Visumstreit für Afghanen: Auswärtiges Amt will Niederlage im Eilverfahren nicht hinnehmen

In Kürze:
- Nach Eilentscheid für Visumrecht einer Afghanin: Auswärtiges Amt legt Beschwerde ein.
- Beschwerdegründe des Außenministeriums bisher nicht beim Gericht eingetroffen
- Künftiger Umgang mit Einreisewilligen aus Afghanistan in der Prüfung
- AfD-Abgeordneter bemängelt Intransparenz bei Einreisegründen.
Das Auswärtige Amt (AA) wehrt sich gegen einen Beschluss im Eilverfahren des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin vom 7. Juli, nach dem die Bundesregierung einer afghanischen Juristin mitsamt ihren 13 Familienangehörigen Einreisevisa aushändigen muss. Die Bundesrepublik habe sich an ihre bestandskräftigen, nicht widerrufenen Aufnahmezusagen zu halten (Az.: VG 8 L 290/25 V).
„Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Auswärtige Amt, hat fristgerecht Beschwerde gegen den Eilbeschluss eingereicht“, bestätigte das Außenministerium am 28. Juli auf Nachfrage der Epoch Times. Nun muss sich also das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg mit der Frage der Rechtmäßigkeit ihres Anliegens auseinandersetzen.
Nach Angaben eines OVG-Sprechers lag eine Begründung für die Beschwerde aus dem AA mit Stand Montagabend, 28. Juli, nicht vor. „Die Frist hierfür läuft allerdings auch erst in der ersten August-Woche ab“, erklärte der Sprecher auf Anfrage der Epoch Times. Wann das OVG ein Urteil fällen könnte, sei deshalb gegenwärtig nicht absehbar. Ein Aktenzeichen aber habe man bei Gericht schon angelegt: OVG 6 S 39/25.
Das Außenministerium ließ seine Argumente gegen die Aufnahme der klagenden Afghanin und ihrer Familie im Unklaren: „Zu laufenden Gerichtsverfahren äußert sich die Bundesregierung grundsätzlich nicht.“
[etd-related posts=“5187235″]
Das VG hatte es als erwiesen angesehen, dass die Familie von den pakistanischen Behörden zurück in ihre Heimat abgeschoben werden könne, wo ihr „Gefahr für Leib und Leben bevorstehe“, wie es in einer Pressemitteilung hieß. Das hätten die Antragsteller glaubhaft gemacht.
Der Familie war bereits im Oktober 2023 eine Aufnahmezusage durch das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erteilt worden. Sie wartet seitdem in Pakistan auf den Abflug nach Deutschland. Visa wurden bislang nicht erteilt.
[etd-related posts=“5189036″]
Inwiefern von der Beschwerde der Regierung mehrere andere Dutzend Eilverfahren betroffen sein könnten, mit denen weitere afghanische Staatsangehörige vor dem VG Berlin Einreisevisa für sich und ihre Familien durchsetzen wollen, blieb vom AA ebenso unbeantwortet. „Apollo News“ hatte als eines der ersten Medien darüber berichtet, dass die NGO Kabul Luftbrücke eigenen Angaben zufolge „in die Vermittlung zwischen Familien und Anwält*innen involviert“ sei.
AA: „Sicherheit hat oberste Priorität“
„In allen Aufnahmeverfahren für Afghanistan hat Sicherheit oberste Priorität“, betonte das AA gegenüber der Epoch Times. „Alle Personen, die im Rahmen der Aufnahmeprogramme nach Deutschland einreisen, durchlaufen vorher ein mehrstufiges Verfahren.“ Dieses stelle sicher, dass alle Voraussetzungen erfüllt und alle Identitäten geklärt seien sowie keine Sicherheitsbedenken gegen die Einreise der Personen bestünden.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) muss mit den Zusagen der Vorgängerregierung an afghanische Einreisewillige klarkommen. Foto: via dts Nachrichtenagentur
„Das Auswärtige Amt kann sich im Übrigen nicht einfach über die Bedenken der Sicherheitsbehörden hinwegsetzen“, hieß es aus dem Ministerium. Das VG Berlin hatte in seinem Eilbeschluss keine Sicherheitsbedenken bei der afghanischen Klägerin gesehen.
