SPD Fraktionschef Miersch: „Schmerzliche Kompromisse, die wir hier eingehen müssen”

Der Parteitag der SPD geht in die zweite Runde. Abschiede und Aufarbeitung sind heute der Fokus.
Titelbild
Matthias Miersch, Fraktionschef der SPD.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times28. Juni 2025

Die SPD setzt am Samstag ihren Bundesparteitag in Berlin fort. Nach dem Auftakt mit wichtigen Wahlen zu Parteiämtern am Freitag stehen am Samstag stärker die Abschiede langjähriger Parteigrößen und die weitere inhaltliche Aufarbeitung des historischen Wahldebakels im Fokus.

Am Vormittag verabschieden sich Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz und die ehemalige Parteichefin Saskia Esken von den Parteikollegen.

Ihre Nachfolgerin wurde nun Arbeitsministerin Bärbel Bas, die am Freitag mit 95,0 Prozent der Delegiertenstimmen ein starkes Votum erhielt. Weniger Stimmen erhielt Finanzminister Lars Klingbeil. Der bisherige Co-Chef von Esken bekam 64,9 Prozent. Klingbeil hatte vor zwei Jahren noch 85,6 Prozent erhalten.

Am ersten Parteitagstag wurde zudem der neue Generalsekretär offiziell ins Amt gewählt. Tim Klüssendorf konnte 90,76 Prozent Zustimmung verbuchen.

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Fraktionschef ruft zu Unterstützung auf

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch: Es seien „schmerzliche Kompromisse, die wir hier eingehen müssen“. Es gebe aber auch wichtige Erfolge und wenn die SPD nicht mitregieren würde, „dann würde dieses Land unsozialer sein“.

Miersch kritisierte, dass viele Delegierte am Vorabend SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil in geheimer Abstimmung ihre Unterstützung verweigert haben sollen. Klingbeil hatte bei seiner Wiederwahl an die Parteispitze nur 64,9 Prozent der Stimmen erhalten.

„Wir brauchen Eure Unterstützung gerade in einer Koalition, wo einige viele Dinge völlig anders sehen als wir“, sagte er. Mit Blick auf die Stärke von Union und AfD sagte Miersch, dass es im Bundestag theoretisch eine andere Mehrheit gebe mit denen, „die Vieles, für das wir stehen, nicht teilen“.

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Als Beispiele für schmerzhafte Kompromisse nannte Miersch Vereinbarungen zur Klima- und Umweltpolitik, aber auch die Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete mit dem eingeschränkten subsidiären Schutz. Immerhin sei dies auf zwei Jahre befristet worden. Die kommenden dreieinhalb Jahre würden nicht leicht werden, aber „wir haben zumindest den Gestaltungsspielraum, dass es nicht schlimmer wird“.

Es gebe auch wichtige Erfolge: „Wir haben durch eine Verfassungsänderung und das Sondervermögen die Voraussetzung dafür geschaffen, dass wir jetzt handeln können“, sagte der Fraktionschef. Er verwies auch auf die Beschlüsse zur Verlängerung der Mietpreisbremse und zum Investitionsbooster. Hier gehe es um sozialdemokratische Kernthemen.

Der SPD-Parteitag bestätigte am Samstag Schatzmeister Dietmar Nietan und die EU-Beauftragte Katarina Barley in ihren Ämtern. Nietan erhielt 76,7 Prozent, Barley 92,2 Prozent der Stimmen. Damit ist die neue engere Parteiführung komplett.

100 Tage im Gefängnis der Türkei

(Von links nach rechts) Vorsitzender der SPD, Vizekanzler Lars Klingbeil, der Vorsitzender der größten türkischen Oppositionspartei CHP, Ozgur Ozell, die neue SPD-Mitvorsitzende Baerbel Bas und der neue SPD-Generalsekretär Tim Kluessendorf halten Schilder mit der Aufschrift „Freiheit für Imamoglu”. Foto: Tobias Schwarz/afp via Getty Images

Die SPD hat auf ihrem Parteitag die Freilassung des inhaftierten türkischen Oppositionsführers Ekrem Imamoglu gefordert.

„Solidarität mit der demokratischen Türkei – Freiheit für Imamoglu“, heißt es in einem am Samstag in Berlin einstimmig gefassten Beschluss. Der Vorsitzende von Imamoglus Partei, der SPD-Schwesterpartei CHP, Özgür Özel, wurde für seine Rede auf dem Parteitag von den Delegierten gefeiert.

