Schicksal der Kleinen bestimmt Schicksal des Landes – letzte Generaldebatte vor der Wahl im Bundestag

In der letzten Generaldebatte im Bundestag vor der Wahl haben die Parteien ihre Kernbotschaften für die verbleibenden Tage des Wahlkampfs kommuniziert. Die Debatte stand unter dem Titel „Zur Situation in Deutschland“. Vor allem für die kleineren Parteien war es die letzte Chance, das Parlament noch einmal als Bühne zu nutzen. Die Mehrheitsfindung nach dem 23. Februar wird in entscheidender Weise davon abhängen, ob FDP, Linkspartei und BSW den Wiedereinzug schaffen.
Lindner mit letzter Rede im Bundestag?
Es war deshalb wenig verwunderlich, dass FDP-Chef Christian Lindner noch einmal die Gelegenheit nutzte, „erschütternde Ideenlosigkeit“ anzuprangern. Diese hatte das „Handelsblatt“ den Kanzlerkandidaten von SPD und Union nach dem TV-Duell attestiert. Die Debatte vom Sonntag, so Lindner, eröffne eine „erschreckende Aussicht“ auf eine Koalition der beiden altem Volksparteien.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz warf Lindner vor, mit seiner jüngsten Taktik im Bundestag „nur die volle Mobilisierung für AfD und Linkspartei“ erreicht zu haben. Damit spielte er auf die Anträge zur Asylpolitik an, die CDU und CSU vor knapp zwei Wochen zur Abstimmung gestellt hatten. Ein Entschließungsantrag fand eine knappe Mehrheit, die ohne die Stimmen der AfD unmöglich gewesen wäre. Zwei weitere Anträge scheiterten – trotz der Rückendeckung durch die AfD bei Zustrombegrenzungsgesetz.
Lindner versuchte, das politische Überleben der FDP als unabdingbar darzustellen, um dem Land noch eine Chance auf eine wirtschaftliche Erholung zu erhalten. Der Liberalen-Chef unterstrich, dass er als einziger Vertreter einer Parlamentspartei den „Wirtschaftswarntag“ am 29.1. in Berlin besucht habe. Von dort habe er die Botschaft mitgenommen, dass nur eine Wende weg von Bürokratie und hohen Steuern sowie eine ideologiefreie Energiepolitik Aufschwung ermögliche.
FDP warnt vor Rütteln an Schuldenbremse und Subventionswirtschaft
Das Aus für das Intel-Projekt in Magdeburg habe das Scheitern der Industriepolitik der Altmaier-Ära und von Rot-Grün offenbart, erklärte Lindner. Als Gegenbeispiel nannte er BionTech, das „ausschließlich mit privatem Kapital den Durchbruch geschafft“ habe. Die Politik könne wissenschaftliche und technologische Entwicklungen nicht voraussehen. Deshalb müsse sie es der Wirtschaft überlassen, diese zu vollziehen.
In den USA stünden Investitionen von 500 Milliarden US-Dollar an privatem Kapital in die KI an, erklärte der FDP-Chef weiter. Demgegenüber stocke Deutschlands Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Regulierungsbehörden auf. Es müsse nun darum gehen, Steuern zu senken, statt auf Subventionen selbst für nicht erfolgreiche Unternehmen zu setzen.
Lindner äußerte an die Adresse der AfD, es sei „nicht patriotisch, den Klimawandel zu leugnen“. Stattdessen bedürfe es einer Klimapolitik, die auf Technologie setze und die Freiheit individueller Lebensweisen respektiere. Rot-Grün und der Union warf er demgegenüber vor, dass „alles, was die AfD groß macht, von Ihnen kommt“. Zudem warnte er vor einer Lockerung der Schuldenbremse zur Finanzierung von Klientelpolitik. Es gebe „keinen Mangel an öffentlichen Mitteln“.
Merz-AfD-Debatte hat Chancen für Linkspartei erhöht
Für die Linkspartei trat Bundessprecherin Heidi Reichinnek ans Mikrofon. Während sie vor zwei Wochen durch einen energischen Auftritt angesichts der gemeinsamen Abstimmung von Union und AfD aufgefallen war, erwähnte sie diese in der nunmehrigen Generaldebatte gar nicht. Stattdessen konzentrierte sie sich auf Sachthemen, mit denen die Linke auf den letzten Metern noch punkten will.

Christian Lindner, FDP. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Reichinnek forderte eine Absicherung der Mietpreisbremse. Diese gewährleiste ein bezahlbares Wohnen und könne verhindern, dass Rentner und Familien mit Kindern ihr vertrautes Wohnumfeld verlassen müssten. Das Zuhause sei kein Spekulationsobjekt, äußerte die Linkspolitikerin. Der Bundesregierung warf sie vor, ihre Wohnungsbauversprechen vernachlässigt zu haben.
Zudem forderte Reichinnek ein Ende der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Es sei nach wie vor erschreckend, wie hoch die Preise für Lebensmittel lägen. Die „Tafeln“ seien voll und es gebe Eltern, die selbst auf Mahlzeiten verzichten würden, um jene für ihre Kinder sicherzustellen.
Wagenknecht: Merz könnte „Tor zur Hölle“ des Krieges aufstoßen
Namens des BSW erklärte Gründerin Sahra Wagenknecht, es sei „erschreckend“, wie sich das Land in den vergangenen Jahren entwickelt habe. Olaf Scholz sei der „Kanzler des Aufstiegs“ für Rüstungskonzerne und die AfD. Demgegenüber stehe er für den Abstieg bei der breiteren Bevölkerung.
Seine Ankündigung vom Schluss des TV-Duells vom Sonntag, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, offenbare einen „Realitätsverlust wie in den letzten Tagen der DDR“, so Wagenknecht.
Aber auch die Union habe keinen Plan für die Zukunft, äußerte Wagenknecht. Das Land sei gespalten und werde immer autoritärer. Es sei zudem möglich, dass Merz als Kanzler tatsächlich – wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich es ausdrückte – das „Tor zur Hölle“ aufstoße. Dies geschehe jedoch nicht in Form einer gemeinsamen Abstimmung mit der AfD, sondern dadurch, dass deutsche Soldaten in der Ukraine helfen könnten, Taurus-Marschflugkörper zu programmieren. Dies würde das Land in den Krieg führen.
Wenig Bewegung bei größeren Parteien
In der Endphase des Wahlkampfs werden FDP, Linkspartei und BSW voraussichtlich stärker in den Fokus rücken. Ob ihnen noch eine nennenswerte Mobilisierung gelingt, wird nicht nur über ihr eigenes politisches Überleben entscheiden. Es wird auch bestimmen, welche Optionen die voraussichtlich nicht mehr einholbare Union zur Bildung einer Regierung haben wird.
Meinungsforscher sehen CDU und CSU stabil bei 29 bis 30 Prozent – selbst die Demonstrationen der vergangenen Wochen hatten hier kaum Bewegung bewirkt. Auch bei der AfD tut sich wenig, die Partei wird voraussichtlich mehr als 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und zweitstärkste Kraft werden. Die SPD kann auf 15 bis 17, die Grünen auf 12 bis 14 Prozent hoffen.
Schafft darüber hinaus nur die Linkspartei den Einzug in den Bundestag, hätte die Union nach derzeitigem Stand gemeinsam mit der SPD, aber auch mit den Grünen eine parlamentarische Mehrheit. Jene von Schwarz-Grün wäre jedoch bereits so knapp, dass die Union ein zu großes Risiko in einer Regierungsbildung sehen könnte. Jüngste Umfragen geben der Linken die größten Chancen unter den Kleineren, die Fünf-Prozent-Hürde zu überschreiten. Die Merz-AfD-Debatte hilft vor allem ihr.
Kleinparteien im Bundestag entscheiden über Koalitionsoptionen
Zieht neben der Linken auch die FDP in den Bundestag ein, hätten Union und Grüne keine gemeinsame Mehrheit mehr. Auch jene von CDU. CSU und SPD wäre so knapp, dass diese auf eine dritte Partei zurückgreifen könnten, um die Mehrheit abzusichern. Es entstünde eine ähnliche Situation wie in Österreich nach der Nationalratswahl.
Eine ähnliche Lage ergäbe sich, kämen Linke und BSW in den Bundestag, die Liberalen aber nicht. Gelingt Linken, FDP und BSW der Einzug, hätten auch Union und SPD keine gemeinsame Mehrheit mehr und wären auf einen weiteren Partner angewiesen. Dabei wäre jedoch eine parlamentarische Mehrheit von Union und SPD mit den Grünen deutlich komfortabler als mit der FDP.
Scholz empfiehlt sich als besonnener Kandidat für die Mitte
Von Union und SPD kamen der Situation in den Umfragen entsprechend auch kaum neue Akzente in der Generaldebatte. Die Debattenredner brachten im Wesentlichen die Positionen vor, die auch bereits die Konfrontationen der vergangenen Wochen geprägt hatten. Bundeskanzler Olaf Scholz warf Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz vor, „gemeinsame Sache mit den extremen Rechten“ zu machen, wenn er „den Kompromiss unter Demokraten zu schwierig findet“.

Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Die Asylpläne von Merz seien EU-rechtswidrig, dieser lege „die Axt an den europäischen Zusammenhalt“. Die ganz große Mehrheit in Deutschland wolle jedoch „nicht immer mehr extremes Geschrei, immer mehr Hass, immer mehr Polarisierung“. Scholz empfahl sich auf diese Weise als besonnener Kandidat für „Lösungen aus der Mitte und für die Mitte unseres Landes“. Die Wähler müssten die Chance nutzen, „Schwarz-Blau zu verhindern“.
Merz hingegen erklärte, Scholz und Vizekanzler Robert Habeck hätten sich „für die Führung der künftigen Bundesregierung disqualifiziert“. Das Kabinett Scholz habe seine Redezeit für „25 Minuten abgelesene Empörung über den Oppositionsführer“ genutzt und „den Plenarsaal des Deutschen Bundestages offensichtlich mit einem Juso-Bundeskongress“ verwechselt.

Oppositionsführer Friedrich Merz ging Bundeskanzler OIaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck hart an. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Merz setzt auf Wirtschaftslage – Grüne und AfD auf Mobilisierung eigener Klientel
Hingegen habe es keine Lösungswege zu steigender Arbeitslosigkeit, wachsendem Kapitalabfluss ins Ausland und anhaltend schwacher Wirtschaftsentwicklung gegeben. Eine Rezession wie in der Gegenwart mit drei Jahren schrumpfender Wirtschaft in Folge habe es „bis jetzt in der Nachkriegsgeschichte in Deutschland nicht ein einziges Mal gegeben“.
Die schlechte Wirtschaftslage wird voraussichtlich auch noch für den Rest des Wahlkampfs die zentrale Botschaft der Union für einen Wechsel sein. Mit der Gegenbotschaft, man habe trotz widriger Umstände wie Corona und Ukrainekrieg viel geschafft und Merz sei zu wenig vertrauenswürdig, dringt der Kanzler bis dato kaum zur Masse der Bevölkerung durch.
Vor allem auf Mobilisierung der eigenen Basis setzen im Wahlkampffinish Grüne und AfD. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betonte den „Klimaschutz“ als zentrales Thema. Dieser sei im TV-Duell vom Sonntag gar nicht besprochen worden. Die Union wolle „den Verbrenner retten, während die Welt in die Elektromobilität aufsteigt“.
AfD-Chefin Alice Weidel wiederum zeichnete in ihrer durch Zwischenrufe unterbrochenen Rede ein Bild von einem „funktionierenden Deutschland“. Dieses wäre mit gesicherten Grenzen ausgestattet, würde den Asylmissbrauch beenden. Eine gute Regierung würde Bürger nicht bevormunden und gängeln und nicht ihr Geld verteilen. Grundrechte würden wieder „Abwehrrechte gegen den Staat sein und nicht Gnadenrechte, die der Staat dem Bürger gewährt“.

Alice Weidel von der AfD. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
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