[etd-related posts=“5035154″]
Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte zuletzt immer wieder bekräftigt, sich an bereits offiziell erteilte Aufnahmezusagen seiner Amtsvorgängerin Annalena Baerbock (Grüne) halten zu wollen, sofern nicht Sicherheitsgründe dagegen sprechen würden. Das Verwaltungsverfahrensgesetz lässt ihm dafür etwas Spielraum. Denn in Paragraf 38 (3) heißt es:
„Ändert sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden.“
[etd-related posts=“5194865,5104186″]
36.700 gefährdeten Personen Einlass gewährt
Nach Angaben des Außenministeriums hat Deutschland bis heute mehr als 36.700 Personen aus Afghanistan aufgenommen, „die durch die Taliban individuell und konkret gefährdet waren und verfolgt worden“ seien. Zu den Erfolgsaussichten der rund 2.300 Wartenden schrieb das AA:
„Mit Blick auf den Koalitionsvertrag, der eine Beendigung freiwilliger Aufnahmeprogramme soweit wie möglich vorsieht, befindet sich die Bundesregierung in einer fortgesetzten Prüfung, wie dies für Aufnahmeverfahren aus Afghanistan umgesetzt wird.“
Auf der Website des Bundesinnenministeriums (BMI) ist seit Freitag der vergangenen Woche als Teil eines Artikels zu „Humanitäre Aufnahmeprogramme von Bund und Ländern“ der Passus „Die humanitären Aufnahmeverfahren sind derzeit ausgesetzt“ eingefügt. Das Innenressort übernahm nach der Bundestagswahl Alexander Dobrindt (CSU). Zuvor hatte im BMI Nancy Faeser (SPD) das Sagen gehabt.
[etd-related posts=“5202686,5200646″]
Abschiebezahlen unklar
Wie viele afghanische Staatsbürger insgesamt seit dem ersten Abschiebeflug im August 2024 nach Kabul oder in ein anderes Land ausgeflogen wurden, wurde vom AA nicht konkret beantwortet. Auch das BMI ließ einen Fragenkatalog der Epoch Times bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet.
Bei jenen 81 afghanischen Staatsangehörigen, die am 18. Juli in ihr Heimatland zurückgeflogen worden seien, hatte nach AA-Angaben jedenfalls die „enge Zusammenarbeit mit Katar, das hier als Vermittler gewirkt hat“, zum Erfolg geführt.
Die Gespräche mit dem Emirat am Persischen Golf seien vertraulich. Details darüber mache die Bundesregierung deshalb nicht öffentlich, so das AA.
[etd-related posts=“5193694″]
AfD kritisiert Aufnahme von Afghanen „im großen Stil“ als „unverantwortlich“
Martin Sichert, im Bundestag für die AfD unter anderem im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe tätig, begrüßte die Beschwerde der Bundesregierung gegen das Urteil des VG Berlin.
Er halte es allerdings für „unverantwortlich, dass die Regierung im großen Stil Afghanen nach Deutschland holt, obwohl unsere Sozialsysteme, insbesondere das Bürgergeld, schon jetzt mit Ausländern überlastet sind“. Dies gelte umso mehr, als dass „noch nicht einmal die Identität der Afghanen klar ist, wie wir seit der Visa-Affäre Ende letzten Jahres wissen“.
