Spahns Atomschutzschirmforderung: Die Bundesregierung reagiert zurückhaltend

Unionsfraktionschef Spahn schiebt eine Debatte zu Atomwaffen an. „Europa muss abschreckungsfähig werden“, sonst wird man „zum Spielball der Weltpolitik“. Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend.
Jens Spahn: «Wir wollen eine bürgerliche Politik.»
Jens Spahn denkt über die Sicherheit Deutschlands und Europas nach.Foto: Michael Kappeler/dpa
Epoch Times30. Juni 2025

Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hat sich für den unmittelbaren Zugriff Deutschlands auf Atomwaffen ausgesprochen. „Die russische Aggression ist eine ganz neue Bedrohungslage“, sagte Spahn der „Welt am Sonntag“. In Deutschland stationierte US-Atombomben reichten da zur Abschreckung nicht mehr aus.

Spahn: „Wer Schutz will, muss ihn auch finanzieren“

„Europa muss abschreckungsfähig werden“, führte Spahn aus. „Wir müssen über eine deutsche oder europäische Teilhabe am Atomwaffenarsenal Frankreichs und Großbritanniens reden, möglicherweise auch über eine eigene Teilhabe mit anderen europäischen Staaten.“ Das werde viel Geld kosten, „aber wer Schutz will, muss ihn eben auch finanzieren“.

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Er sei sich der Vorbehalte in Deutschland, Atommacht zu werden, bewusst, sagte der CDU-Politiker weiter. „Ich weiß, welche Abwehrreflexe sich jetzt sofort regen, aber ja: Wir sollten eine Debatte über einen eigenständigen europäischen nuklearen Schutzschirm führen.“

Und dies funktioniere „nur mit deutscher Führung“. Spahn fügte hinzu: „Wer nicht nuklear abschrecken kann, wird zum Spielball der Weltpolitik.“

Es sei nicht davon auszugehen, dass eine Atommacht wie Frankreich anderen Bündnispartnern finalen Zugriff auf französische Nuklearwaffen gewähren werde, sagte Spahn.

„Aber für eine europäische Atommacht gäbe es mehrere Ideen, auch wenn manche erstmal verkopft und theoretisch klingen.“

Als Beispiel nannte er, „dass die Zuständigkeit zwischen den Mitgliedstaaten nach dem Zufallsprinzip rotiert – dann bleibt auch ein potenzieller Gegner im Ungewissen“.

Bundesregierung: Die NATO gewährleistet derzeit diesen Schutz

Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend. „Die Bundesregierung hat stets betont, dass sie den nuklearen Schutz für unabdingbar hält“, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius. Das sei auch Teil aller Grundsatzvereinbarungen in der Koalition.

„Der nukleare Schutz wird momentan durch die NATO gewährleistet.“

Kornelius verwies auch auf Äußerungen des Bundeskanzlers über die Angebote Frankreichs, über eine nukleare Zusammenarbeit Gespräche aufzunehmen. „Darüber hinausgehend gibt es keine weitere Entwicklung.“ Die Äußerungen von Spahn stünden für sich.

Die Bundesregierung strebe keine Atomwaffen an, so der Regierungssprecher. „Es geht um den europäischen Schutzschirm und dessen Verfügbarkeit, aber das sind hypothetische Diskussionen.“

Was sagen SPD und Linke, Grüne und FDP ?

SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich warf Spahn vor, mit dem Feuer zu spielen, „wenn er europäische, möglicherweise sogar deutsche Atomwaffen fordert“. Die Vorstellung sei „geradezu Ausdruck eines abenteuerlichen, wichtigtuerischen Denkens“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.

