Zum 9. November: Steinmeier ruft zur Verteidigung der Demokratie auf

Anlässlich des 9. November hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Verteidigung der Demokratie in Deutschland aufgerufen. Bedroht seien Demokratie und Freiheit, sagte Steinmeier am Sonntag in Berlin. ER appellierte an Politik und Zivilgesellschaft, sich dagegen zu wehren.
Titelbild
Frank-Walter Steinmeier am 09.07.2025.Foto: via dts Nachrichtenagentur
Epoch Times9. November 2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnte bei einer Matinee zum 9. November in Schloss Bellevue vor den Gefahren für die Demokratie.

„107 Jahre nach dem 9. November 1918, der Ausrufung der ersten deutschen Republik, steht unsere liberale Demokratie unter Druck“, sagte er am Sonntag. Populisten und Extremisten verhöhnten die demokratischen Institutionen, vergifteten die Debatten und betrieben das Geschäft mit der Angst.

„Das Tabu, sich offen zu solcher Radikalität zu bekennen, gilt für viele Menschen nicht mehr. Das Drehbuch der Antidemokraten, so scheint es uns manchmal, geht mühelos auf.“ Die Frage sei, was man dem entgegenzusetzen habe.

Der 9. November steht für drei einschneidende Ereignisse in der deutschen Geschichte: 1918 rief in Berlin Philipp Scheidemann die Republik aus, 1938 setzten die Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht Synagogen und andere jüdische Einrichtungen in Brand und drangsalierten und ermordeten Jüdinnen und Juden, 1989 fiel die Mauer in Berlin.

Schauspieler Jens Harzer (2.l.) und seine Frau, die deutsche Schauspielerin Marina Galic (l.), auf der Bühne während der Feierlichkeiten im Schloss Bellevue des deutschen Bundespräsidenten in Berlin am 9. November 2025. Foto: Maryam Majd/POOL/AFP via Getty Images

Steinmeier: „Juden haben Angst, sich offen zu zeigen“

Zudem verwies das Staatsoberhaupt 87 Jahre nach den Pogromen des 9. November 1938 auf den Antisemitismus, der immer dagewesen sei.

„Aber sprunghaft angestiegen ist er seit dem 7. Oktober 2023 auch bei uns in Deutschland.“ Er komme von rechts, von links und aus der Mitte, es gebe ihn unter muslimischen Einwanderern. „Juden haben Angst, sich offen zu zeigen; jüdische Eltern bringen ihre Kinder mit mulmigem Gefühl zur Schule; jüdische Studierende werden angefeindet; Männer mit Kippa werden am helllichten Tag gewaltsam angegriffen“, so Steinmeier.

Und 36 Jahre nach dem 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, spüre man darüber hinaus, wie die Fremdheit zwischen Ost- und Westdeutschen wieder wachse und die Erinnerung an die Kraft der Friedlichen Revolution verblasse.

„Es fällt uns nicht leicht, dauerhaft Stärke und Ermutigung aus diesen glücklichen Stunden zu ziehen“, so der Bundespräsident. „Dabei lehrt uns dieser 9. November doch vor allem das: Dass wir unser Schicksal in den eigenen Händen halten, wenn wir Angst in Zuversicht verwandeln, wenn sich genug Menschen zusammentun, und dass wir die Dinge gemeinsam zum Besseren wenden können.“

„Mischen Sie sich ein“ – in die Demokratie

Steinmeier hob die Bedeutung der aktiven Teilnahme der Bürger an der Demokratie hervor. Er forderte dazu auf, sich einzumischen und die Demokratie zu stärken. „Die Selbstbehauptung der Demokratie: Das ist die Aufgabe unserer Zeit. Es ist eine große Aufgabe. Die kann uns nur gemeinsam gelingen.“

Es gebe viele, die schweigen und abwarten, fügte er hinzu. „Ihnen möchte ich sagen: Mischen Sie sich ein.“ Man brauche aktive Demokraten, „die den Mund aufmachen, im Parlament, beim Fußball, am Stammtisch, in der Schule, an der Bushaltestelle und am Arbeitsplatz“.

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„Nie in der Geschichte unseres wiedervereinten Landes waren Demokratie und Freiheit so angegriffen“, sagte Steinmeier laut vorab veröffentlichtem Redetext. Diese seien aktuell vor allem bedroht „durch rechtsextreme Kräfte, die unsere Demokratie angreifen und an Zustimmung in der Bevölkerung gewinnen“.

Steinmeier appellierte an Politik und Zivilgesellschaft, sich dagegen zu wehren. „Einfach abzuwarten, dass der Sturm vorbeizieht und solange in sichere Deckung zu gehen, das reicht nicht“, sagte der Bundespräsident bei einer Veranstaltung im Schloss Bellevue, mit der an die historischen Ereignisse von 1918, 1938 und 1989 erinnert wurde. „Wir müssen handeln. Wir können handeln!“

„Die Rechtsextremen locken mit dem süßen Gift der Wut, ‚die da oben‘ sind der vermeintliche Gegner“, sagt Steinmeier weiter. Sie lockten „mit dem Versprechen autoritärer Führung“ und damit, dass Deutschland „wieder groß sein“ solle. Dem hätten Demokraten „so viel entgegenzusetzen. Wir haben das Recht. Die Freiheit. Die Menschlichkeit. Das Wissen, wohin der Hass führt“, betonte Steinmeier.

AfD-Verbot keine „alles entscheidende Frage“

Zugleich ging das Staatsoberhaupt auch auf die Debatte über ein mögliches Verbot der AfD ein. „Ein Parteienverbot ist die Ultima Ratio der wehrhaften Demokratie“, so Steinmeier. „Doch ich warne davor, zu glauben, es sei die alles entscheidende Frage.“

Wann – und ob – dieses Mittel angemessen sei, ob es irgendwann sogar unausweichlich sei, diese politische Debatte müsse geführt werden, und sie werde geführt. „Ob die Voraussetzungen vorliegen, das muss geprüft und abgewogen werden.“

Auf keinen Fall dürfe man aber tatenlos sein, bis diese Fragen geklärt seien. „Entscheidend ist doch: Wie gehen die Kräfte der politischen Mitte jetzt mit Demokratieverächtern und Extremisten um? Wie überzeugend ist die eigene politische Erzählung der Mitte? Wie fest stehen die demokratischen Parteien?“, sagte Steinmeier. (dts/afp/red)



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