Satire oder Straftat? Urteil gegen Stefan Niehoff entfacht Debatte um Meinungsfreiheit

Ein Rentner wird wegen geteilter Memes auf der Plattform X verurteilt: Das Amtsgericht Haßfurt verhängte gegen Stefan Niehoff eine Geldstrafe wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Niehoffs Anwalt Marcus Pretzell will notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht eine teleologische Reduktion des Paragrafen 86a StGB erzwingen.
Ein 39 Jahre alter Mann muss sich wegen fahrlässiger Tötung vor dem Amtsgericht Korbach verantworten. (Archivbild)
Das Amtsgericht Haßfurt verhängte gegen Stefan Niehoff eine Geldstrafe wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. (Symbolbild)Foto: Soeren Stache/dpa
Von 19. Juni 2025

Das Amtsgericht Haßfurt hat den 64-jährigen Rentner Stefan Niehoff am Mittwoch, 18. Juni, in erster Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Strafhöhe beträgt 55 Tagessätze zu 15 Euro (insgesamt 825 Euro), außerdem soll er die Kosten des Verfahrens tragen. Die sechs Punkte umfassende Anklage lautete auf Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen terroristischer oder verfassungswidriger Organisationen.

Zwei Punkte wurden bereits zu Beginn der Verhandlung fallen gelassen, darunter jenes Meme, das als Volksverhetzung angeklagt war. Niehoffs Anwalt Marcus Pretzell hat bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung angekündigt, das Urteil nicht akzeptieren zu wollen.

„Schwachkopf“-Meme als Auslöser – Politikerbeleidigung gar nicht angeklagt

Das Verfahren hatte bereits von Beginn an das Interesse einer kritischen Öffentlichkeit gefunden. Am Beginn stand eine Mitteilung der Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ an das Bundeskriminalamt im Sommer 2024, die offenbar den X-Account Niehoffs betraf. Dieses leitete den Fall an das LKA in Bayern weiter, das wiederum die Staatsanwaltschaft einschaltete.

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Auf Nachfrage von Anwalt Pretzell bestätigte Staatsanwalt Stephan Jäger, was Medien schon im Vorfeld berichtet hatten. Demnach war ein von Niehoff geteiltes Meme, das den damaligen Bundesminister Robert Habeck mit dem Ausdruck „Schwachkopf“ bedachte, der einzige Anlass für eine Hausdurchsuchung im November.

Gegenstand der Anklage war das satirische Meme allerdings nicht. Niehoff habe im Zuge der Durchsuchung jedoch freiwillig Einblick in seinen X-Account gewährt. Daraufhin hätten die Ermittlungsbehörden diesen auf mögliche strafbare Inhalte überprüft. Am Ende kamen sechs Posts zur Anklage.

Was Niehoff konkret zur Last gelegt wurde

Einer davon zeigt Geistliche auf einem Schwarz-Weiß-Bild aus der Zeit des Nationalsozialismus, das darauf einen Hitlergruß zeigt. Dieses kommentierte Niehoff mit den Worten „Ich finde, die Kirche hat immer eine ehrenhafte Haltung zu politischen Systemen“. Anlass für den Beitrag waren offenbar kritische Äußerungen katholischer Würdenträger zur AfD.

Ein weiterer von ihm geteilter Beitrag zeigt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, auf einem gefakten „Spiegel“-Cover. Auf deren Körper war ein Arm montiert, der den Hitlergruß zeigte. Daneben standen die Überschrift „Das grüne Reich“ und der Untertitel „Die Machtergreifung“.

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Der Anlass waren offenbar Forderungen Schulzes nach einem härteren Vorgehen gegen rechte Tendenzen. Pikanterie: Den ausgestreckten Arm auf dem „Spiegel“-Cover gab es bereits 2017 tatsächlich – allerdings gemünzt auf Donald Trump. Diese Titelseite führte zu keiner Anklage.

Vorwurf der Volksverhetzung fallen gelassen

In einem weiteren Tweet soll Niehoff eine Porträtaufnahme von Adolf Hitler mit dem Kommentar „So eins?“ versehen haben. Der Kontext geht aus der Anklage jedoch nicht hervor. Ein vierter Anklagepunkt betraf einen Retweet, der wiederum Hitler zeigt – beim Handschlag mit einem Geistlichen. Im Hintergrund entbieten mehrere Männer in Wehrmachtsuniformen den Hitlergruß.

Ausgeschieden wurde ein Anklagepunkt, der ein Meme betraf, das im „Then and Now“-Modus die SA mit der Antifa verglich und deren Verhältnis zur Redefreiheit kritisierte. Außerdem ließ die Staatsanwaltschaft nach Rücksprache mit dem Richter den einzigen Punkt fallen, der eine Volksverhetzung darstellen sollte. Niehoff hatte der Rhetorik der Autorin Sarah Bosetti über Ungeimpfte eine Äußerung des KZ-Arztes Fritz Klein über Juden gegenübergestellt.

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Richter Patrick Keller gab in seiner Urteilsbegründung selbst zu erkennen, dass er dem genauen Kontext der Beiträge bei seinem Schuldspruch keine zentrale Bedeutung zugemessen habe. Er führte die etablierte Rechtsprechung fort, die darauf abzielt, Symbole verfassungswidriger Organisationen generell aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Dies sei auch die Ratio des Paragrafen 86a StGB.

Richter: „Gesetzgeber will einfach nicht, dass Symbole benutzt werden“

Bis zu einem Urteil des BGH vom 15. März 2007 hatte diese strikte Auslegung zur Folge, dass auch die Verwendung durchgestrichener Hakenkreuze durch Antifa-Gruppen zu Anklagen geführt hatte. Seither gilt die Maxime, dass eine Verwendung dieser Symbole nur dann nicht unter den Tatbestand fällt, wenn „auf Anhieb“ erkennbar sei, dass diese mit einer eindeutigen Ablehnung dessen einhergehe, wofür sie stehen.

Zulässig, so der Richter, seien „beispielsweise künstlerische oder historische Darstellungen“. Allerdings müsste in jedem Fall der kritische Gebrauch, eine soziale Adäquanz oder eine der zulässigen Ausnahmen erfüllt sein.

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Die Verwendung des Hitlergrußes bei dem Meme über Katharina Schulze gehe „einfach zu weit“, so der Richter. Wörtlich äußerte er: „Ich sag’s ehrlich: Das ist mir einfach zu krass.“ Der Gesetzgeber wolle schlichtweg nicht, dass NS-Kennzeichen benutzt würden. Er selbst setze „nur diesen Willen um“. Bezüglich des Ursprungs des geteilten Memes in einem „Spiegel“-Cover äußerte er sich nicht.

Anwalt will Urteil nicht akzeptieren: „Niehoff hätte dann ja auch die Grünen verherrlicht“

Nach dem Urteil äußerte Niehoff-Anwalt Pretzell, man werde die Sache notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht ausfechten. Die Urteilsbegründung hätte „mehr zu einem Freispruch als zu einer Verurteilung gepasst“. In letzter Konsequenz laufe die Annahme, der Rentner hätte keine eindeutige Ablehnung dessen ausdrücken wollen, wofür die Symbole stehen, darauf hinaus, dass er „die Grünen verherrlicht“ hätte.

Vor allem vor dem Hintergrund des regelmäßigen Abdrucks des Hitlergrußes in deutschen Medien – in vielen Fällen sogar auf der Titelseite – sei Grund genug, über die „Frage der Sozialadäquanz und verfassungskonforme Auslegung des Paragrafen 86a“ neu nachzudenken.

 



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