Söder will Bürgergeld für Ukrainer stoppen – nur jeder Dritte aktuell in Arbeit

CSU-Chef Markus Söder hat einen Stopp des Bürgergelds für alle ukrainischen Kriegsflüchtlinge gefordert. Er begründet dies mit der im Vergleich niedrigen Erwerbsquote unter dieser Gruppe. Während Osteuropa deutlich höhere Integrationszahlen vorweist, zeigt sich in Deutschland ein komplexes Bild.
Bereits in den ersten Kriegsmonaten kamen rund eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland. (Archivfoto)
Bereits in den ersten Kriegsmonaten kamen rund 1 Million Flüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland. (Archivfoto)Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 4. August 2025

In Kürze:

  • CSU-Chef Söder fordert Bürgergeld-Stopp für alle ukrainischen Kriegsflüchtlinge.
  • Beschäftigungsquote unter ukrainischen Flüchtlingen in Deutschland deutlich niedriger als in Osteuropa
  • Kritik an Söders Vorstoß aus der CDU
  • Zahl der Empfänger von Grundsicherung in Deutschland liegt 2025 unter dem Niveau von 2006

 

CSU-Chef Markus Söder kündigte im ZDF-Sommerinterview für „Berlin direkt“ an, einen Bürgergeld-Stopp für alle Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu fordern. Er machte den unmittelbaren Anspruch auf Grundsicherung dafür verantwortlich, dass der Anteil der in Arbeit stehenden Ukrainer nach wie vor gering sei.

Im Januar 2025 befanden sich Angaben der Bundesagentur für Arbeit zufolge etwa 296.000 ukrainische Staatsangehörige in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. In diese Zahl sind auch jene Personen eingerechnet, die nicht nach Ausbruch des Krieges im Februar 2022 nach Deutschland gekommen waren.

Schleppende Integration ukrainischer Geflüchteter in Arbeitsmarkt

Die Beschäftigungsquote unter ukrainischen Staatsangehörigen betrug damit etwa 31,7 Prozent. Im Oktober 2023 hatte sie noch bei 24,8 Prozent gelegen. Der Bundesrechnungshof sprach kürzlich von 33,2 Prozent. Damit ist der Anteil der Beschäftigten unter den ukrainischen Kriegsflüchtlingen zwar gestiegen, liegt jedoch immer noch deutlich unter den Beschäftigungsquoten der gleichen Bevölkerungsgruppe in anderen Staaten.

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In osteuropäischen Zielländern und den Niederlanden liegt die Beschäftigungsquote unter ukrainischen Staatsangehörigen teilweise bei etwa 60 Prozent. Demgegenüber lagen die Quoten in Ländern wie Norwegen, der Schweiz, Spanien oder Rumänien im Vorjahr teilweise noch unter 15 Prozent.

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) weist auch darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit unter Ukrainerinnen innerhalb eines Beobachtungszeitraums von eineinhalb Jahren um rund 8,5 Prozentpunkte gesunken ist. Das sei insbesondere vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass 65 Prozent der im Land befindlichen ukrainischen Geflüchteten Frauen sind. Im Jahr 2022 waren es mehr als 70 Prozent.

Streichung von Bürgergeld für „Altfälle“ zulässig?

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist verankert, dass Ukrainer, die nach dem 1. April 2025 ins Land kommen, keinen automatischen Anspruch auf Bürgergeld mehr haben. Allerdings gilt die Regelung nur für Neuankömmlinge. Zu Beginn des Krieges galt zunächst ebenfalls das Asylbewerberleistungsgesetz.

Im Juni 2022 einigten sich jedoch Bund und Länder darauf, Kriegsflüchtlinge in das System der Grundsicherung – damals Hartz IV, heute Bürgergeld – einzubeziehen. Sie hatten ein Aufenthaltsrecht nach Paragraf 24 Aufenthaltsgesetz und mussten kein reguläres Asylverfahren durchlaufen.

