Streit um politische Ausrichtung: Kirchentag 2025 polarisiert Deutschland

Am Sonntag, 4. Mai 2025, ging der fünftägige Evangelische Kirchentag zu Ende. Bis zur Eröffnung waren nach Angaben der Veranstalter etwa 65.000 Karten für die Veranstaltung verkauft worden. Mit Blick auf den bevorstehenden Abschluss hoffen sie auf 100.000 zahlende Besucher, was 30.000 mehr wären als zwei Jahre zuvor in Nürnberg.
Die Kosten für die Organisation des Kirchentages in Höhe von 24 Millionen Euro wurden zur Hälfte aus öffentlichen Mitteln finanziert. Die nächsten Veranstaltungen dieser Art sollen 2027 in Düsseldorf und 2029 in Hamburg stattfinden.
Kirchentag als Politforum: Merkel, Scholz, Steinmeier & Co. auf der Bühne
Im Vorfeld der Zusammenkunft hatte es Kritik an einzelnen Veranstaltungen im Programm des Kirchentages gegeben, aber auch an einem grundsätzlich stark politisch ausgerichteten Auftreten der Kirchen in Deutschland. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner vertrat etwa die Ansicht, die Kirche müsse „mehr sein als eine Nichtregierungsorganisation“. Sie solle „Sinn und Hoffnung stiften“, statt zu politisch zu agieren.
[etd-related posts=“5121397″]
Tatsächlich beherrschten politische Gäste das Geschehen auf den Podien und in Vorträgen. Altkanzlerin Angela Merkel war ebenso präsent wie Altbundespräsident Christian Wulff oder der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz. Dazu kam die Nachricht von der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, die zeitlich mit dem Kirchentag zusammenfiel.
Die Präsidentin des Kirchentages, Anja Siegesmund, verteidigte bereits während der Eröffnung der Veranstaltung die Einmischung der Kirchen in das Tagesgeschäft. Nur eine politische Kirche habe Relevanz, äußerte sie im Interview mit der „Zeit“. Schließlich sei auch „das Evangelium zutiefst politisch“, denn es „fordert uns auf, zu handeln“.
Werbung für Aufrüstung – Buhrufe für Amthor
EKD-Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich sprach sich dagegen aus, „geistliches Leben und christliches Positionieren gegeneinander aufzurechnen“. Der geschäftsführende Kanzler Scholz warnte vor einem vorschnellen Anlauf zu einem AfD-Verbotsverfahren. Demgegenüber trat Ex-Grünen-Sprecherin Ricarda Lang dafür ein, die nunmehrige Entscheidung des Verfassungsschutzes zum Anlass für ein solches zu nehmen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sah im Kirchentag eine „ganz, ganz seltene Chance, dass wir uns aus unseren ideellen Fertighäusern herausbegeben“. CDU-MdB Philipp Amthor erntete jedoch Buhrufe für seine Aufforderung, sich inhaltlich mit der AfD auseinanderzusetzen. Ebenso missfiel dem Publikum seine Aussage, dass „nicht alles, was nicht links und grün ist“ automatisch „rechts“ sei.
[etd-related posts=“5120139″]
CDU-Politiker Roderich Kiesewetter warb dafür, dass jeder Bürger „50 Euro im Jahr“ für die Hochrüstung der Ukraine aufbringen sollte. Widerspruch zu diesem Kurs kam nur vereinzelt – etwa von der früheren EKD-Ratspräsidentin Margot Käßmann. Diese appellierte im Rahmen einer ökumenischen Friedenssynode:
Es wird gesagt, wir müssten kriegstüchtig werden und Frieden durch Aufrüstung sichern. Wir aber wollen friedensfähig werden.“
Funktionäre und Politiker von AfD und BSW nicht eingeladen
Vertreter der AfD, aber auch solche des BSW waren explizit nicht eingeladen – und das, obwohl zumindest die Wagenknecht-Partei kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes darstellt. Generalsekretärin Jahn hatte die Ausladung im Vorfeld damit begründet, dass man „extremistischen Parteien kein Podium bieten“ wolle. Einfache Mitglieder der AfD könnten den Kirchentag jedoch besuchen, erklärte sie im März.
Im Jahr 2017 hatte der Kirchentag noch die damalige Vorsitzende der Vereinigung „Christen in der AfD“ (ChrAfD), Anette Schultner, zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Diese hat allerdings wenige Monate später die Partei verlassen und dieser „fehlende Stoppzeichen“ mit Blick auf die extreme Rechte vorgeworfen.
[etd-related posts=“5116201″]
Während es den Arbeitskreis ChrAfD in der AfD nach wie vor gibt und die Partei auch eine kirchenpolitische Sprecherin hat, ist die Existenz einer ähnlichen Vereinigung im BSW nicht bekannt. Allerdings haben einzelne Landtagsabgeordnete und Funktionäre einen christlichen Hintergrund, vor allem in pazifistischen Kreisen der Kirchen.
Die EKD hatte Anfang des Jahres erklärt, es sei für eine „abschließende Bewertung der Politik des BSW auf Bundesebene noch zu früh“. In den 1990er- und 2000er-Jahren hatte es keine offiziellen Kontakte mit der PDS beziehungsweise späteren Linkspartei gegeben. Dies änderte sich spätestens, seit 2014 mit Bodo Ramelow ein bekennender Protestant zum ersten Ministerpräsidenten der Linken gewählt worden war.
Krah: Alle Inhalte „entweder peinlich oder lächerlich“
Auch in den sozialen Medien gingen die Wahrnehmungen bezüglich des Kirchentages weit auseinander. Teilnehmer schwärmten auf X von „Lyrik, Kabarett und vollen Kirchen“. Ein Theologe äußerte über die Nicäa-Feier in Hannover-Herrenhausen, diese „verbindet über Raum und Zeit, verbindet Himmel und Erde, verbindet Hunderte von Menschen“.
Verbindet über Raum und Zeit, verbindet Himmel und Erde, verbindet Hunderte von Menschen: Nicäa-Feier in Hannover-Herrenhausen beim Kirchentag! Wunderbar ökumenisch! pic.twitter.com/T7AdgPFKQG
— Malte Dominik Krüger (@MalteD_Krueger) May 3, 2025
Anders sah die Sache AfD-MdB Maximilian Krah. Er nannte den Evangelischen Kirchentag in einem Video auf X die „größte Live-Comedy Deutschlands“. An der Veranstaltung sei „alles entweder peinlich oder lächerlich“. Angesichts der kulturellen und auch politischen Rolle, die die evangelische Kirche in Deutschland immer gespielt habe, sei das „schmerzhaft“.
Kirchentag hatte Kritik an BIPoC-Workshop „nicht auf dem Schirm“
Auf „Welt TV“ ging Sebastian Vorbach vor allem auf die „Empowerment“-Veranstaltung für BIPoC-Kinder ein, die das Projekt „Beyond Bias Box“ organisiert hatte. Der Begriff, bezieht sich auf Schwarze, Indigene und People of Color. Die Veranstaltung war im Sinne eines sicheren Raums („safe space“) ausschließlich für BIPoC-Kinder konzipiert. Vorbach warf die Frage auf:
Wie viele indigene Kinder werden eigentlich erwartet, die an Workshops auf Deutsch teilnehmen?“
Zudem übte er Kritik daran, dass auf einer christlichen Veranstaltung der Eindruck vermittelt werde, dass schwarze, indigene oder BIPoC-Kinder etwas anderes wären und anders behandelt werden müssten als weiße Kinder. Es sei „unverständlich, warum eine Kirche dort das Trennende sucht und nicht das Einende“.
[etd-related posts=“5087877″]
In ähnlicher Weise hatte sich der Journalist Hasnain Kazim geäußert. Der gebürtige Oldenburger mit pakistanischen Wurzeln schrieb mit Blick auf die Veranstaltung und das dahinter stehende Konzept:
„Es spaltet, wahrscheinlich ungewollt, in ‚die‘ und ‚wir‘. Und könnte mein Kind, das eine weiße Mutter und mich als Vater hat, teilnehmen? Ist mein Sohn dunkel genug?“
Der Kirchentag reagierte auf die Kritik überrascht. Man habe „nicht auf dem Schirm gehabt“, dass der Workshop „so infrage gestellt“ werde. Das sei „vielleicht etwas naiv“ gewesen. Aber, so hieß es weiter, dass es für alle, die sich „als weißer Mensch mit dem Thema auseinandersetzen“ wollten, ja auch die Veranstaltung „Kritisches Weißsein – Ein Einstieg: How to be an ally?“ gegeben habe.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion