Teske: „Teilerfolg auf dem Weg zu einem ausgewogenen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“

Erfüllt der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen gesetzlichen Auftrag zur Vielfalt und Ausgewogenheit? Der ehemalige ARD-Redakteur Alexander Teske spricht mit Epoch Times über das jüngste Urteil vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Der ehemalige „Tagesschau“-Redakteur Alexander Teske. Foto: privat/Sebastian Willnow/picture alliance via Getty Images
Journalist und Autor Alexander Teske am 30. März 2025 in Leipzig.Foto: Sebastian Willnow
Von , 18. Oktober 2025

Es war ein mit Spannung erwartetes Urteil: Vor dem Bundesverwaltungsgericht hat eine 84-Jährige aus Bayern einen Teilsieg errungen. Sie hatte die Zahlung des Rundfunkbeitrags für die Öffentlich-Rechtlichen verweigert.

Das Gericht hat am Mittwoch, 15. Oktober, den Fall zurück an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verwiesen. Dieser soll prüfen, ob das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten seine Pflicht zur „Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt“. Die Maßstäbe dafür sind noch unklar.

Für den langjährigen ARD-Redakteur Alexander Teske war dies kein überraschendes Urteil. In einem Interview mit Epoch Times erklärte er, warum er darin einen wichtigen Zwischenschritt sieht.

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Herr Teske, das Bundesverwaltungsgericht hat den Fall zurück an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verwiesen. Der soll nun auf der „Tatsachenebene“ zunächst darüber befinden, anhand welcher exakter Kriterien sich der ÖRR bei seiner Auftragserfüllung hinsichtlich der Vielfaltssicherung messen lassen muss. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?

Ich glaube, das ist das erwartbare Ergebnis, mit dem die meisten Beobachter gerechnet haben. Es hat kaum jemand damit gerechnet, dass die Richter sagen werden: „Jawohl, der Rundfunkbeitrag in Gänze, den muss man nicht mehr zahlen, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag nicht mehr erfüllt.“ Das war die Begründung der Klägerin. Sie meinte, die Meinungsvielfalt werde verletzt, und der öffentlich-rechtliche Rundfunk verfehle auch in anderen Bereichen seinen Auftrag – strukturell und über einen längeren Zeitraum. Es gibt viele, die das ähnlich sehen.

Aber die Richter haben das jetzt erst einmal zurückverwiesen. Sie sagten, es muss erst mal eine Beweisaufnahme stattfinden. Und dieser Beweisaufnahme hat sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer verweigert – auch die Verwaltungsgerichte. Man hat einfach gesagt: „Man muss so oder so zahlen, egal wie das Programm aussieht.“

Es ist überhaupt eine Sensation, dass die Richter den Fall überhaupt behandelt haben und diese Klage nicht gleich in Bausch und Bogen verdammt haben. Insofern ist das ein erster kleiner Teilerfolg auf dem Weg zu einem ausgewogenen, vielfältigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

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Hat das Bundesverwaltungsgericht aus Ihrer Sicht hier den richtigen Weg gewählt?

Ich bin kein Jurist. Das kann ich also nicht beurteilen, ob es andere Wege gegeben hätte. Es scheint sehr kompliziert zu sein, dass überhaupt Verwaltungsrecht angewandt wird. Viele würden sagen: „Man geht vielleicht einfach vor das Bundesverfassungsgericht bei so einer wichtigen Sache.“ Auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018 hat man sich ja auch zurückgezogen. Damals hatten die Bundesverfassungsrichter gesagt, man müsse die Gebühr zahlen, unabhängig vom Programm. Das Programm weise keine in seiner Gesamtheit strukturellen Defizite auf.

Die Verwaltungsrichter jetzt haben aber gesagt, man soll das noch mal neu überprüfen – und zwar mindestens über zwei Jahre. Und man soll das auch wissenschaftlich begleiten – exakte Studien anlegen, um das zu überprüfen. Möglicherweise hat sich da in den letzten sieben Jahren was getan, und diese Vermutung ist ja nicht ganz unbegründet. Insofern glaube ich, ist das durchaus ein weiser Beschluss.

Und dann? Dann werden wir klarer sehen, wenn die Urteile der unteren Gerichte kommen. Das heißt aber nicht, dass das das Ende der Fahnenstange ist. Ich glaube schon, dass diese Auseinandersetzung bei den Gerichten auch noch ein paar Jahre andauern wird.

