Solarzubau außer Kontrolle? Bundesnetzagentur schlägt Alarm

Immer mehr Solaranlagen produzieren tagsüber Strom in Deutschland. Die Bundesnetzagentur warnt nun vor den Schattenseiten, die dieser Ausbau mit sich bringt. Dieser könnte ernsthaft die Netzstabilität gefährden.
Bundesnetzagentur warnt
Photovoltaikanlagen können die deutschen Stromnetzte an ihre Grenzen bringen.Foto: gopixa/iStock
Von 18. Mai 2025

„Herausforderung Solarspitzen“ – so lautet der Titel eines vor Kurzem veröffentlichten Beitrags der Bundesnetzagentur. Es kommt einer Warnung gleich.

Die höchste deutsche Energiebehörde weist auf ihrer Informationsplattform Smard“ darauf hin, dass „Netz und Markt mit dem Wachstum der PV-Kleinanlagen [Anm. d. Red: Photovoltaik] Schritt halten müssen“.

Rasanter PV-Zubau gefährdet die Netzstabilität

Die Bundesnetzagentur erwähnt in ihrem Beitrag zunächst den schnell voranschreitenden Ausbau der Solarenergie. „Im Jahr 2024 wurden 16 GW [Gigawatt] an neuen Solaranlagen ans Netz angeschlossen.“ Bis zum Jahresende wuchs der Bestand damit auf rund 100 GW an. Hierbei handelt es sich um die installierte Leistung, welche die Anlagen nur bei optimalen Bedingungen erreichen.

Von Januar bis Ende April kamen abermals rund 5 GW hinzu, sodass die hierzulande installierte Solarleistung bereits rund 105 GW beträgt. In diesem Zusammenhang nennt die Behörde die bestehende Problematik:

Diese Entwicklung führt zu einer schnell wachsenden Erzeugung und Einspeisung von Solarstrom, was neue Anforderungen an die Marktintegration des Solarstroms und für die Stabilität des Stromnetzes mit sich bringt.“

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„Direktvermarktung“ bei Großanlagen

Die großen PV-Anlagen seien hierbei nicht das Problem, da diese sich bereits in der sogenannten „Direktvermarktung“ befinden. Das bedeutet, sie „spüren“ die aktuellen Marktpreise und reagieren auf die Preissignale.

„Wenn Strom im Überfluss vorhanden ist, sinken die Preise auf null oder sogar ins Minus. Dann werden direkt vermarktete Anlagen von ihrem Betreiber abgeregelt“, so die Bundesnetzagentur.

Ab 2014 war diese Vorgehensweise für Anlagen ab 400 kW Pflicht. Schon bald sank aber diese Grenze und liegt aktuell bei 100 kW. Das sind etwa Freilandanlagen oder Anlagen auf großen Industriedächern mit rund 300 Solarmodulen oder mehr.

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Belastung durch kleine Anlagen

Besonders die kleinen Solaranlagen betrachtet die Bundesnetzagentur kritisch, also solche auf Einfamilienhäusern oder Balkonkraftwerke. Diese erzeugen „unabhängig vom aktuellen Bedarf Strom aus der solaren Strahlungsenergie. Die Betreiber dieser Anlagen reagieren nicht auf Preissignale, sondern übergeben den nicht selbst verbrauchten Strom dem Anschlussnetzbetreiber, der sich um die Vermarktung des Stroms kümmern muss.“

Sprich: Sie schieben auch dann ihren erzeugten Solarstrom ins öffentliche Netz, wenn schon zu viel davon vorhanden ist. Die Energiebehörde schlussfolgert daraus:

Dies kann die Systemstabilität an sonnenstarken Tagen mit geringem Stromverbrauch erheblich belasten.“

Und es wird eher noch schlimmer: „Mit fortschreitendem Zubau kleiner PV-Anlagen steigt auch die Strommenge an, die ohne Preisreaktion ins Netz fließt. Dadurch nimmt das Stabilitätsproblem tendenziell weiter zu“, schreibt die Bundesnetzagentur.

Das große Problem ist die fehlende Abregelbarkeit der Kleinanlagen. „Von den gut 100 GW installierter Leistung können demnach aktuell rund 50 GW aus verschiedenen Gründen nicht vom Netzbetreiber ferngesteuert werden“, so die Behörde. Allerdings speisen die Anlagen nie diese installierte Maximalleistung ein, da manche verschattet, nicht nach Süden ausgerichtet oder verschmutzt sind. Die Bundesnetzagentur schätzt, dass kleine, nicht fernsteuerbare Anlagen an einem sonnenreichen Tag über Deutschland eine Leistung von maximal 39 GW erreichen.

Ostersonntag als Paradebeispiel

Als „anschauliches Beispiel“ nennt die Behörde den Stromüberschuss am Ostersonntag 2025. Der Verbrauch ist an den Osterfeiertagen niedriger als an normalen Wochenenden, was die Differenz zwischen Erzeugung und Verbrauch vergrößert. „Zwischen 12 und 15 Uhr wurde die sogenannte Netzlast (inklusive Pumpspeicher) – also der gesamte aus dem Stromnetz bezogene Stromverbrauch in Deutschland – fast vollständig durch erneuerbaren Strom gedeckt.“

Deutsche Stromproduktion in KW 16 mit dem Ostersonntag (r.) mit teils deutlichen Solarspitzen (gelbe Bereiche) über der Last (schwarze Linie).
Foto: Bildschirmfoto/energy-charts.info/Fraunhofer ISE

Das klingt zunächst nach einer guten Nachricht für Befürworter der Energiewende. Doch es gibt hier ein Problem: „Da zusätzlich konventionelle Kraftwerke einspeisten, lag die Gesamterzeugung insgesamt mehr als 8 GW über der deutschen Netzentnahme.“

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Die konventionellen, meist fossilen Kraftwerke können jedoch nicht ganz auf null herunterfahren. Die Bundesnetzagentur erklärt, warum das so ist und erwähnt hierzu unter anderem die sogenannte Mindesterzeugung.

„Die Mindesterzeugung […] wird für bestimmte Systemdienstleistungen im Stromnetz benötigt und kann nicht reduziert werden.“ Sie wird benötigt, „um auf ungeplante Zwischenfälle im Stromnetz reagieren zu können“. Die Behörde sagt klar: „Auf diese Mindesterzeugung kann und darf nicht verzichtet werden.“

Hierbei ist zu erwähnen, dass am Ostersonntag teils bewölktes Wetter war. Bei wolkenfreiem Himmel über Deutschland wäre die Belastung für die deutschen Stromnetze weitaus höher gewesen. Das nächste kritische Datum mit einem solchen Szenario durch zu viel Sonnenstrom prognostizieren selbst führende Solarunternehmen für Pfingsten.

Die Überproduktion von 8 GW an Ostern „wurde über den Stromhandel physikalisch in die Nachbarländer exportiert“, so die Bundesnetzagentur.

Frequenzschwankungen möglich?

In großer Schrift steht mitten im Bericht:

Eine ungesteuerte Einspeisung von Solarstrom [kann] zu Frequenzschwankungen [führen].“

Auf lokaler Ebene gelte dies besonders für „Regionen mit hoher Sonneneinstrahlung, einer großen PV-Anlagendichte und gleichzeitig niedriger Lastdichte“. Dort „kann es vorkommen, dass die regionalen Stromnetze an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.“ Problematisch sei hier der Abtransport des erzeugten Solarstroms, da die Netze für solche hohen Ströme noch nicht überall entsprechend ausgebaut sind.

„Ein Ungleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch würde die Netzfrequenz aus dem Takt bringen“, so die Bundesnetzagentur. „Diese muss stabil bei 50 Hertz gehalten werden. Bei einer zu hohen Einspeisung von Strom ins Netz ohne entsprechenden Verbrauch würde die Netzfrequenz über diesen Sollwert ansteigen. Das Stromnetz ist jedoch auf eine sehr stabile Frequenz angewiesen – schon geringe Abweichungen können gravierende Folgen haben.“

Weiter schreibt die Behörde: „Bereits bei einer Steigerung der Netzfrequenz auf 50,2 Hz springen in ganz Europa die Alarmpläne an. Oberhalb dieser Frequenz würden auch die meisten PV-Anlagen ihre Erzeugung automatisch schrittweise drosseln – für einen stabilen Netzbetrieb ist das hochriskant.“ Es droht der Zusammenbruch des Stromsystems, also ein großflächiger Stromausfall oder der Blackout.

Solche Frequenzschwankungen gab es in den Stunden vor dem Stromausfall in Spanien Ende April. Laut dem spanischen Betreiber sei dieser „sehr wahrscheinlich“ aufgrund von zu viel „Solarstrom“ zustande gekommen.

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Möglichkeiten der Netzbetreiber

Um einen großen Stromausfall zu vermeiden, haben die Netzbetreiber „viele technische Möglichkeiten“. Laut der deutschen Energiebehörde können sie bei Leitungsüberlastungen die sogenannten Redispatch-Maßnahmen durchführen. Bei zu viel Strom in den Netzen können sie einerseits die Einspeisung von Wind oder PV-Strom reduzieren. „Die Betreiber der betroffenen Anlagen erhalten für die Eingriffe einen [finanziellen] Ausgleich, der sie so stellt, als hätte der Eingriff nicht stattgefunden.“

Es gilt: „Die Netzbetreiber dürfen und müssen, wenn sich ein solches Stabilitätsproblem abzeichnet, alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Netzfrequenz stabil zu halten.“

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Als weitere Option neben Abschaltungen von Erzeugern, so die Bundesnetzagentur, könnten die Übertragungsnetzbetreiber auch die sogenannte Regelenergie nutzen. „Als Regelenergie bezeichnet man die Energie, die ein Netzbetreiber benötigt, um unvorhergesehene Frequenzschwankungen in seinem Stromnetz auszugleichen. Die Regelenergie steht aber für unvorhergesehene Situationen bereit und soll nicht für das vorhersehbare Problem der Stromspitzen verwendet werden.“

Noch bevor es überhaupt zu einem Systemungleichgewicht kommt, müsse aber als „wichtigstes Instrument“ der Strommarkt funktionieren. „Wenn eine starke Solarstrahlung auf eine geringe Nachfrage trifft, dann sinkt der Strompreis auf den Strommärkten auf null oder er wird sogar negativ. Bei negativen Preisen zahlt der Stromerzeuger dem Verbraucher Geld dafür, dass er Strom verbraucht.“ Die Stromerzeuger müssten dann aber auch auf diese Preissignale flexibel und zeitnah reagieren.

Das Ausland wirke bei solch einem Szenario marktstabilisierend. Die Behörde stellt fest: „Ohne die Nachfrage im Ausland würde der Preis in Deutschland noch weiter ins Minus sinken.“

Die Bundesnetzagentur begrüßt zudem das kürzlich in Kraft getretene Solarspitzengesetz. Mit verschiedenen Maßnahmen soll es künftig eine Überproduktion von Solarstrom vermeiden.



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