Vom Meldeamt zur Kaserne: Bundeswehr erfasst alle 18-Jährigen

Das Verteidigungsministerium bereitet sich darauf vor, unmittelbar nach Inkrafttreten des von der schwarz-roten Koalition geplanten Gesetzes über einen neuen Wehrdienst die Daten aller 18-Jährigen in Deutschland von den Einwohnermeldeämtern abzurufen. Bei Bedarf erfasst die Bundeswehr auch ältere Jahrgänge.
Dies erklärte eine Sprecherin des Ministeriums dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Bisher übermittelten „die Meldebehörden die Daten der Wehrpflichtigen an die Bundeswehr“. Mit den neuen gesetzlichen Grundlagen soll die Bundeswehr die Meldedaten künftig automatisiert bei den Behörden abrufen können.
Männer müssen Fragebogen ausfüllen
Nach dem Datenabruf erhalten alle 18-jährigen Deutschen einen „Online-Zugang zu einem Fragebogen“. Männer sind verpflichtet, diesen auszufüllen. Frauen und Menschen anderen Geschlechts können dies freiwillig tun. Anschließend geht der Fragebogen an die Bundeswehr zurück.
Die technischen Voraussetzungen für den Fragebogen und die Schnittstellen zu den Meldebehörden seien vorhanden. „Vorbehaltlich der politischen Entscheidung könnte die Erfassung auch auf ältere Jahrgänge ausgeweitet werden.“
Vier Karrierecenter werden zu Personalzentren
Die Sprecherin kündigte zudem an, dass vier der insgesamt 15 Karrierecenter der Bundeswehr künftig die Aufgaben der früheren Kreiswehrersatzämter übernehmen.
„Mit der Aussetzung der Wehrpflicht wurden die Kreiswehrersatzämter aufgelöst“, sagte sie. „Nun müssen entsprechende Strukturen für die Wehrerfassung und Wehrüberwachung schrittweise wieder aufgebaut werden.“
Ab 2025 baut die Bundeswehr die vier Karrierecenter zu regionalen Personalzentren aus, um zusätzliche Freiwillige für den Wehrdienst zu gewinnen. Bis 2029 sollen weitere Zentren folgen. Insgesamt verfügt die Bundeswehr über 15 Karrierecenter und 99 Karriereberatungsbüros.
Über das konkrete Wehrdienstmodell und die Details sei bisher nicht entschieden, sagte die Sprecherin.
Union und SPD sprechen von „Freiwilligkeit“ – Linke warnt vor späterem Zwang
Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag ein neues und „zunächst auf Freiwilligkeit“ basierendes Wehrdienstmodell vereinbart. Noch in diesem Jahr sollten dazu die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung geschaffen werden.
„Wir gehen davon aus, dass wir mit einem attraktiven Wehrdienst genügend Freiwillige gewinnen werden. Sollte das eines Tages nicht der Fall sein, wird zu entscheiden sein, junge Männer verpflichtend einzuberufen“, sagte der geschäftsführende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dazu.
In der Verteidigungspolitik ist damit zwischen Union und SPD ein wesentlicher Streitpunkt entschärft, der nach den Verhandlungen in den Arbeitsgruppen verblieben war.
Das von Pistorius vorgeschlagene Modell nach schwedischem Vorbild ziele nicht primär darauf ab, das aktive Personal der Bundeswehr zu vergrößern. Stattdessen solle es die Reserve stärken, indem das Militär kontinuierlich neue Soldaten ausbildet und für die Landes- und Bündnisverteidigung qualifiziert. Nach ihrem Wehrdienst stünden sie der Reserve zur Verfügung.
Der Co-Vorsitzende der Linken, Jan van Aken, wirft der künftigen Koalition vor, einen „Zwang durch die Hintertür“ zu installieren. Van Aken verlangt zudem in einem Positionspapier, über das der „Spiegel“ berichtete, eine Volksbefragung aller 16- bis 25-Jährigen, wie sie zur Frage einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht stehen.
Die Bundeswehr schrumpft
In der Bundeswehr war die Anzahl der Soldaten im vergangenen Jahr trotz mehr Einstellungen erneut leicht gesunken. Zum Jahresende habe es rund 181.150 Soldaten gegeben, erklärte das Verteidigungsministerium. Ein Jahr zuvor, am Stichtag 31. Dezember 2023, waren es rund 181.500 Männer und Frauen in Uniform gewesen.
Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, bescheinigte der Bundeswehr im März in ihrem Jahresbericht einen massiven Personalmangel und forderte entschlossene Schritte. Seit Jahren bereite auch ein zunehmender Altersdurchschnitt Sorgen.
Die Wehrpflicht war in Deutschland im Juli 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam. Praktisch wurden alle nötigen Strukturen aufgelöst, obwohl die Wehrpflicht für Männer im Spannungs- und Verteidigungsfall wieder auflebt. (dts/dpa/red)
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