Richterwahl für Karlsruhe: Brandenburgs Regierungschef (SPD) plädiert für drei neue Kandidaten

Nach CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann kann sich auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vorstellen, drei neue Kandidaten zur Nachbesetzung des Bundesverfassungsgerichts zu verabreden. Für ihn ist die „mangelnde Führungsstärke“ in der Union verantwortlich für den Stillstand.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke betont die Rolle der Sozialdemokratie. (Archivbild)
Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) will die Debatte über die SPD-Verfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf aus der Welt schaffen (Archivbild).Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 1. August 2025

In Kürze:

  • Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke offen für neue Neunominierungen aller Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht
  • Woidke sieht „mangelnde Führungsstärke“ in der Union als Grund für Hängepartie
  • CSU-Politiker schon seit Tagen für neue Personalien offen

Seit dem 11. Juli 2025 schwebt über den Koalitionspartnern von CDU/CSU und SPD das Damoklesschwert der Verfassungsrichterwahl: Zu viele Abgeordnete der Unionsfraktion im Bundestag hatten sich geweigert, insbesondere die von der SPD gewünschte Kandidatin Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf mitzutragen.

Die SPD beharrt allerdings auch in der parlamentarischen Sommerpause auf deren Entsendung nach Karlsruhe. Auch an ihrer zweiten Favoritin Ann-Kathrin Kaufhold wollen die Sozialdemokraten unbedingt festhalten, wie unter anderem aus einer Petition vom 29. Juli hervorgeht. Diese erweckt den Eindruck, dass sich jeder, der nicht hinter Brosius-Gersdorf oder Ann-Kathrin Kaufhold steht, aus Sicht der SPD mit „rechten Netzwerken“ gemeinmacht.

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Woidke will schnelle Lösung mit drei neuen Kandidaten

Der jüngste Versuch, den gordischen Knoten zu zerschlagen, kommt nun von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Wie die „Welt“ berichtet, wäre er bereit, von den beiden SPD-Vorschlägen für das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) abzurücken. Auch der dritte Kandidat, Prof. Günter Spinner, den die Union gerne in roter Robe sehen würde, steht für den Regierungschef offenbar zur Disposition.

Denn laut Woidke kann ein Ausweg „nur darin bestehen, dass alle Kandidaten zurückgezogen werden und dieses Verfahren durch die Fraktionen im Deutschen Bundestag völlig neu aufgesetzt wird“, wie er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur zu Protokoll gab. Dabei sei Eile geboten:

„Ich halte es für nötig, dass die Fraktionen im Bundestag schnell einen Ausweg aus dieser Situation finden und einen Lösungsvorschlag unterbreiten.“

Woidke riet laut „Spiegel“ dazu, jene Parteien, deren Zustimmung für eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, „frühzeitig“ einzubeziehen. Für ihn kämen dafür nur die Linken und die Grünen infrage.

Hochrangige CSU-Politiker für neue Personalien offen

Der brandenburgische Regierungschef folgt damit einem Vorstoß von CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann. Der Unterfranke hatte bereits vor gut einer Woche ebenfalls vorgeschlagen, noch einmal über neue Namen für Karlsruhe nachzudenken. Hoffmanns Ansicht nach könnten einzelne, aber auch alle bisherigen Kandidaten durch neue Bewerber ersetzt werden. Er forderte:

Wir müssen aus dieser Situation rauskommen. Da ist Gelassenheit angesagt, da ist Sachlichkeit angesagt und eben auch die Überlegung, ob es gelingen kann über ein neues Personalpaket.“

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte vor zwei Wochen davon abgeraten, Brosius-Gersdorf weiter zu berücksichtigen.

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Brosius-Gersdorf kann sich Rückzug vorstellen

Die Kandidatin selbst, die derzeit als Inhaberin eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Potsdam arbeitet, hatte sich am 15. Juli in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ bereit erklärt, notfalls auf ihre Nominierung verzichten zu wollen.