[etd-related posts=“5030523,4914679″]
Zur Frage der Epoch Times, welche Anstrengungen die aktuelle Leitung des AA derzeit unternimmt, um die noch immer im Raum stehende „Visa-Affäre“ der Ampelvorgängerregierung aufzuklären, hieß es aus dem Ressort von Wadephul: „Unsere Visumvergabe fußt auf Recht und Gesetz. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller beteiligten Stellen nehmen ihre Prüfaufgaben sehr ernst und gewissenhaft wahr. Die Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Behörden ist eng.“
2.308 Menschen warten in Pakistan
Nach Sicherts Informationen wurden mit Stand 14. Juli 2025 in Pakistan derzeit genau „2.308 Personen aus den verschiedenen Aufnahmeverfahren aus Afghanistan“ von der Bundesregierung unterstützt. Sie ließen sich in folgende Statusrubriken einordnen:
- 1.224 afghanische Staatsangehörige aus dem Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan
- 275 afghanische Staatsangehörige aus dem Ortskräfteverfahren (PDF)
- 748 afghanische Staatsangehörige aus dem Überbrückungsprogramm
- 61 afghanische Staatsangehörige von der Menschenrechtsliste
Die Zahlen waren ihm aufgrund einer eigenen schriftlichen Frage vom Juli 2025 durch das BMI mitgeteilt worden. Das Schreiben liegt auch der Epoch Times vor.
Sichert kritisiert intransparente Aufschlüsselung
Für Sichert bleibt die Bundesregierung mit ihrer Antwort „jegliche klare Auskunft über die Zusammensetzung dieser Afghanen, die nach Deutschland geholt werden sollen, schuldig“. Es gebe weder „eine detaillierte geschlechtsspezifische“ noch eine „nach Anlass geführte Aufschlüsselung“. Im Gegenteil würden „die schwammigen Kategorien und fragwürdigen Gründe“ zeigen, wie willkürlich die Auswahl sei, und obendrein „ohne jede Kontrolle durch den Souverän“, wie der AfD-Abgeordnete anmerkte. Und weiter:
„Man hatte den Bürgern einst versprochen, dass es sich bei den nach Deutschland geholten Afghanen um Ortskräfte handelt. Doch tatsächlich sind knapp 90 Prozent keine Ortskräfte.“
Sichert erinnerte daran, dass die Regierung inzwischen „Tausende Afghanen“ eingeflogen habe, während „immer mehr Deutsche in Armut“ abrutschten. Demgegenüber stehe das Schicksal der Deutschen Sonja Nientiet, die sich seit sieben Jahren in den Händen von somalischen Islamisten befinde, „ohne dass die Regierung ernsthafte Versuche unternommen hätte, sie zu befreien“. Auch in der Außenpolitik müsse Deutschland aufhören, „Weltretter zu spielen“, meint Sichert. Er forderte eine Umkehr:
„Die deutsche Regierung ist nicht für das Wohl von irgendwelchen Afghanen oder anderen Ausländern in Pakistan oder anderen Tausende Kilometer entfernten Ländern zuständig, sondern verantwortlich dafür, das Wohl des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden.“
Aufnahmebedingungen erst Ende 2022 näher definiert
Nach dem Abzug der NATO aus Afghanistan Mitte August 2021 war als Grundlage für die Aufnahme von „Ortskräften“ in die Menschenrechtsliste zunächst Paragraf 23 (2) des Aufenthaltsgesetzes herangezogen worden. Darin ist von der „Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ die Rede.
Auch das folgende „Überbrückungsprogramm“ habe gemäß Paragraf 22 (2) Aufenthaltsgesetz der „Wahrung politischer Interessen Deutschlands“ gedient. Erst am 19. Dezember 2022 erließ das BMI eine detailliertere Aufnahmeanordnung zum Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan (PDF).
Eine Aufnahmezusage erhalten können demnach „afghanische Staatsangehörige in Afghanistan, die
- sich durch ihren Einsatz für Frauen- und Menschenrechte oder durch ihre Tätigkeit in den Bereichen Justiz, Politik, Medien, Bildung, Kultur, Sport oder Wissenschaft besonders exponiert haben und deshalb individuell gefährdet sind oder
- die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität oder ihrer Religion eine sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergebende spezifische Gewalt oder Verfolgung erfahren bzw. erfahren haben und deshalb konkret und individuell gefährdet sind, insbesondere als Opfer schwerer individueller Frauenrechtsverletzungen, homo- oder transfeindlicher Menschenrechtsverletzungen oder als exponierte Vertreterinnen und Vertreter religiöser Gruppen/Gemeinden“.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion