Chance, „eine ausgewogene und fiskalisch nachhaltige Reform in die Wege zu leiten“. Schnellschüsse sollten in der Rentenpolitik vermieden werden, denn „einseitige Entscheidungen“ hätten bereits in wenigen Jahren ernsthafte Folgen. Diese würden einen erneuten Kurswechsel erzwingen, was „für das Vertrauen in die Politik fatal“ wäre.

Spahn und Söder rufen zur Geschlossenheit auf

Die Junge Gruppe in der Union hat deutlich gemacht, dem Gesetzentwurf nicht zustimmen zu wollen. Mit ihren 18 Mitgliedern wäre sie in der Lage, eine Mehrheit aus den Reihen der Koalition bei der Abstimmung im Bundestag zu verhindern.

Zwar bestünde die Möglichkeit, ein Ja zum Rentenpaket mithilfe von Leihstimmen aus den Reihen der Grünen oder der Linkspartei zu organisieren. Ungewiss ist jedoch, ob die Koalition ein solches Vorgehen politisch überleben würde.

Die SPD verweist darauf, dass auch die Unionsminister im Kabinett dem Rentenpaket zugestimmt hätten. Außerdem seien die Sozialdemokraten der Union bereits entgegengekommen, etwa bei der Aktivrente, der Frühstartrente oder der vorrangig von der CSU forcierten Mütterrente.

[etd-related posts=“5306407″]

Zuletzt haben Unionsfraktionschef Jens Spahn und CSU-Chef Markus Söder ihre Abgeordneten zur Wahrung der Fraktionsdisziplin aufgerufen. Es gebe „viel Verständnis und Sympathie“ für die Anliegen und Argumente der Jungen Gruppe, betonte Spahn. Gleichzeitig müsse die Koalition „regierungsfähig sein, wenn wir etwas erreichen wollen für unser Land“. Der Fraktionschef fügte hinzu:

„Für die SPD sind stabile Renten ein so entscheidendes Thema wie für uns Sicherheit, Begrenzung der irregulären Migration oder Ankurbeln der Wirtschaft. Das abzuwägen, ist klassische Verantwortungsethik in der Politik und gilt genauso für uns wie für die SPD.“

Banaszak: „Betreutes Regieren ist vorbei“

Söder hat ebenfalls eine rasche Einigung gefordert. Die Anliegen der Jungen Gruppe seien „sehr berechtigt und werden von einem Großteil der Bevölkerung geteilt“, so Söder. Doch der öffentliche Streit schade, „darum ist eine schnelle Lösung gut“, sagte er am Samstag nach der Klausurtagung des CSU-Vorstands in München. Nun müsse hart an einem Kompromiss gearbeitet werden.

Auch Merz setzt auf eine Verständigung und sieht keinen Anlass für eine Vertrauensfrage. „Ich gehe davon aus, dass wir uns einigen“, sagte der CDU-Vorsitzende im RTL/ntv-Interview nach dem G20-Gipfel in Johannesburg.

Während Linken-Parteichefin Ines Schwerdtner jüngst nicht ausschließen wollte, dem Rentenpaket unter bestimmten Umständen zuzustimmen, hat Grünen-Bundessprecher Felix Banaszak dies ausgeschlossen. Seine Fraktion werde gegen das Rentenpaket stimmen, weil dieses „im Gesamten kein sinnvoller Umgang mit Geld ist und die Strukturprobleme überhaupt nicht anfasst“. Gegenüber „Bild am Sonntag“ äußerte er mit Blick auf die Koalition:

„Betreutes Regieren ist jetzt vorbei. Die müssen das jetzt hinkriegen.“



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion