Schicksalswahlen und Zerfallserscheinungen: 2025 ist Krisenjahr für Wagenknechts BSW

Interne Machtkämpfe, Rücktritte und Stimmenverluste: Für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) läuft 2025 bislang alles andere als rund. Im Landesverband Thüringen brodelt es – und Parteigründerin Wagenknecht stellt offen die Loyalität der Spitzenleute im Freistaat infrage. In Brandenburg kündigt der Landeschef seinen Rücktritt an.
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Wird es Schicksalswahlen für das BSW in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern geben?Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 17. April 2025

Das Jahr 2025 steht für das Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW) weiterhin unter keinem guten Stern. Sieben Wochen nach dem knappen Verfehlen der Bundestagswahl bahnen sich auch in den beiden bislang erfolgreichsten Landesverbänden Führungsdebatten an.

In Thüringen hat Wagenknecht selbst die erneute Kandidatur von Landeschefin Katja Wolf und ihrem Co-Vorsitzenden Stefan Schütz infrage gestellt. Derweil hat in Brandenburg der bisherige Landesvorsitzende Robert Crumbach von sich aus seinen Rücktritt angekündigt – und dies mit der Doppelbelastung begründet, die sein Regierungsamt mit sich bringt. Crumbach ist Finanzminister im Kabinett Woidke IV.

BSW soll künftig mehr Mitglieder aufnehmen

Am 26. April will das BSW im Freistaat Thüringen eine neue Landesspitze wählen. Sahra Wagenknecht äußerte sich „erstaunt“ über die geplante erneute Kandidatur von Wolf und Schütz. Gegenüber dem „Stern“ äußerte sie, von einem „längst“ bestehenden Konsens ausgegangen zu sein. Dieser sei darauf gerichtet, „Partei- und Regierungsamt zu trennen, was ja auch sinnvoll ist“.

Wagenknecht kündigte an, die Partei werde „in Zukunft sehr viel mehr Mitglieder aufnehmen“. Das erfordere Vorsitzende, die sich „auf den Parteiaufbau konzentrieren können“. Das bis dato bei der Mitgliederaufnahme betont zurückhaltende BSW will bis zum 30. April rund 1.200 neue Mitglieder aufnehmen.

Wolf selbst sieht sich dieser Aufgabe jedoch weiterhin gewachsen. Die ehemalige Oberbürgermeisterin von Eisenach will das BSW als „starke Mitgliederpartei“ entwickeln und „gleichzeitig BSW-Positionen stark in der Regierung zu verankern“. Dazu bedürfe es einer „guten Mischung in einem starken und erfahrenen Vorstand“, erklärte sie dem „Stern“.

Wagenknecht spricht sich für Führungswechsel in Thüringen aus

Im Regierungsbündnis mit CDU und SPD unter Regierungschef Mario Voigt ist Wolf stellvertretende Ministerpräsidentin und Finanzminister. Auch ihr Co-Vorsitzender Stefan Schütz ist als Infrastrukturminister im Kabinett vertreten.

Mit ihren nunmehrigen Aussagen hat Wagenknecht jedoch indirekt eine klare Wahlempfehlung für die Gegenkandidaten ausgesprochen. Kandidieren will die als uneingeschränkt Wagenknecht-loyal geltende Landtagsabgeordnete Anke Wirsing. Auch der Kinderpsychologe Matthias Bickel und der Ortsbürgermeister von Bleicherode, Robert Henning, haben Interesse an einer Kandidatur angemeldet.

Bereits im Vorjahr hatte es atmosphärische Differenzen zwischen Wagenknecht und Wolf gegeben. Aus Berlin kam mehrfach Kritik, die frühere Kommunalpolitikerin habe sich bei den Koalitionsgesprächen gegenüber der CDU als zu nachgiebig gezeigt. Selbst bei zentralen Anliegen des BSW wie der Friedenspolitik oder der Corona-Aufarbeitung habe sie Minimalkompromissen zugestimmt, um eine Regierungsbeteiligung zu retten.

Deutliche Einbußen seit der Landtagswahl in Thüringen

Obwohl Wolf erklärt hatte, von BSW-Mitgliedern selbst zu einer Wiederkandidatur ermutigt worden zu sein, stehen ihre Chancen, als Landeschefin bestätigt zu werden, schlecht. Das liegt zum einen an der offenen Kritik Wagenknechts am erneuten Antritt. Wolfs Gegner können zudem auch darauf verweisen, dass das BSW im Freistaat bei der Bundestagswahl fast 66.000 Stimmen und damit ein Drittel weniger als bei der Landtagswahl eingefahren hat.

Auch gegenüber der Europawahl im Juni 2024 verlor das BSW im Freistaat fast 22.000 Stimmen. Demgegenüber erhielt die AfD bei der Bundestagswahl in Thüringen um mehr als 110.000 Stimmen mehr als bei der Landtagswahl, auch die Linke konnte mehr als 40.000 Stimmen dazugewinnen und das BSW deutlich abhängen. Beides spricht dafür, dass die Regierungsbeteiligung der Wagenknecht-Partei in Thüringen bislang keinen zählbaren Nutzen gebracht hat.

Etwas stabiler ist die Lage in Brandenburg. Dort soll es im Spätsommer oder Herbst zu einem geordneten Führungswechsel kommen. Bei der Bundestagswahl blieb das BSW mit 10,7 Prozent im zweistelligen Bereich. Gegenüber der Landtagswahl büßte man 2,8 Prozentpunkte ein. Auch konnte man die Linkspartei dort immer noch knapp hinter sich lassen. Landeschef Crumbach möchte nun im Konsens einen Nachfolger suchen.

BSW war die Überraschungspartei des Jahres 2024

Erst im Januar des Vorjahres hoben Wagenknecht und neun weitere Bundestagsabgeordnete der Linkspartei das BSW aus der Taufe. Noch im selben Jahr gelang der Partei der Einzug ins EU-Parlament, in mehrere kommunale Parlamente und – sogar mit zweistelligen Ergebnissen – in drei Landtage. In Thüringen und Brandenburg ist das BSW sogar auf Anhieb Regierungspartei geworden.

Bei der Bundestagswahl fehlten der Partei exakt 9.528 Zweitstimmen zum Einzug. Führende Parteifunktionäre wie der EU-Abgeordnete Fabio De Masi äußern sich nach wie vor optimistisch, eine Neuauszählung erreichen zu können und dann auf die erforderliche Stimmenanzahl zu kommen.

Westdeutschland bleibt für Wagenknecht-Partei unzugänglich

Die politische Zukunft der Partei ist jedoch ungewiss. Umfragen geben ihr kaum Chancen, bei einem neuerlichen Anlauf den Einzug in den Bundestag zu schaffen. Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg – immerhin Heimatverband von De Masi und Ex-MdB Żaklin Nastić – setzte es für das BSW sogar ein 1,8-Prozent-Desaster.

Das BSW droht zunehmend auch zwischen der AfD und der wiedererstarkten Linkspartei zerrieben zu werden. Es stehen der Partei auch Konflikte über die inhaltliche Ausrichtung bevor. Beispielsweise verließen jüngst mehrere bayerische Funktionäre das Bündnis, weil ihnen die Linie in der Migrationspolitik zu rigide erschien. Zudem droht die zunehmend in den Mittelpunkt der Agitation rückende anti-israelische Ausrichtung Wählerpotenzial zu kosten.

Die nächsten Landtagswahlen finden im Frühjahr 2026 in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz statt. In keinem der beiden Bundesländer konnte die Partei bei der EU- oder der Bundestagswahl die Fünf-Prozent-Hürde überschreiten. Generell blieb die Partei in westdeutschen Bundesländern bislang weitgehend erfolglos. Es deutet vieles darauf hin, dass die Wahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern im Frühsommer und Herbst nächsten Jahres zu Schicksalswahlen für das BSW werden.



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