Steuerschätzung: Mehr Einnahmen bis 2029 als erwartet – kaum Entlastung für Bundeshaushalt

Die Einnahmen steigen, zumindest bei Länder und Kommunen. Insgesamt wird mit 33 Milliarden Euro Steuern mehr gerechnet als zuvor. Finanzminister Klingbeil spricht von einer „deutlichen wachstumsbedingten Mehreinnahme“.
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Finanzminister Lars Klingbeil am 23.10.2025.Foto: via dts Nachrichtenagentur
Epoch Times23. Oktober 2025

Die Steuereinnahmen in Deutschland steigen in den kommenden Jahren etwas stärker als bisher erwartet. Bis 2029 geht die am Donnerstag veröffentlichte Herbst-Steuerschätzung gegenüber der Schätzung aus dem Frühjahr mit Mehreinnahmen von 33,6 Milliarden Euro aus.

Von dieser Steigerung profitieren Länder und Kommunen – beim Bund halten sich wegen einiger Steuersenkungen Mehr- und Mindereinnahmen im Vergleich zur Frühjahrsschätzung die Waage.

Für das kommende Jahr erwarten die Steuerschätzer für den Gesamtstaat 10,6 Milliarden Euro mehr Einnahmen als noch im Mai. Bis einschließlich 2029 sollen 33,6 Milliarden mehr hereinkommen. Vor allem profitieren davon allerdings Länder und Kommunen. Der Bund kann für das kommende Jahr zwar noch mit 4,9 Milliarden Euro Zusatzeinnahmen rechnen.

Finanzminister sieht geringe Entlastung

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) sprach von einer „deutlichen wachstumsbedingten Mehreinnahme“ gegenüber der letzten Steuerschätzung vom Mai. Bund, Länder und Gemeinden „profitieren von einem besseren Wirtschaftswachstum“. Allerdings gebe es „überhaupt keinen Grund, sich zurückzulehnen“, fügte er hinzu.

„Angesichts der Haushaltslücke, die ab 2027 klafft, schafft uns diese wachstumsbedingte Mehreinnahme nur eine geringe Entlastung.“

Klingbeil rechnet für die Jahre 2027 bis 2029 mit einem Finanzloch von rund 172 Milliarden Euro für den Bund. In der Haushaltspolitik werde er seinen „klaren Konsolidierungskurs“ fortsetzen, sagte Klingbeil. „Es entstehen keine strukturellen Spielräume für den Bundeshaushalt.“ Zu den Konsolidierungsbemühungen müsse die gesamte Bundesregierung beitragen: „Es bleibt Aufgabe aller Kabinettskolleginnen und Kabinettskollegen, Vorschläge für Einsparungen vorzulegen.“

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Weil der Bund ganz überwiegend die Kosten des sogenannten „Wachstumsboosters“ trage, mit dem die Wirtschaft angekurbelt werden soll, profitiert er nach Angaben des Ministers wenig von zusätzlichen Steuereinnahmen. „Aber der Weg ist richtig, denn für mich bleibt entscheidend, Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern und die Jobs der Zukunft hier zu schaffen“, sagte Klingbeil.

SPD spricht von Erfolg

Die SPD sieht die Mehreinnahmen als Erfolg der Investitionspolitik der schwarz-roten Bundesregierung. „Das Ergebnis der Steuerschätzung ist sehr erfreulich, denn es zeigt: Die Maßnahmen der Koalition wirken“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Thorsten Rudolph, zu afp. „Der Investitionshaushalt, das Sondervermögen Infrastruktur und der Wachstumsbooster führen zu wirtschaftlichem Aufschwung in Deutschland.“

Rudolph verwies auf Löcher im Haushalt. „Die Mehreinnahmen verkleinern nur die erwarteten Haushaltslücken der nächsten Jahre. Es ergeben sich aber keine neuen finanziellen Spielräume“, sagt der SPD-Politiker.

Die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Frauke Heiligenstadt, nannte das Ergebnis der Steuerschätzung „ein positives Signal für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land“. Durch die „erfolgreiche Investitionspolitik“ der Regierung entstehe Wirtschaftswachstum, was Arbeitsplätze erhalte und neue schaffe. Sie betonte, dass die Finanzierungslücke im Haushalt aber „nicht durch Einsparungen im Sozialstaat“ geschlossen werden dürfe.

Was sagen Wirtschaft und Gewerkschaften?

Der Bundesverband der Deutschen Industrie forderte einen stärkeren Fokus auf wirtschaftliches Wachstum und verbesserte Wettbewerbsfähigkeit.

„Trotz der im Sommer beschlossenen Investitionsoffensive und des in weiten Teilen umgesetzten Sofortprogramms, kommt die Wirtschaftswende nicht in die Gänge“, erklärte Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. „Die Industrie sieht trotz der hohen Steuereinnahmen weiterhin erheblichen Konsolidierungsdruck für dem Bundeshaushalt.“

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks forderte eine anhaltende Haushaltskonsolidierung. „Die öffentlichen Ausgaben müssen weiter auf den Prüfstand“, forderte Generalsekretär Holger Schwannecke. „Angesichts des hohen Ausgabendrucks insbesondere im Sozialbereich bleibt keine Zeit zu verlieren.“ Wer auch auf längere Sicht mehr Steuereinnahmen wolle, müsse „dafür sorgen, dass Betriebe investieren und sich Leistung lohnt“.

Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbund sagte, die Steuereinnahmen reichten „weiterhin nicht aus, um die riesigen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft zu bewältigen“. Vermögende, Aktionäre und Topverdienende trügen „zu wenig zum Gemeinwesen bei“, kritisierte er.

Die Bundesregierung müsse die Reduzierung der Körperschaftsteuer zurücknehmen, die Vermögensteuer wieder einführen und die „Privilegien für reiche Unternehmenserben bei der Erbschaftsteuer“ streichen, forderte Körzell. „Das könnte zusätzlich rund 50 Milliarden Euro jährlich in die Staatskasse spülen.“

Die Prognose zur Einnahmeentwicklung wurde vom Arbeitskreis Steuerschätzung ausgearbeitet. Das Gremium schätzt jeweils im Mai und Oktober jedes Jahres die künftigen Steuereinnahmen für das laufende Jahr und die kommenden Jahre.

Die Prognosen sind dann Grundlage der Haushaltsplanung von Bund, Ländern und Kommunen. Dem Arbeitskreis gehören neben Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen noch weitere Experten aus Wirtschaftsinstituten und Behörden an. (afp/dts/red)



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