Streit um Infrastruktur: Deutsches LNG-Terminalschiff verliehen – Energiestandort Stade verwaist

Das ursprünglich für den Einsatz in Stade, Niedersachsen, gecharterte LNG-Terminal „Energos Force“ wird seinen Dienst bis auf Weiteres in Jordanien verrichten. Es handelt sich um eine sogenannte „Floating Storage and Regasification Unit“ (FSRU) – also ein Schiff, das LNG („Liquid Natural Gas“, etwa: flüssiges Erdgas) von Tankerschiffen aufnehmen, in einen gasförmigen Aggregatzustand umwandeln und an Land einspeisen kann.
Die bundeseigene Betreibergesellschaft Deutsche Energy Terminal GmbH (DET) mit Sitz in Düsseldorf hatte die von ihr gecharterte „Energos Force“ an das ägyptische Energieunternehmen Egyptian Natural Gas Holding Company (EGAS) untervermietet. Das bestätigten sowohl die DET als auch eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) auf Nachfrage der Epoch Times. Das Fachblatt „Energie & Management“ hatte als erstes Medium darüber berichtet.
Dauer der Ausleihe und finanzielle Modalitäten unklar
„Das BMWE und die DET sind aufgrund der strengen haushaltsrechtlichen Vorgaben und um einen finanziellen Schaden für die Bundesrepublik Deutschland abzuwenden, dazu verpflichtet, laufend Möglichkeiten zur Subvercharterung der Energos Force zu prüfen“, begründete das BMWE die Ausleihe. „Aktuell wurde ein erfolgreicher Vertrag mit EGAS Ägypten geschlossen, die FSRU wird von dort in Jordanien eingesetzt.“
Einzelheiten zum Vertrag werde man „wie üblich“ nicht mitteilen. Damit blieb die Frage unbeantwortet, wie lange das FSRU-Terminalschiff im Nahen Osten bleiben wird.
Auch ein Sprecher der DET wollte gegenüber der Epoch Times über Vertragsdetails wie die Einsatzdauer oder einen vereinbarten Rückkehrtermin der „Energos Force“ keine Angaben machen. Die Subvercharterung sei jedoch so gestaltet worden, „dass sie die gerade ebenfalls in Prüfung befindlichen Möglichkeiten für eine zeitnahe Fertigstellung sowie anschließende Inbetriebnahme des Standortes Stade nicht beeinträchtigen“. Die „Versorgungssicherheit für Deutschland und Europa“ stehe an erster Stelle, so der DET-Sprecher. Das weitere Vorgehen solle nun im Rahmen von Sondierungsgesprächen „geklärt“ werden, während die „Energos Force“ im Dienst der EGAS eingesetzt werde.
Schon Ende Juni hatte das „Stader Tageblatt“ berichtet, dass die „Energos Force“ auf dem Weg zur Meerenge von Gibraltar sei. Nach NDR-Angaben war sie im Januar vom Hafen in Stade zunächst an einen Anlegeplatz in der Deutschen Bucht, Mitte März weiter nach Skagen in Dänemark verlegt worden. Nach Informationen der „Kreiszeitung Wochenblatt“ sollte sich das FSRU-Schiff jüngst am ägyptischen Hafen Damietta befinden.

Am Industriehafen Stade (Archivbild) liegt derzeit kein Terminalschiff für flüssiges Erdgas (LNG) vor Anker: Die dazu in Dienst gestellte „Energos Force“ wurde an ein ägyptisches Energieunternehmen ausgeliehen. Foto: Sina Schuldt/dpa
Seit anderthalb Jahren: Außer Spesen…
Zum Hintergrund der Subvercharterung nannten sowohl das BMWE als auch die DET den seit Jahren andauernden Konflikt um die Betriebsbereitschaft der Entladungsinfrastruktur in Stade. Für deren Technik ist laut BMWE das Konsortium Hanseatic Energy Hub GmbH (HEH) zuständig.
„Die FSRU machte am 15. März 2024 im Auftrag der DET am AVG-Anleger im Hafen Bützfleth fest. Seitdem war die FSRU inbetriebnahmebereit“, bekräftigte ein Sprecher der DET auf Nachfrage der Epoch Times. Die Suprastrukturanlagen seien zu diesem Zeitpunkt allerdings „weder technisch fertiggestellt noch betriebsbereit“ gewesen, obwohl die HEH dies im Vorfeld immer wieder zugesichert habe.
„Das FSRU-Terminal Stade hätte bereits zum Jahreswechsel 2023/2024 in Betrieb gehen sollen“, kritisierte auch die Ministeriumssprecherin. Es sei der HEH jedoch nicht gelungen, „die benötigte Suprastruktur zum Festmachen des Schiffes und Entgegennahme des Gases auf dem Anleger (bestehend unter anderem aus Entladearmen und Gasleitungen) pünktlich fertigzustellen“. Die HEH habe den Termin „zunächst auf März 2024 und dann weiter verschoben“.
„Jedes Terminal wird vor erstmaligem Anlauf durch den Kunden intensiv auf Sicherheit geprüft und bei Mängeln abgelehnt. Diese Prüfung durch die DET konnte bislang nicht erfolgen. Hierzu sind noch weitere Arbeiten notwendig“, erklärte die Ministeriumssprecherin. Die HEH habe bislang kein Geld vom Bund erhalten.
Eskalation im Januar 2025: DET beklagt „fortlaufende Nichterfüllung“ der Vertragspflichten
Nach Angaben der DET war der Streit mit der HEH über die Abnahmefähigkeit der Suprastruktur Anfang des Jahres 2025 eskaliert.
„Die fortlaufende Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten seitens Hanseatic Energy Hub GmbH (HEH) hat die Deutsche Energy Terminal GmbH (DET) bereits im Januar 2025 gezwungen, die mit HEH geschlossenen Verträge zu beenden“, bestätigte der DET-Sprecher. Es bestünden „insoweit […] keinerlei vertragliche Beziehungen“ mehr. Nach Informationen des Onlineportals „Heise.de“ hatte auch die HEH mit Kündigung reagiert – wegen mangelnden gegenseitigen Vertrauens.
Die HEH, die DET und das BMWE einigten sich im Frühjahr 2025 schließlich zunächst darauf, den bundeseigenen Energiekonzern Uniper als Prüfer der Betriebsbereitschaft beziehungsweise der Sicherheit der Hafeninfrastruktur in Stade „nach internationalem LNG-Standard“ einzuschalten.
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HEH sieht ihre Pflichten erfüllt
Wie das „Stader Tageblatt“ berichtete, beharrt die HEH unter Verweis auf das Resultat einer „unabhängigen Prüfung, die in den vergangenen Wochen durchgeführt wurde“, aktuell darauf, dass die FSRU-Suprastruktur bis zum Beginn der Heizperiode 2025/26 „technisch in Betrieb genommen werden“ könne. Zuvor hätten dies bereits die zuständigen Genehmigungsbehörden bestätigt, so die HEH.
Die DET besteht allerdings darauf, dass die HEH „die abschließenden behördlichen Abnahmen der Suprastrukturanlagen“ konkret vorlegen solle: Vorher könne ein FSRU-Terminal seine Arbeit gar nicht aufnehmen, „da die Gashändler jedes Terminal vor Anlauf insbesondere auf deren Betriebssicherheit qualifiziert überprüfen“, so der DET-Sprecher gegenüber der Epoch Times.
Gewerbeaufsichtsamt wartet auf Ende des Streits
Die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der FSRU-Infrastruktur war nach Angaben des Gewerbeaufsichtsamts (GAA) Lüneburg bereits am 22. Dezember 2023 erteilt worden. Das GAA Lüneburg ist nach Auskunft des niedersächsischen Umweltministeriums auch für „eine Schlussabnahme vor Inbetriebnahme“ zuständig. „Die noch offenen, zu klärenden Fragen“ lägen allerdings „nicht im Zuständigkeitsbereich der Genehmigungsbehörden“, sondern bei der HEH, der DET und dem Bundeswirtschaftsministerium, so ein Sprecher des Landesumweltministeriums auf Anfrage der Epoch Times. Auch der GGA-Sprecher deutete an, dass nun zunächst die Meinungsverschiedenheiten der Vertragspartner ausgeräumt werden müssten.
„Grundsätzlich sehen wir, dass die Anlage in Betrieb genommen werden könnte, wenn die offenen Punkte, die Uniper benennt, abgearbeitet worden sind“, zitiert das „Tageblatt“ den aktuellen Stand der Dinge aus Sicht der DET. Ein Uniper-Sprecher wollte auf Anfrage der Epoch Times keine Einzelheiten zu den Ergebnissen der „sachlichen Inaugenscheinnahme“ der Stader Anlage preisgeben: Dies sei die Sache der Auftraggeber.
Ein Fragenkatalog der Epoch Times an die HEH blieb bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet. Zur Gründung der HEH GmbH hatten sich im Juni 2019 die Hamburger Logistik- und Energiegruppe Buss, die Investorengesellschaft Partners Group, der spanische Gasspezialist Enagás sowie der amerikanische Produktentwickler Dow in Hamburg zusammengetan.
BMWE: Zeitnahe Inbetriebnahme von Stade weiter beabsichtigt
Trotz aller Querelen will das Bundeswirtschaftsministerium von Gerüchten um ein endgültiges Aus für den Energiehafen Stade nichts wissen: Die Subvercharterung des LNG-Terminals „Energos Force“ dürfe „die gerade ebenfalls in Prüfung befindlichen Möglichkeiten für eine zeitnahe Inbetriebnahme des Standortes [ …] nicht beeinträchtigen. Oberste Priorität hat die Versorgungssicherheit“, betonte auch das BMWE.