Auf die Frage, ob der Streit um ihre Person nicht dem Bundesverfassungsgericht schaden könne, antwortete sie: „Sobald das auch nur droht, würde ich an meiner Nominierung nicht festhalten“. Sie wolle „auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land“.

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Woidke kritisiert „mangelnde Führungsstärke“ in der Union

Bei aller Kompromissbereitschaft sieht Woidke die Verantwortung für die geplatzte Richterwahl am letzten Tag vor der Sommerpause bei der Union: Es sei für ihn „nicht nachvollziehbar, dass eine qualifizierte Kandidatin“ wie Brosius-Gersdorf „in derartiger Art und Weise von Teilen der CDU/CSU diskreditiert worden ist“, zitiert ihn die „Welt“. Und weiter:

„Hier ist es leider mit der CDU/CSU aufgrund mangelnder Führungsstärke nicht möglich gewesen, den gemeinsam vereinbarten Weg zu gehen.“

Woidke führt seit dem 11. Dezember 2024 von Potsdam aus die einzige rot-rote Landesregierung Deutschlands an. Er war erst im zweiten Wahlgang im Amt bestätigt worden. Seine SPD/BSW-Koalition besitzt nur eine Mehrheit von 6 Stimmen im 88 Sitze starken Landesparlament.

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Am 11. Juli platzte die Richterwahl im Bundestag

Während es in der Berichterstattung zur Verfassungsrichterwahl vor dem 11. Juli hauptsächlich darum gegangen war, wie Union, SPD und Grüne die Fraktion der Linken ermuntern könnten, ebenfalls für die nötige Zweidrittelmehrheit mitzustimmen, markierte dieses Datum plötzlich den Beginn einer Krise zwischen den Regierungsparteien: Die Abstimmung wurde am Morgen des Wahltags auf Verlangen der Unionsfraktion kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen.

Als Grund nannte die Fraktion angebliche Plagiatsvorwürfe gegen die Potsdamer Hochschullehrerin. Diese scheinen mittlerweile aber ausgeräumt.

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Umstrittene Haltung zum Thema Schwangerschaftsabbruch

Womöglich hatten auch frühere Äußerungen von Brosius-Gersdorf dazu beigetragen, dass Teile der Unionsfraktion sie auf einmal für unwählbar hielten. Die Spezialistin für Verfassungs- und Sozialrecht hatte sich in den Jahren zuvor immer wieder offen gegen das Kopftuchverbot für muslimische Rechtsreferendarinnen, für eine gesetzliche Impfpflicht und für ein AfD-Parteiverbotsverfahren ausgesprochen.

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Speziell ihre Haltung für ein lockereres Abtreibungsrecht hatte kurz vor dem Wahltag schließlich bundesweit für Aufregung gesorgt, besonders in den sozialen Netzwerken.

AfD-Abgeordnete setzte Merz unter Druck

Den Blick darauf gelenkt hatte zwei Tage vor dem 11. Juli die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch. Während einer Fragestunde im Bundestag hatte sie Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gefragt, ob er es mit seinem Gewissen vereinbaren könne, eine Richterin zu wählen, die Ungeborenen noch bis kurz vor der Geburt ihre Menschenwürde abspreche.

Merz antwortete daraufhin im Plenum mit den Worten: „Auf die hier gestellte Frage ist meine Antwort ganz einfach: Ja.“ Das kam nicht in allen Teilen der Parteibasen von CDU und CSU sowie bei der Stammwählerschaft gut an.

Seither steht die Frage im Raum, wann und ob sich die beiden Regierungsparteien über neue Personalien für das Bundesverfassungsgericht einigen können.

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Sowohl der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann als auch Kanzler Merz gaben sich bislang zuversichtlich, dass man noch während der Sommerpause zu einer Lösung gelangen werde.

Die 16 Richter des Bundesverfassungsgerichts werden jeweils zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Für die Wahl ist jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Das Vorschlagsrecht für die Kandidaten orientierte sich bisher an der Stärke der Fraktionen. Die Linke kam dabei ebenso wenig zum Zug wie die AfD.



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