„Stärkste Armee Europas“: Wie Merz‘ Bundeswehrvision scheitern könnte

Zur „stärksten Armee Europas“ will Bundeskanzler Friedrich Merz die deutsche Bundeswehr ausbauen – zumindest, was die konventionelle Bewaffnung anbelangt. Dies kündigte er in seiner ersten Regierungserklärung an. Derzeit ist man sowohl im Bereich der Personalstärke als auch bei der Bewaffnung weit von Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Polen entfernt. Und auch der Bundesrechnungshof sieht einige erhebliche Hürden zu überwinden, um dieses Ziel zu erreichen.
Bundesrechnungshof warnt vor Blankoscheck-Mentalität
Der Präsident der Kontrolleinrichtung, Kay Scheller, stellt die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der Bundeswehr für die Landes- und Bündnisverteidigung nicht infrage. Allerdings äußert er am Rande der Veröffentlichung eines Sonderberichts, dass in dieser „noch weitreichende Veränderungen in der Organisation und beim Personal nötig“ seien.
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Die Aufhebung der Schuldenbremse zur Finanzierung aufrüstungsbezogener Vorhaben, sobald diese 1 Prozent des BIP übersteigen, schaffe größere Möglichkeiten dazu. Allerdings mahnt der Bundesrechnungshof auch davor, die Lockerung der Schuldenbremse als Blankoscheck für eine unkontrollierte Ausgabenpolitik zu verstehen.
Es dürfe „aus dem sicherheits- und verteidigungspolitisch begründeten ‚Whatever it takes!‘ nicht ‚Geld spielt keine Rolle!‘ werden“, äußerte Scheller in einer Erklärung. Die Bundeswehr sei umso mehr „in der Pflicht, verantwortungsvoll mit dem Geld umzugehen und die Wirkung der Verteidigungsausgaben spürbar zu erhöhen“. Es müsse eine sehr klare Unterscheidung zwischen bloß wichtigen und tatsächlich speziell verteidigungswichtigen Vorhaben erfolgen.
Weitreichende Reformabsichten im Koalitionsvertrag „nicht zu erkennen“
Scheller mahnt die Entscheidungsträger dazu, Aufgaben zu priorisieren und Geld zielgerichtet und wirtschaftlich zu verwenden. Das bedeute eine gezielte Konzentration auf eine Steigerung tatsächlicher Verteidigungsausgaben und deren Verwendung für Aufgaben in Rüstung, Infrastruktur und Betrieb. Dies stehe auch im Koalitionsvertrag. Allerdings, so merkt der Präsident des Bundesrechnungshofs an:
„Weitreichende Reformabsichten und konkretere Aussagen zu den Bereichen Organisation und Personal lässt das politische Programm hingegen nicht erkennen.“
Durch die Änderung der Schuldenregel entstünden „dauerhafte und unbegrenzte Verschuldungsmöglichkeiten“, heißt es im Bericht weiter. Der Bundesrechnungshof unterstreicht, dass „die sicherheits- und verteidigungspolitischen Kern- und Daueraufgaben grundsätzlich aus den laufenden Einnahmen und nicht über Schulden finanziert werden sollten“.
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Darauf habe man, so der Bundesrechnungshof, auch bereits während des Gesetzgebungsverfahrens hingewiesen. Auch jetzt mahnt Präsident Scheller, dass die Bundesregierung von den zusätzlichen Schuldenermächtigungen nicht in unkontrollierter Weise Gebrauch machen solle.
Bundesrechnungshof warnt vor Preisexplosion im Verteidigungssektor
Von der Bereitschaft zur Ausgabendisziplin hänge auch die dauerhafte und solide Finanzierung der Verteidigungsfähigkeit des Landes ab. Diese sei „durch einen erheblich schuldenfinanzierten und damit strukturell nicht tragfähigen Haushalt nicht garantiert“. Die tatsächlichen Verschuldungsmöglichkeiten seien abhängig von der Fähigkeit, die damit verbundenen Zinsbelastungen zu bewältigen.
Der Bundesrechnungshof warnt auch vor dem Risiko einer möglicherweise negativen Preisentwicklung im Verteidigungsbereich infolge der umfassenden Verschuldungsmöglichkeiten. Aufgrund der erhöhten Nachfrage und der Aussicht auf „nahezu unbegrenzt verfügbare finanzielle Mittel“ könnten falsche Anreize entstehen. Insbesondere könne sich die Industrie veranlasst fühlen, „für gleichbleibende Leistungen nunmehr höhere Preise zu verlangen“.
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Der Bundesrechnungshof rät außerdem dringend dazu, den entsprechenden Einzelplan nicht um „verteidigungsfremde“ Ausgaben zu erweitern. So liege, wie der Bericht illustrativ hinzufügt, „der Hauptzweck einer Autobahnbrücke, auch wenn über sie Militärtransporte rollen können, nicht in der Verteidigungsfähigkeit“.
Scheller zweifelt am Willen zu wirtschaftlichem Vorgehen im Ministerium
Der Bundesrechnungshof deutet zudem an, dass er die Merz-Ambitionen bereits durch die Ergebnisse bisheriger Prüfungsergebnisse infrage gestellt sieht. Diese legten nicht den Eindruck nahe, dass Ministerium und Bundeswehr ohne Weiteres in der Lage seien, ihre finanziellen Mittel zielgerichtet und wirtschaftlich zu verwenden.
Im Bericht werden bereits zu einem früheren Zeitpunkt veröffentlichte Beispiele angesprochen, die den entsprechenden Argwohn verstärkten. Diese reichten „von missglückten Beschaffungs- und Digitalisierungsvorhaben über Managementfehler bis zu vermeidbaren Mehrausgaben in Millionenhöhe für ungenutzte Softwarelizenzen“.
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Der Bundesrechnungshof spricht einen Erfahrungswert an. Dieser laute:
„Wenn einer Organisation in kurzer Zeit deutlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, steigt das Risiko für unwirtschaftliches Handeln.“
Dies gelte für den Aufwuchs an finanziellen Mitteln für die Bundeswehr aufgrund der geänderten Schuldenregel und das Sondervermögen gleichermaßen. Die Vorgabe des Ministeriums, wonach „der Faktor Zeit nun oberste Priorität für das Beschaffungswesen“ habe, verstärke die Befürchtungen.
„Wenig Truppe, viel Apparat“
Bereits bislang musste der Bundesrechnungshof konstatieren, dass das bestehende Sondervermögen nicht immer sachgerecht verwendet worden sei. So habe man bei Ausrüstungsvorhaben „vereinzelt Stückzahlen, die über dem Bedarf lagen“, geordert.
Bei einem komplexen Ausrüstungsvorhaben habe das Ministerium vorzeitig Teilleistungen finanziert. Ob sich deren Ergebnisse beim Ausrüstungsvorhaben überhaupt integrieren ließen, sei „bis heute ebenso offen wie die Finanzierung der Integration“.
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Der Bundesrechnungshof empfiehlt zum einen eine „konsequente Aufgabenkritik“. Zudem solle sich die Bundeswehr von Aufgaben lösen, die „dem Kernauftrag nicht dienen“. Außerdem müsse man „freiwerdende Kapazitäten in den Streitkräften und in der Bundeswehrverwaltung für verteidigungswichtige Aufgaben nutzen“. Bis dato sei in der Bundeswehr wenig Truppe gegenüber einem immensen Verwaltungsapparat zu beobachten.
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