SPD Berlin legt Vergesellschaftungsgesetz vor – Wegner warnt: „Enteignungsdebatte schadet Berlin“

Vor fast vier Jahren hatte Berlin zeitgleich mit den Bundestags- und den Abgeordnetenhauswahlen den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ abgehalten. Damals hatten sich 57,6 Prozent für diese Vorlage ausgesprochen – und auch das erforderliche Quorum wurde erreicht. Zuvor hatte der Stadtstaat in den 1990er- und 2000er-Jahren einen erheblichen Teil seines kommunalen Wohnungsbestandes an private Investoren verkauft. Von rund 590.000 Wohnungen im Jahr 1990 schrumpfte dieser auf etwa 270.000 im Jahr 2010.
Obwohl das Votum nicht rechtsverbindlich ist, will die SPD in der Hauptstadt nun eine gesetzliche Grundlage für dessen Umsetzung schaffen. Dabei soll es nach dem Willen des Juniorpartners im Kabinett unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nicht nur bei der Wohnungsgesellschaft bleiben. Vielmehr schwebt der SPD in der Bundeshauptstadt vor, ein umfassendes „Vergesellschaftungsgesetz“ zu beschließen. Einen Entwurf dazu hat sie jüngst vorgelegt.
SPD hat Entwurf für Vergesellschaftungsgesetz ausgearbeitet
Im Juni hatten sich die Koalitionspartner darauf geeinigt, bis Ende des Jahres ein „Vergesellschaftungsrahmengesetz“ vorzulegen. Ein solches war auch bereits im Koalitionsvertrag angesprochen worden. Der Verband Die Familienunternehmer hatte in diesem Kontext vor einem „gefährlich dehnbaren Kriterienkatalog“ gesprochen, der „massive Rechtsunsicherheit schafft“.
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Anfang des Monats versicherten die Fraktionschefs Dirk Stettner (CDU) und Raed Saleh (SPD), es solle lediglich um einen gesetzlichen Rahmen gehen. Dass damit konkrete Pläne zu einer Enteignung verbunden wären, stellten beide in Abrede. Vielmehr gehe es um Eingriffsmöglichkeiten für den Staat gegen „offensichtliche, manipulative Fehlentwicklungen“.
Schon im Umfeld der Verkündung der Verständigung gingen die Vorstellungen über einen konkreten Anwendungsbereich auseinander. Während Saleh einen gesetzlichen Mietendeckel als Paradebeispiel für eine Maßnahme auf der Grundlage des geplanten Gesetzes nannte, erklärte Stettner, einen solchen würde die CDU nicht mittragen.
Gesetz soll „Instrumentenkasten“ für die Politik bieten
Der SPD-Fraktionschef betonte, das Gesetz solle vorwiegend einen regulierenden Charakter haben und einen „Instrumentenkasten“ für die Politik schaffen. Um dem Bundesverfassungsgericht eine Möglichkeit zu geben, das Vorhaben zu bewerten, soll das Gesetz erst zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft treten.
Wie „Bild“ berichtete, hat die SPD auch schon einen fertigen Entwurf für ein „Vergesellschaftungsgesetz“ gestaltet. Dieses soll nicht nur für Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen gelten, wie es das ursprüngliche „Deutsche Wohnen“-Volksbegehren gefordert hatte, vielmehr soll es generell um „Produktionsmittel natürlicher oder juristischer Personen“ gehen, die „im Land Berlin Waren und Güter herstellen oder Dienstleistungen anbieten“.
Diese sollen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen „in Gemeineigentum übergeführt“ werden können. Zudem sollen auch Grund und Boden sowie Naturschätze auf der Grundlage des Gesetzesvorhabens „vergesellschaftet“ werden können. Ziel soll die Gewährleistung einer „unmittelbaren Deckung eines öffentlichen Bedarfs der Daseinsvorsorge ohne Gewinnabsicht“ sein. Dazu zählen die „Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum“ und die „Grundversorgung mit Energie, Wasser und Wärme“.
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Entwurf sieht Einschränkungen für Privateigentümer ohne automatische Entschädigung vor
Offenbar soll auch nicht der formale Übergang von Eigentum an die öffentliche Hand im Vordergrund des Vorhabens stehen. Die privaten Betreiber sollen dem Entwurf zufolge grundsätzlich das Eigentum an ihren Unternehmen behalten. Das Vergesellschaftungsgesetz soll jedoch die Politik dazu ermächtigen, diesen mehr oder minder engmaschige Vorgaben über dessen Gebrauch zu machen.
Von der Begrenzung von Gewinnen über Verpflichtungen zur Reinvestition bis zu „sozialverträglichen“ Vorschriften über Preisgestaltung oder Nutzung soll der Gesetzgeber weitreichende Eingriffsmöglichkeiten haben. Auch soll es keinen Automatismus bezüglich einer bestimmten Form der Entschädigung geben.
Eine Entschädigung könne „in Geld oder in anderen Werten erfolgen“. Allerdings sei deren Höhe „niedriger zu bestimmen als der Verkehrswert“. Um das Gesetz zu administrieren, soll nach dem Willen der Berliner SPD eine „Vergesellschaftungsbehörde“ entstehen. Diese soll nach den Vorgaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (bezüglich Grund und Bodens) sowie der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe (bezüglich „Produktionsmittel“) agieren.
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Kritiker warnen Berlins SPD vor Entwicklung wie in Venezuela
Die SPD hält das von ihr angestrebte Gesetz lediglich für die Umsetzung des in Artikel 15 Grundgesetz normierten Gesetzesvorbehalts bei der „Sozialisierung“. Dieses bezieht sich auf „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel“. Bezüglich der Entschädigung verweist die Bestimmung auf Artikel 14. Dort heißt es, diese sei unter „gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“ vorzunehmen.
Eine vom Berliner Senat vor dem Hintergrund des Volksentscheides eingesetzte Kommission kam 2023 zu dem Schluss, dass dieses Vorgehen rechtlich möglich wäre. Um der Verfassung zu genügen, sollen jedoch bestimmte Voraussetzungen wie Gemeinwohlbezug, Gesetzesform und angemessene Entschädigung Beachtung finden.
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Ob auch sachlich so weitreichende Bestimmungen und niedrige Entschädigungen angemessen sind, wird voraussichtlich das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden haben.
Der Buchautor Rainer Zitelmann hat vor zwei Jahren im Kontext der Enteignungsambitionen des Berliner Senats vor möglichen Entwicklungen wie in Venezuela gewarnt.
Auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner erklärte kürzlich, er wolle eine „starke Wirtschaft“ und die Enteignungsdebatte schade der Stadt. Mit ihm werde es „keine Enteignungen geben“.
Ich will eine starke Wirtschaft. Die Enteignungsdebatte schadet Berlin. Sie verunsichert Investoren, untergräbt Vertrauen in den Standort und gefährdet Arbeitsplätze. Mit mir wird es keine Enteignungen geben.
— Kai Wegner (@kaiwegner) July 19, 2025
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