Die SPD bekenne sich klar zum Ziel der Nichtverbreitung von Kernwaffen, führte Mützenich aus. „Wenn eine verantwortliche Weltpolitik an den Besitz von Atomwaffen geknüpft ist, wie Spahn behauptet, wird die internationale Ordnung endgültig zu einem Dschungel, in dem sich nur die Mächtigsten und bis an die Zähne bewaffneten Staaten behaupten könnten.“

Juso-Vorsitzender Philipp Türmer reagierte ebenfalls mit Kritik: „Ich schlage vor, dass die Bundesregierung eine Führungsrolle bei der Aufklärung der Masken-Deals einnimmt und sich im Übrigen an die Verpflichtungen aus dem internationalen Atomwaffensperrvertrag hält“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Er vermutet ein Kalkül hinter dem Zeitpunkt der Äußerungen des CDU-Politikers. „Jens Spahn produziert aktuell doch vor allem Schlagzeilen, um von den eigenen Skandalen abzulenken.“

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Ähnliche Äußerungen kamen aus der Opposition: „Dieser Vorschlag ist Teil eines groß angelegten Ablenkungsmanövers, damit die Bevölkerung sich nicht mit weiteren Details zu Spahns Maskenaffäre beschäftigt, die den Steuerzahler noch viele Milliarden Euro kosten wird“, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Sara Nanni, dem „Tagesspiegel“. Spahn gehe es nicht um eine ernsthafte Debatte, sondern nur um seine eigene politische Zukunft. „Jens Spahn macht Selbstverteidigungspolitik und nicht Verteidigungspolitik.“

Der Linken-Abgeordnete Sören Pellmann erklärte, Spahns Vorstellung eines europäischen Atomschutzschirms unter deutscher Führung „grenzt an den bekannten Größenwahn in der deutschen Geschichte“. „An solch unseligen Forderungen ist schon der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gescheitert.“

AfD und FDP unterstützen Vorstoß

Europa sei auf die NATO-Teilhabe und den US-Schirm angewiesen, räumte dagegen Marie-Agnes Strack-Zimmermann ein. Die FDP-Politikerin ist Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im EU-Parlament und warnte:

„Frankreichs eigene Atomstreitkräfte reichen nicht aus, zumal sie keine taktischen Nuklearwaffen haben, um alleinige Sicherheit zu gewährleisten.“

Doch auch die Liberale sagte, dass sich Spahns Vorschläge nicht so einfach umsetzen lassen. „Ein eigener europäischer Schutzschirm wäre nur als Teil eines gemeinsamen, institutionellen Ansatzes denkbar – und würde große sicherheitspolitische und strukturelle Herausforderungen mit sich bringen.“

Für seine Forderung erhält Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) auch Unterstützung von der AfD. „Das Leitmotiv der AfD-Politik ist ein souveränes, also möglichst unabhängiges, Deutschland“, sagte Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, der „Welt“.

Nukleare Abschreckung sei ein wesentlicher Bestandteil, um die Erpressbarkeit von Staaten zu reduzieren. Die nukleare Teilhabe an US-Atomwaffen stehe infrage, die Beteiligung an französischen oder britischen werde es nicht geben. „Ein deutsches Atomwaffenprogramm ist daher die logische Konsequenz.“

Deutschland hat US-Atomwaffen in Rheinland-Pfalz

Die deutsche Bundeswehr verfügt nicht über eigene Atomwaffen. Einige Atomwaffen sind in Deutschland unter US-Hoheit gelagert – und zwar im Bundeswehrfliegerhorst bei Büchel in Rheinland-Pfalz. Die Bundeswehr könnte im Ernstfall für den Einsatz dieser Vernichtungswaffen herangezogen werden.

Grundlage ist das Konzept der „nuklearen Teilhabe“ in der NATO. Es besagt, dass einige NATO-Mitglieder im Kriegsfall mit ihren Flugzeugen Atombomben des großen Bündnispartners USA abwerfen.

„Nukleare Teilhabe“ ist ein NATO-Konzept aus den 1950er Jahren. Damals, im Kalten Krieg, richtete es sich vor allem gegen die Sowjetunion. Mit dem Konzept demonstrierten die USA ihre Bereitschaft, ihre atomar nicht bewaffneten NATO-Partner in Europa mit den eigenen Atomwaffen zu schützen. (afp/red)



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