Verfassungsschutzchef Selen: Wir brauchen mehr Befugnisse

Wie gefährlich hybride Angriffe für Deutschland sind, zeigte im vergangenen Jahr der Paketbrand am Flughafen Leipzig/Halle. Verfassungsschutzchef Selen sagt: Wir müssen alle noch schneller werden. Er warnt für 2026 auch mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen vor verstärkten Desinformationskampagnen Russlands.
Vor einigen Wochen feierte das Bundesamt für Verfassungsschutz sein 75-jähriges Bestehen.
Vor einigen Wochen feierte das Bundesamt für Verfassungsschutz sein 75-jähriges Bestehen.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Epoch Times8. Dezember 2025

Angesichts gestiegener Bedrohungen durch hybride Angriffe wirbt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) um mehr Befugnisse und eine Verbesserung des Austauschs mit anderen Sicherheitsbehörden sowie der Bundeswehr.

Angesichts extrem kurzer Planungsphasen für gefährliche Aktionen müssten entsprechende Akteure und ihre Netzwerke frühzeitig entdeckt und identifiziert werden, mahnte BfV-Präsident Sinan Selen vor dem Symposium mit dem Titel „Zeitenwende – und jetzt? Die Rolle des BfV in Deutschlands Sicherheitsarchitektur“.

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Eine entscheidende Rolle spiele dabei auch die „Beobachtung relevanter Plattformen im virtuellen Einsatzraum“. Selen sagte: „Ich hoffe, dass uns zukünftig Befugnisse und Fähigkeiten zur Verfügung stehen, über die auch andere europäische Partnerdienste in diesem Zusammenhang verfügen.“

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Sinan Selen, am 13. Oktober 2025 zu einer Anhörung vor einem Kontrollausschuss des Bundestages in Berlin. Foto: Odd Andersen/AFP via Getty Images

Selen zeigte sich zuversichtlich, dass das Innenministerium unter der Führung von Alexander Dobrindt (CSU) entsprechende rechtliche Änderungen vorantreiben wird.

Weg vom Zuständigkeitsdenken

Er betonte: „Hybride Aktionen folgen keinen Zuständigkeiten.“ Deshalb sei es wichtig, weniger in Zuständigkeiten zu denken, sondern stärker in Fähigkeiten.

Ein verbesserter Austausch zwischen verschiedenen Behörden – so wie dies für aktuelle Risiken durch gewaltbereite Islamisten bereits im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern etabliert wurde – sei daher auch mit Blick auf hybride Bedrohungen unabdingbar.

In der zurückliegenden Wahlperiode war vom Bundesinnenministerium eine solche Runde initiiert worden, der eine Task Force gegen Desinformation angegliedert ist. Unter Fachleuten ist man sich weitgehend einig, dass dies nicht ausreicht. Es sollte mindestens durch einen engeren Austausch von operativ Verantwortlichen ergänzt werden.

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Sabotage, Spionage und Desinformation

Der Umgang mit sogenannten hybriden Bedrohungen, denen sich Deutschland seit Beginn des Ukraine-Krieges verstärkt ausgesetzt sieht, war auch ein Schwerpunkt der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern vergangene Woche.

Unter hybrider Kriegsführung wird eine Kombination aus militärischen, wirtschaftlichen, geheimdienstlichen und propagandistischen Mitteln verstanden, mit der auch die öffentliche Meinung beeinflusst werden kann. Auch staatlich gelenkte Cyberattacken zählen dazu.

Ein aus Sicht des BfV besonders gefährliches Beispiel für einen hybriden Angriff war ein mutmaßlich im russischen Auftrag platzierter Brandsatz in einem Paket, der am 20. Juli 2024 noch vor dem Verladen in einem Frachtzentrum am Flughafen Leipzig/Halle in Brand geriet und einen Container entzündete.

Nach Angaben des früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, schrammte Deutschland an diesem Tag nur knapp an einem Flugzeugabsturz vorbei.

Er sagte damals, es sei einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass das Paket noch am Boden lag und nicht während des Fluges in Brand geraten sei, womöglich über bewohntem Gebiet.

Desinformationskampagnen Russlands

Sinan Selen warnt für 2026 auch mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen vor verstärkten Desinformationskampagnen Russlands. „Wir haben immer wieder gesehen, dass Wahlen hier eine ganz große Rolle spielen“, sagte er am Rande des Symposiums. Vor dem Hintergrund der Entwicklung des Ukraine-Krieges könne sich Russland zudem „ermutigt fühlen, den Druck auf Europa noch einmal zu erhöhen“.

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„Beide Faktoren müssen wir sehr genau im Blick behalten“, sagte Selen AFP weiter. Mit Blick auf die Ukraine sagte der Verfassungsschutzchef, es zeigten sich „ganz große Wechselwirkungen“ zwischen der dortigen Lage und dem, „was in der hybriden Bedrohung für Europa ausschlaggebend ist“. Dies seien aus seiner Sicht „kommunizierende Röhren“.

„Das wirkt aufeinander“, fügte Selen hinzu. „Und dementsprechend müssen wir sehr genau betrachten, was in der Ukraine passiert, um zu verstehen, mit welchen Bedrohungsszenarien wir auch in Deutschland und in Europa umgehen müssen.“

In Deutschland finden im kommenden Jahr fünf Landtagswahlen statt: im März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und im September in Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. In den beiden ostdeutschen Flächenländern könnte die AfD nach bisherigen Umfragen klar stärkste Kraft werden.

Auf die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, dass Russland hinter Sabotageakten und Drohnenüberflügen in den vergangenen Monaten in Deutschland und Europa stecke, antwortete Selen: „Das Perfide an diesen Operationen ist, dass man es nie genau weiß.“ Er verwies aber auf ein bekanntes Zitat eines US-Botschafters aus der Zeit der Kuba-Krise: „Wenn es schwimmt wie eine Ente, wenn es quakt wie eine Ente und aussieht wie eine Ente, ist es in der Regel eine Ente.“ (dpa/afp/red)



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