Ich glaube aber auch, dass das tatsächlich der Weg ist, der am ehesten zum Erfolg führt – wenn man sich denn einen anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wünscht als den, den wir jetzt sehen. Weil ich mir im Moment nicht vorstellen kann, dass es echte Reformen von innen heraus gibt. Und auch in der Politik – es ist ja Ländersache – kann ich keine ernsthaften Bemühungen erkennen, etwas zu tun.

Warum glauben Sie, hat das Bundesverwaltungsgericht den Fall nicht selbst pro oder kontra einer Seite ganz klar hier und heute entschieden?

Weil sie einfach erst mal eine Beweisaufnahme wollen. Und wenn ich das richtig verstanden habe, – wie gesagt, bin kein Jurist – kann man nur die Urteile der unteren Instanzen überprüfen. Und dann können Sie nur sagen: „richtig“ oder „falsch“. In diesem Fall haben Sie eben gesagt: „Falsch, die müssen noch mal in die Beweisaufnahme gehen.“ Die unteren Instanzen haben ja die Beweisaufnahme schlicht verweigert. Und jetzt haben sie ein Defizit gesehen. Also, Sie müssen schon prüfen, ob denn die Klägerin möglicherweise recht hat.

Sie haben allerdings auch so ein bisschen einen Fingerzeig geliefert. Sie haben schon gesagt: „Die Hürde liegt sehr, sehr hoch“. Es reicht also nicht, jetzt massenhaft Verfehlungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufzulisten, sondern der muss schon in seiner Gesamtheit den Auftrag verfehlen. Das klang für mich so, als ob es schwer wird, auf diesem Weg tatsächlich den Rundfunkbeitrag zu kürzen.

In der Gesamtheit kann man den Beitrag wahrscheinlich nicht auf diesem Weg verweigern. Aber es war ja der Wunsch der Klägerin, ihn zumindest teilweise einzubehalten. Und dem haben die Richter jetzt eine hohe Hürde auferlegt. Aber unmöglich scheint das natürlich auch nicht.

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Inwiefern sehen Sie Chancen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof demnächst zu einem Maßstab für die Beurteilung des ÖRR gelangt, mit dem alle Seiten leben können?

Ich finde es sehr schade, dass am Ende Richter entscheiden müssen. Das ist immer so ein bisschen Feigheit der anderen, vor allen Dingen der Politik. Die Politiker wären meiner Meinung nach dafür gewählt, dass sie Entscheidungen treffen. Und wenn man mit den Entscheidungen nicht einverstanden ist, wählt man andere Politiker, die wieder andere Entscheidungen treffen und es rückgängig machen. Und in diesem Fall müssen einfach Landespolitiker, die für Rundfunkrecht zuständig sind, diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufsetzen – in den Medienstaatsverträgen, die sich die Menschen wünschen. Und dazu muss erst mal eine gesellschaftliche Debatte geführt werden: Was für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen wir denn überhaupt? Im Moment kann man ja als Bürger überhaupt nicht mitreden.

Ich habe zurzeit sehr viele Lesungen und Diskussionen und werde oft danach gefragt. Wie könnte sich denn was ändern? Und leider ist dieser juristische Weg tatsächlich der einzige, wo ich eine Veränderung sehe. Aber eigentlich müssten das die Politiker tun. Die müssten die Entscheidungen treffen. Und ich habe so ein bisschen den Eindruck, dass sie sich davor drücken. Es scheint jetzt kein Gewinnerthema zu sein. Es ist also in den Wahlkämpfen usw. auch kein Thema, worüber ganz weit vorn gesprochen wird. Die einzige Partei, die sehr, sehr offen sagt, sie würde diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sofort abschaffen, ist die AfD. Die wollen die Medienstaatsverträge kündigen.

Und wenn jetzt tatsächlich mal ein Ministerpräsident drankommen würde, würde der das auch tun können. Es war auch unter Juristen umstritten, aber man kann wahrscheinlich aus diesen Verträgen aussteigen – dann würde was passieren. Und wenn man nicht möchte, dass dieser Druck immer weiter zunimmt, dann muss man sich eben auch mal bewegen.

Die Medienstaatsverträge werden immer mal geändert. Und was da jetzt in der Diskussion ist, sind schon kleine Trippelschrittchen. Ich finde aber, das ist viel zu wenig. Ich glaube, man muss da wahrnehmen, was es in der Bevölkerung für einen Änderungswunsch gibt. Man wünscht sich mehrheitlich, glaube ich, einen anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Einen, der seinen Auftrag erfüllt.