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Söder will nun das System des Asylbewerberleistungsgesetzes auf alle ukrainischen Geflüchteten ausdehnen – offenbar auch auf solche, die zwischen 2022 und April 2025 ins Land gekommen waren. Inwieweit die potenziell Betroffenen Vertrauensschutz genießen, müssten Gerichte klären.

Sollte eine entsprechende Regelung Platz greifen, würde sie alle Ukrainer betreffen, die zwischen Kriegsbeginn und deren Inkrafttreten ins Land gekommen waren. Grundsätzlich müssen Asylsuchende 36 Monate lang im System der Asylbewerberleistungen bleiben. Erst dann haben sie bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen Anspruch auf Bürgergeld.

Wer vor August 2022 nach Deutschland gekommen ist, fiele demnach nicht mehr unter die Neuregelung. Hingegen würden beispielsweise ukrainische Geflüchtete, die im Herbst 2023 ins Land gekommen waren, bis voraussichtlich Herbst 2026 nur Asylbewerberleistungen beziehen können.

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Bürgergeld für Ukrainer: Frage spaltet Union

Aus der SPD kam bislang noch keine Reaktion auf Söders Vorstoß. Allerdings gibt es bereits Kritik aus den eigenen Reihen. Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA, Dennis Radtke, sagte dem „Focus“: „Die letzten Jahre sollten doch eigentlich gezeigt haben, dass wir mit breitbeinigen und marktschreierischen Forderungen beim Thema Flucht und Asyl nichts erreichen können.“

Unterstützung bekommt Söder vom Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU). „Tatsächlich hat Markus Söder recht, wenn er sagt, dass wir hier Leistungen ausbringen, wie es kein anderes Land der Erde tut.“ Das habe auch zu einer schlechteren Integration in den Arbeitsmarkt als in anderen Ländern geführt, sagte Frei in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv.

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) befürwortet Söders Vorschlag: „Zu den Ukrainerinnen und Ukrainern will ich Ihnen Folgendes sagen: Ich bin der Meinung, gleiche Bedingungen für alle, für Einheimische, für Asyl, Schutzsuchende oder für Menschen, die aus der Ukraine kommen. Diejenigen, die arbeiten können, müssen arbeiten.“ Wer in Not sei, dem wolle man auch in Zukunft helfen.

Bürgergeld: Weniger Empfänger – aber steigende Ausgaben

Zu den hemmenden Faktoren für die Beschäftigung ukrainischer Geflüchteter gehören vor allem Sprachbarrieren, Probleme bei der Anerkennung von Abschlüssen und Kinderbetreuungspflichten. Viele Ukrainerinnen sind alleinerziehend. Die Ehemänner sind häufig an der Front, was zusätzlichen psychischen Stress fördert. Zwar zeigt die Tendenz Fortschritte bei der Beschäftigung der Betroffenen. Allerdings findet diese weiterhin überdurchschnittlich oft in Hilfstätigkeiten statt.

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Insgesamt ist in Deutschland die Zahl der Empfänger von Grundsicherung seit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 deutlich gesunken. Im Jahr 2006 hatten etwa 7,2 Millionen Menschen eine solche bezogen. Trotz einer Zunahme der Zahl der Bürgergeldempfänger seit 2021 liegt diese mit 5,52 Millionen im bisherigen Jahresschnitt 2025 deutlich darunter. Allerdings ist die Summe der Ausgaben für Bürgergeld kontinuierlich gestiegen.

Von den 5,52 Millionen sind 3,97 Millionen erwerbsfähig. Einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) aus dem Vorjahr zufolge sind 1,8 Millionen Bürgergeldempfänger Kinder und Jugendliche. Weiter 1,7 Millionen haben Probleme bei der Jobsuche, weil sie krank sind oder Abschlüsse fehlen. Etwa 1,2 Millionen Bezieher arbeiten in Teilzeit, weil sie alleinerziehend sind oder Angehörige pflegen. Bei 800.000 Bürgergeldbeziehern handelt es sich um „Aufstocker“, die trotz Vollzeitarbeit keine ausreichenden Einkünfte beziehen. Die Zahl sogenannter „Totalverweigerer“ liege bei maximal 16.000.



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