Auch auf der Website der HEH gibt man sich noch immer optimistisch – auch, was den Bauauftrag für die künftige Infrastruktur an Land angeht: Bis 2027 solle „in einer ersten Ausbaustufe im bestehenden Industriepark ein emissionsfreies landbasiertes Terminal für LNG, Bio-LNG und SNG (Synthetic Natural Gas, künstlich hergestelltes LNG) in Betrieb genommen werden“.
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Schiffe sollen langfristig durch Landanlagen ersetzt werden
Die Hafenanlage in Stade sollte nach dem Willen der Ampelregierung neben Brunsbüttel, Wilhelmshaven I und Wilhelmshaven II zum vierten DET-Standort Deutschlands werden, der LNG aufnehmen, verdampfen und weiter verteilen soll.
Mittel- bis langfristig sollen die bislang allesamt schwimmenden LNG-Terminals der DET nach NDR-Angaben durch Anlagen an Land ersetzt werden. Nach Informationen des Senders hatte das letzte der übrigen Terminals, Wilhelmshaven II, seine Arbeit nach Verzögerungen erst Ende Mai 2025 aufgenommen.
Daneben existieren an den Standorten Mukran auf Rügen und Lubmin zwei private schwimmende LNG-Terminals, von denen laut NDR derzeit allerdings nur in Mukran auf Betreiben des Unternehmens „Deutsche ReGas“ Erdgas aus LNG ins Netz gespeist wird.
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Ziel der LNG-Planungen: Abhängigkeit von russischem Gas beenden
Schon heute sei es „Deutschland“ gelungen, „bei der Gasversorgung durch umfangreiche Maßnahmen und verbunden mit hohen Kosten die Abhängigkeit von russischem Gas zu beenden“, äußerte sich das BMWE gegenüber der Epoch Times zu den Beweggründen für die LNG-Strategie. Immerhin erhalte Deutschland „seit September 2022 kein russisches Pipeline-Gas mehr“, so die BMWE-Sprecherin, ohne näher auf die Sprengung dreier von vier Röhren der Nord-Stream-Gasleitungen einzugehen.
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Über die Menge des über die beiden bereits in Betrieb befindlichen staatlichen LNG-Terminals angelandeten Gases konnte sie keine Angaben machen. „Nach Aussagen der DET“ seien aber „alle Slots für Wilhelmshaven I und II sowie Brunsbüttel voll gebucht“, so die BMWE-Sprecherin.
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Auch über die Höhe der Gesamtausgaben des Bundes für den Aufbau und Betrieb der FSRU-Infrastruktur könne sie nur so viel sagen, dass für alle vier LNG-Anlagen über ihre gesamte Laufzeit 4,06 Milliarden Euro als Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt „notwendig“ sein würden. „Diesen maximalen Nettobetrag hatte die Europäische Kommission in ihrer Entscheidung vom 20. Dezember 2024 als Beihilfe des Bundes an die DET bewilligt“, erklärte die Sprecherin.
Davon abgesehen würden die Gesamtkosten insbesondere davon abhängen, „inwiefern die Betreibergesellschaft DET ihre Betriebskosten zukünftig durch die Einnahmen aus der Regasifizierung decken kann und wie lange die Terminals tatsächlich in Betrieb sein werden“.
LNG deckt nur kleinen Teil der Gasimportmenge
Umfangreiche aktuelle Daten zur Gasversorgungslage in Deutschland stellt die Bundesnetzagentur auf ihrer Website zur Verfügung. Auch wenn demnach die LNG-Importe in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen sind, spielt das verflüssigte Gas bei den Gesamtimporten noch immer eine untergeordnete Rolle: Am 12. Juli 2025 standen die 384 Gigawattstunden (GWh) an importiertem LNG einer gesamten Gasimportmenge von 3.186 GWh gegenüber.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wird das LNG überwiegend aus den Vereinigten Staaten geliefert. Deutlich größere Mengen an Erdgas kommen aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien an.
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BMWE-Chefin Katherina Reiche (CDU) hatte den „Notfallplan Gas“ am 1. Juli 2025 von der „Alarmstufe“ auf die „Frühwarnstufe“ herabgesetzt. „Die Versorgungslage hat sich erheblich verbessert. Mit einer Beeinträchtigung der Gasversorgung ist nicht zu rechnen“, hieß es dazu in einer Pressemitteilung. Reiche zog ein positives Zwischenfazit zur Gasstrategie:
„Es ist gelungen, die durch den russischen Angriffskrieg verursachte Energiekrise zu überwinden: mit neuen Lieferwegen durch LNG-Infrastruktur; wir haben unsere Gasversorgung diversifiziert; die Gaspreise haben sich stabilisiert und die Gasspeicher tragen zur Sicherheit bei. […] Da aber auch durch geopolitische Einflüsse Risiken mit Wirkungen auf den Gasmarkt noch nicht auszuschließen sind, wird die Frühwarnstufe derzeit noch beibehalten.“
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