Im Auftrag steht an erster Stelle die Kultur, an zweiter die Bildung. Und das sind zum Beispiel Sachen, die man im Programm mit der Lupe suchen muss. Also wenn ich mal einschalte, sehe ich in allererster Linie Unterhaltung. Gehört auch zum Programm dazu, aber eben nicht in diesem irren Ausmaß von Krimis, Sport usw.

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Welche Maßstäbe würden Sie persönlich vorschlagen, anhand derer objektiv beurteilt werden könnte, ob der ÖRR seinen Auftrag strukturell verfehlt, ein Programm anzubieten, das der Vielfaltssicherung dient?

Da würde ich mich jetzt überheben. Das sage ich ganz offen. Es muss ja nicht jeder sich als Experte für alles aufspielen. Ich beschreibe gerne, wie die Situation im Journalismus ist. Ich gebe auch gerne Anregungen. Aber ich bin jetzt nicht Doktor Allwissend, der sagen kann: Wir müssen 12345 machen, und dann wird das Programm besser. Ich habe natürlich selber ein paar Vorstellungen für die Nachrichten – wie man da Dinge verbessern kann. Aber ich glaube einfach der richtige Weg wäre, dass man viele Menschen mit einbezieht und tatsächlich auch mal fragt: „Was für Vorstellungen haben Sie denn an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Wie könnte denn aus Ihrer Sicht ein Programm aussehen, für das Sie auch bereit sind, einen Rundfunkbeitrag zu bezahlen?“

Wobei ich auch sagen muss: Beim Rundfunkbeitrag scheiden sich einfach immer die Geister, an diesen 18,36 Euro. Und das zieht auch so viel Unmut auf sich, dass ich es für cleverer halten würde, wenn man diesen Beitrag abschafft und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus Steuergeldern finanziert. Einfach um da auch ein bisschen Luft aus der Debatte zu nehmen.

Und dann muss man einfach auch noch mal überlegen: Wie viel öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen wir denn tatsächlich? Müssen das wirklich 220 Euro im Jahr sein? Wenn man sich so eine Europakarte ansieht, dann sind wir da ganz weit vorne. Also in anderen Ländern wird wesentlich weniger gezahlt. Da gibt es auch einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und in keinem anderen Land hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk so eine starke Stellung. Bis zu 50 Prozent Marktanteil – das ist ja schon eine marktbeherrschende Stellung. Und muss das überhaupt sein? Wollen wir das überhaupt? Also sind wir alle mehrheitlich der Meinung: Ja, wir finden das gut! Da werden die Bürger einfach nicht gefragt.

Man hat das vor 80 Jahren so eingerichtet, und der öffentlich-rechtliche Rundfunk weitet sich immer weiter aus: immer mehr Internetseiten, immer mehr Social-Media-Angebote. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiß selber nicht genau, wie viele das sind. Experten gehen von 2.000 Kanälen aus. Jetzt werden sogar Videospiele entwickelt vom Öffentlich-Rechtlichen. Ich glaube, viele Menschen wollen das einfach gar nicht.

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Haben Sie noch abschließende Gedanken zu dem Fall?

Ich würde mir einfach Reformen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirklich wünschen, weil ich glaube, dass der eigentlich eine ganz, ganz wichtige Aufgabe in der Gesellschaft erfüllt. Und die erfüllt er im Moment eben nicht.

Bei ganz zentralen Fragen, wo wir um die richtige Meinung ringen, brauchen wir ein Fundament, auf dem wir unsere Meinung bilden können. Und dazu müssen wir natürlich ein vielfältiges Angebot sehen, wo unterschiedliche Meinungen zur Aufführung kommen. Und ich beobachte eben doch einen sehr verengten Meinungskorridor bei zentralen Fragen unserer Gesellschaft, ob das in der Corona-Zeit war oder die Unterstützung der Ukraine, bei Israel genauso und bei der Migrationsfrage auch. Und das ist ein Defizit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der für Vielfalt da sein soll, für Meinungspluralität.

Seine Aufgabe erfüllt er im Moment nicht. Ich würde es aber sehr, sehr gut finden, wenn er sie erfüllt. Weil sonst der Druck immer stärker wird und die Rufe einfach zunehmen, man solle ihn gleich komplett abschaffen. Und das wäre natürlich sehr schade.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Noah Schmitt. Überarbeitet von tp.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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