„Das ist etwas, was uns alle betrifft, wenn Demokraten weggesperrt werden“, sagte SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil. Er wies darauf hin, dass sich Imamoglu nun bereits 100 Tage im Gefängnis befinde.

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Die SPD wolle dagegen „ein klares Zeichen der internationalen Solidarität setzen“, sagte Klingbeil weiter. Er kündigte an, die deutschen Sozialdemokraten wollten ihre bereits bestehende Partnerschaft mit der CHP weiter vertiefen.

Özel bedankte sich in seiner Gastrede für die Unterstützung der deutschen Schwesterpartei. Er wies darauf hin, dass die Inhaftierung des gewählten Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu zu dem Zeitpunkt erfolgt sei, als er zum Präsidentschaftskandidaten der CHP nominiert wurde, die in Umfragen in der Türkei deutlich vorne liege.

Als Reaktion darauf habe jedoch die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ihre Repression gegen die Opposition ausgeweitet.

Esken: „Ich gehe nicht mit Wehmut“

Esken verabschiedete sich aus der Parteispitze.

Esken verabschiedete sich aus der Parteispitze. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Saskia Esken hat die SPD bei ihrem Abschied aus der Parteispitze zu mehr Zusammenhalt aufgerufen. Das habe der Partei in der Vergangenheit zum Erfolg verholfen – „und genauso müssen wir es heute auch wieder tun“, sagte sie.

Die SPD müsse sich nach dem Desaster bei der Bundestagswahl verändern, „damit es besser wird“.

Esken bekam keinen Posten im Kabinett. Vom Parteivorsitz verabschiede sie sich aber nicht mit Wehmut, sagte die 63-Jährige. Besonders herzlich dankte sie OIaf Scholz.

„Du warst mein Kanzler und wir haben eine Menge zusammen erreicht“, sagte sie. Scholz habe ein warmes Herz, einen kühlen Kopf vor allem in stürmischen Zeiten, Haltung und Treue zur Sozialdemokratie.

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So positiv hat Esken nicht immer über Scholz gesprochen: Als sie sich beim Mitgliederentscheid um den SPD-Vorsitz 2019 zusammen mit Norbert Walter-Borjans unter anderem gegen Scholz durchsetzte, hatte sie ihn auch kritisiert.

Im Weiteren lobte Esken ihre „wunderbare“ Nachfolgerin Bärbel Bas. Bas` Biografie als sogenannte Bildungsaufsteigerin habe sie „inspiriert“.

Nach wochenlangen Debatten über ihre Person im Gefolge der Bundestagswahl hatte Esken angekündigt, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Ihre Nachfolgerin Bas wurde am Freitagabend mit 95,0 Prozent überzeugend ins Amt gewählt.

 

Abschied Scholz

SPD-Parteitag - Beifall für den ehemaligen Bundeskanzler Olaf Scholz

Der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz Foto: Kay Nietfeld/dpa

Altkanzler Olaf Scholz hat seiner Partei zugesagt, auch nach seiner Amtszeit sozialdemokratische Politik zu machen. „Ich habe vor, ein ehemaliger Kanzler zu sein, über den sich die SPD immer freut“, sagte der 67-Jährige in seiner Abschiedsrede.

Trotz des späteren Bruchs der Koalition sei er „dankbar, dass wir einmal die Chance genutzt haben, Modernisierung in diesem Lande möglich zu machen, die ohne diese Regierungskonstellation nicht möglich geworden wäre“, sagte Scholz.

Eine Regierung ohne die Union sei in der Geschichte der Bundesrepublik immer noch eine „besondere Situation“, fügte der ehemalige Kanzler hinzu. „Es war richtig und gut, dass wir mit den anderen beiden Parteien diesen Aufbruch für Deutschland gewagt haben.“

Die gesamte Regierungszeit sei dann vom Ukraine-Krieg überlagert worden. In diesem Zusammenhang lobte Scholz die Ausnahme der neuen Bundesregierung für Rüstungsausgaben von der Schuldenbremse.

„Ich will mich hilfreich an der Debatte beteiligen, mit der neuen Rolle“, sagte er weiter. Im Mittelpunkt müsse das ur-sozialdemokratische Thema Respekt stehen. (dts/afp/red)



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