„Vereinnahmte Wissenschaft“: Ein Buch dokumentiert den Einfluss der Politik auf das RKI

Der Bundestag hat vor wenigen Tagen die Einrichtung einer Enquete-Kommission beschlossen, um die Corona-Zeit aufzuarbeiten. Das haben Union, SPD, Grüne und Linke beschlossen. Die AfD hatte dagegen für einen Untersuchungsausschuss plädiert. Im September soll die Enquete-Kommission aus 14 Abgeordneten und 14 Sachverständigen ihre Arbeit aufnehmen – Zeit genug, vorher ein wichtiges Buch zu lesen, ohne dessen Kenntnis eine ehrliche Aufarbeitung der staatlichen Maßnahmen zwischen 2020 und 2023 schwer gelingen kann.
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Autoren aus der Mitte der Gesellschaft
„Vereinnahmte Wissenschaft – die Corona-Protokolle des Robert-Koch-Instituts“ heißt der Sammelband, und er erscheint am 18. Juli im Massel Verlag. Bastian Barucker ist der Herausgeber, ein Wildnispädagoge und Prozessbegleiter, der durch die Pandemie zum freien Journalisten wurde und sich nun in dieser Thematik so gut auskennt wie nur wenige Redakteure in Deutschland. Ihm ist es gelungen, für die Beiträge Autoritäten aus der Mitte der Gesellschaft zu gewinnen, zum Beispiel die Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh.
Sie schreibt gemeinsam mit der Philosophin und Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler, der Rechtswissenschaftlerin Frauke Rostalski, die auch Mitglied im Ethikrat ist, sowie der Richterin und Strafrechtsprofessorin Elisa Hoven: „Liest man die veröffentlichten Papiere im Ganzen, kommt man nicht umhin, eine Art Bürgerverdrossenheit zu diagnostizieren, über die im Gegensatz zur allgegenwärtigen Politikverdrossenheit wenig gesprochen wird. […] Wer den Menschen wenig Vertrauen entgegenbringt, wird auch wenig Vertrauen von ihnen erwarten können.“ Und weiter heißt es:
Fehler wurden nicht nur bei der Auswahl bestimmter, im Nachhinein geradezu absurd anmutender Maßnahmen gemacht, sondern vor allem im Umgang mit den Bürgern. Es wurden Gewissheiten vorgetäuscht, Fehler nicht zugegeben und auch nicht korrigiert, es wurde gefordert, „der Wissenschaſt“ zu folgen, obwohl in vielen grundlegenden Fragen Uneinigkeit bestand und obwohl die Politik selbst Einfluss auf die Wissenschaſt genommen hat.“
RKI eine unabhängige Behörde?
Letzteres ist das Hauptthema des Buches: Welchen Einfluss haben die Gesundheitsminister auf das Robert Koch-Institut (RKI) genommen? Denn stets wurde das RKI von Politik und Medien als unabhängige Behörde dargestellt, deren Expertise die Grundlage der Maßnahmen darstellt. Dass es eine Beeinflussung der Experten gegeben hat, wurde stets als Verschwörungstheorie abgetan. So hatte der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach behauptet, das RKI habe „unabhängig von politischer Weisung gearbeitet“.
Aus den RKI-Files ist nun aber eindeutig abzulesen, dass es sehr wohl eine weitreichende Beeinflussung der Mitarbeiter des RKI durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gegeben hat. So heißt es an einer Stelle:
Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI von der Politik ist insofern eingeschränkt.“
Schlimmer noch: Aus den geleakten Protokollen geht hervor, dass es im Corona-Krisenstab des RKI teilweise bei zentralen Themen der Pandemie wie Maskenpflicht, Impfung oder Schulschließungen aufgrund des Wissensstandes andere Meinungen gab, als die Entscheidungsträger öffentlich verkündeten. Dies wiegt schwer, da der Präsident des RKI einerseits mit seinen Äußerungen auf Pressekonferenzen die öffentliche Meinung maßgeblich mitbeeinflusste und andererseits das RKI vor den Gerichten als maßgeblicher, oft einziger Sachverständiger auftrat, um so die Klagen gegen die Maßnahmen abzuweisen.
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Eine politische Zwickmühle
Die Zwickmühle, in der sich das RKI wähnte, wird in diesem Zitat deutlich: „Kommt das RKI der politischen Forderung nicht nach, besteht das Risiko, dass politische Entscheidungsträger selbst Indikatoren entwickeln und/oder das RKI bei ähnlichen Aufträgen nicht mehr einbindet.“
Am klarsten wird das in dem Beitrag von Volker Boehme-Neßler: „Das Bild, das sich die Öffentlichkeit vom RKI machte, war falsch. Das RKI war noch nie unabhängig.“ Und weiter schreibt der Rechtswissenschaftler: „Die Richter haben die Risikoeinschätzungen des RKI unkritisch übernommen. Sie haben es wie einen unabhängigen Sachverständigen behandelt. Was für ein folgenschwerer Fehler!“ In deutlichen Worten hält der Professor für Öffentliches Recht, der an der Universität Oldenburg lehrt, fest:
Viele Corona-Urteile sind – man muss es so sagen – Fehlurteile.“
Darin schließt er auch das Bundesverfassungsgericht mit ein: „Die Enthüllungen der RKI-Files über die Einflussnahme der Gesundheitsminister auf das RKI sind eine Katastrophe für das Gericht. Ausgerechnet der entscheidende Baustein seiner Entscheidungen ist brüchig. Die Karlsruher Beschlüsse sind Fehlentscheidungen.“
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Zahlreiche Zitate
Eine Stärke des Buches sind die zahlreichen Zitate, die belegen, wie weisungsgebunden das RKI gegenüber dem BMG war. So hieß es am 12. März 2020 im Protokoll des COVID-19-Krisenstabs: „Das RKI hält Schulschließungen nur in besonders betroffenen Gebieten für sinnvoll.“ Und am 29. Juni: „Aktuelle Risikobewertung – Immer noch hohes Risiko, Vorgabe vom BMG: bis 1. Juli wird daran nichts geändert.“
Am 3. Dezember 2021 wird festgehalten: „Politischer Entschluss ist schon längst gefasst, oberste Priorität: so viele Leute so schnell wie möglich impfen.“ Und natürlich fehlt die bekannteste Stelle der Protokolle vom 5. November 2021 nicht: „In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpſten gesprochen. Aus fachlicher Sicht nicht korrekt. Gesamtbevölkerung trägt bei.“
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Augenöffner für Wolfgang Kubicki
Auch Wolfgang Kubicki hat sich die Mühe gemacht, sich durch die 2.500 Seiten starken Akten zu lesen. Der Rechtsanwalt, der für die FDP zwölf Jahre lang im Bundestag saß, zuletzt als dessen Vizepräsident, wollte wissen: Wie wahrheitsgetreu hat das BMG seine etwa 100 Anfragen zum Corona-Komplex beantwortet?
Das Ergebnis hat Kubicki ernüchtert: „Ich muss gestehen: Ich hätte zuvor nicht geglaubt, dass in unserem gewaltengegliederten System ein solcher Vorgang möglich ist. Ein Minister, der offensichtlich eigenständig – gewissermaßen par ordre du muſti – die wissenschaſtliche Grundlage für Grundrechtseinschränkungen beschließt, war vorher nicht in meiner Vorstellungswelt.“
So dürfte es vielen Lesern nach der Lektüre des 247 Seiten starken Buches gehen. Es ist augenöffnend. Der freie Journalist Paul Schreyer, Mitherausgeber des Onlinemagazins „Multipolar“, war eine der kritischen Stimmen in der Corona-Zeit. Er klagte die Protokolle des Krisenstabs in einem Rechtsstreit mit dem RKI heraus und betont in seinem Vorwort, dass fast alle wichtigen Medien die Brisanz der Akten nicht erkannten und bis heute wichtige Fragen nicht thematisieren.
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Krimi um die Veröffentlichung
Das ist erstaunlich, denn das RKI-Leak ist eines der größten Medienereignisse des Jahres 2024. Die ungeschwärzten und vollständigen Dateien erhielt die freie Journalistin Aya Velázquez von einem anonymen Whistleblower, dessen Identität bisher geheim gehalten werden konnte. Sie schildert in ihrem Vorwort, wie der abenteuerliche Geheimnisverrat vonstattengehen konnte. Es liest sich wie ein Krimi.
Velázquez glaubt, dass es noch Jahre dauern wird, bis die Protokolle vollständig ausgewertet sind und dass dies weiter durch Quereinsteiger- und Grassroots-Journalisten passieren wird: „Es ist unrealistisch, zu glauben, Menschen, die in den Corona-Jahren Verantwortung getragen und Schuld auf sich geladen haben, würden nun reumütig eingestehen: Wir haben uns geirrt, ihr hattet recht. Das wird nicht geschehen.“
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Eine Diskussion zur offiziellen Buchpremiere findet am Mittwoch, 16. Juli, um 19:30 Uhr im Babylon Berlin statt: „Wie unabhängig war das RKI wirklich? Welche wissenschaftlichen Einschätzungen wurden ignoriert – und warum?“ Mit dabei:
- die Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig (CDU)
- Aya Velázquez
- Bastian Barucker
- Volker Boehme-Neßler
„Vereinnahmte Wissenschaft – die Corona-Protokolle des Robert-Koch-Instituts“ erscheint am 18. Juli im Massel Verlag. Das Buch wird von Bastian Barucker herausgegeben, hat 247 Seiten und kostet 22,90 Euro.
Wer die Protokolle selbst lesen will, kann dies unter folgenden Links tun:
https://corona-protokolle.net
https://rki-transparenzbericht.de
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
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