Thüringer Landräte wollen Sozialhilfe nur noch als zinsloses Darlehen gewähren – Linke und SPD-Führung winken ab

In Kürze:
- SPD-Landräte Jendricke und Wolfram schlagen das Darlehensmodell für Sozialleistungen vor.
- Rückzahlungspflicht soll entfallen, wenn Migranten rasch Arbeit aufnehmen.
- Vorbild: BAföG-System mit Anreizen bei schneller Rückzahlung
- Scharfe Kritik von Linken und Teilen der SPD wegen verfassungsrechtlicher Bedenken.
Mit einem Vorstoß zur Reform des Sozialsystems haben die Thüringer SPD-Landräte Matthias Jendricke (Nordhausen) und Marko Wolfram (Saalfeld-Rudolstadt) Aufmerksamkeit erregt. Im „Stern“ plädierten sie dafür, Sozialleistungen an Staatsangehörige von Nicht-EU-Ländern nur noch in Form zinsloser Darlehen auszuzahlen.
Dies würde „Druck im System“ aufbauen und Neiddebatten entgegenwirken. Die Berliner Politik benötige „echten Reformwillen“, betonte Jendricke, und „kein Herumdoktern an einem zunehmend dysfunktionalen System“. Wolfram fügte hinzu, es gehe darum, Migranten zur raschen Arbeitsaufnahme zu bewegen. Zudem würde ein „positiver Anreiz entstehen, sich zügig zu integrieren“.
SPD-Landräte erhalten Zuspruch von Amthor
Die Landräte, die für ihre Initiative auch Rückendeckung durch den parlamentarischen Staatssekretär im Digitalministerium, Philipp Amthor (CDU), erhalten haben, sehen das BAföG als Vorbild. Sie wollen den Empfängern der Sozialleistungen die Rückzahlungsverpflichtungen eines Teils der empfangenen Leistungen erlassen, wenn diese zeitnah eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufnehmen. Auch Abschläge bei raschen Rückzahlungen sollten möglich sein.
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Betroffen von der Regelung, die den SPD-Landräten und Amthor vorschwebt, wären vor allem Personengruppen wie volljährige Asylsuchende, anerkannte Geflüchtete und generell Ausländer aus Nicht-EU-Ländern. Es ist auch davon auszugehen, dass eine solche Regelung, sollte sie geschaffen werden, für zukünftig nach Deutschland kommende Drittstaatsangehörige gelten soll.
Für bereits im Land befindliche Personen, beispielsweise Asylsuchende oder die vom regulären Asylprozess ausgenommenen Ukraine-Flüchtlinge, würde die Regelung voraussichtlich nicht greifen. Auch minderjährige Schutzsuchende sollen keine Rückzahlungsverpflichtung treffen.
Mehrere Optionen zur vorzeitigen Schuldbefreiung
Das Modell sieht mehrere Optionen vor, um die Rückzahlungspflicht zu mindern. Bei schnellen Rückzahlungen sollen bis zu 50 Prozent des Darlehens erlassen werden können. Weitere Anreize könnten Erleichterungen der Rückzahlung bei Arbeitsaufnahme innerhalb eines Jahres oder das Bestehen einer Sprachprüfung sein.
Ein Bonus bei der Rückzahlung soll auch bei einem Schulabschluss von Kindern denkbar sein. Für Personen, die bereits hinreichend Beiträge in das Sozialsystem einbezahlt hatten, würden ebenfalls wie gehabt Sozialleistungen ohne Rückzahlungspflicht ausbezahlt werden können.
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Beim BAföG gibt es unterschiedliche Systeme. Für Schüler wird es als Zuschuss ausbezahlt – hier besteht keine Rückzahlungsverpflichtung. An Fachhochschulen oder Universitäten erfolgt die Auszahlung zur Hälfte als Zuschuss und zur Hälfte als Darlehen. Ausschließlich als zinsloses Darlehen erfolgt die Studienabschlusshilfe für einen Zeitraum von maximal zwölf Monaten.
SPD-Führung sieht den Vorschlag als „inhaltlich unausgereift“
Für die Rückzahlung sind Raten von 130 Euro im Monat vorgesehen, keine Rückzahlungspflicht besteht, solange das danach berechnete Monatseinkommen 1.605 Euro nicht übersteigt. Eine Verringerung der monatlichen Belastung ist möglich, wenn das Einkommen gering ist oder Unterhaltsverpflichtungen bestehen. In einigen Fällen ist auch ein Freistellungsantrag möglich.
Ein Restschulderlass ist nach Zahlung von 77 Raten oder Ablauf eines Rückzahlungszeitraums von 20 Jahren möglich. Für Personen, deren BAföG-Darlehen auf eine Zeit vor dem 1. September 2019 zurückreicht, gelten einige dieser Optionen nicht.
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In Thüringen regiert die CDU in einer Koalition mit der SPD und dem BSW. Während die Landesspitze der Union die Initiative der Landräte begrüßt, hat sich das BSW bislang nicht geäußert und die Landes-SPD zeigt sich skeptisch. Sie sieht den Vorschlag als „inhaltlich unausgereift“ und möglicherweise verfassungswidrig.
Verfassungsrechtliche Bedenken wegen Verschuldung für das Existenzminimum
Auch Die Linke stellt sich gegen den Vorstoß. Die Abgeordnete Katharina König-Preuss äußerte, die Initiative sei „schäbig“ und folge der „rassistischen Stimmungsmache der AfD“. Ähnlich wie König-Preuss verweist auch die Landes-SPD auf Artikel 1 und 20 des Grundgesetzes. Diese machen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht von der Herkunft abhängig.
Zudem dürfte die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts es nicht zulassen, dass Leistungen, die der Grundsicherung dienen, mit der Begründung eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses gekoppelt werden. Die Sicherung eines Existenzminimums wäre hier von den Voraussetzungen her auch anders zu beurteilen als das BAföG, das der Erreichung eines bestimmten Bildungsziels gilt.
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Grundsätzlich gilt, dass Sozialleistungen ein Rechtsanspruch sind und deshalb nicht als Darlehen gewährt werden dürften. Darüber hinaus könnte das BVerfG eine solche Darlehensregelung als unverhältnismäßige Belastung und Diskriminierung werten – vor allem, wenn sie nur für bestimmte Gruppen gilt.
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