Wegen „ständiger Anfeindungen“: Grüne-Jugend-Chefin Nietzard verzichtet auf erneute Kandidatur

In Kürze:
- Bundessprecherin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, will ihr Amt im Oktober abgeben
- „Ständige Anfeindungen“ als Hauptgrund für Rückzug genannt
- Aktuelle Äußerungen zum Widerstand gegen die AfD als Auslöser?
Jette Nietzard will ihr Amt als Bundessprecherin der Grünen Jugend (GJ) Mitte Oktober 2025 nach nur rund einem Jahr schon wieder aufgeben. Dann wird beim GJ-Bundeskongress in Leipzig eine neue Führungsspitze gewählt.
Als ersten Grund für ihren Rückzug nannte die 26-Jährige auf ihrem Instagram-Kanal ihre Enttäuschung darüber, linken Themen im Jugendverband nicht mehr Gehör verschafft zu haben. Sowohl der Jugendorganisation als auch der Gesamtpartei wolle sie aber die Treue halten und Mitglied bleiben. „Die Grüne Jugend verliert mich vielleicht als Sprecherin, aber ich verspreche auch, die linke Stimme zu bleiben“, so Nietzard. Für ihren Verband wünsche sie sich, dass „vielleicht nicht nur Weiße an der Spitze stehen“.
Hat ihre plötzliche Rückzugsankündigung vielleicht auch mit einem Interview zu tun, das Nietzard am 21. Juli dem rbb-Sender „radioeins“ gegeben hatte und das aktuell weite Kreise in sozialen Netzwerken und Medien zieht?
Nietzard denkt laut über Widerstand mit Waffen nach
Im Podcast-Format „Freitag Salon“ hatte die GJ-Sprecherin im Berliner Renaissance-Theater ihren Gastgeber Jakob Augstein an ihren Gedanken zu einer möglichen Regierungsbeteiligung der AfD im Jahr 2029 teilhaben lassen. Nachdem Augstein gefragt hatte, was sie zu unternehmen gedenke, wenn man tatsächlich vor diesem „Riesenproblem“ (O-Ton Nietzard) stehe, entgegnete die Bundessprecherin:
„Also ich glaube, dass ich nicht eine Antwort hier gerade liefern kann, was ich dann mache. Ich glaube, es ist schon eine Frage von: Wie sieht dann ein Widerstand aus, zum Beispiel. Also, ist der dann intellektuell, ist der dann vielleicht mit Waffen?“
Sofort darauf schob sie nach: „Ich will jetzt hier nicht in so eine Schublade mich direkt stecken, aber ich glaube, wir sollten uns gesellschaftlich die Frage stellen: Sind wir bereit, Menschen wieder zu verstecken? Sind wir bereit, tatsächlich uns irgendwo hinzusetzen, wo es wichtig ist, um ein Parlament zu verteidigen am Ende?“ Als Augstein nachhakte, ob sie damit meine, sich „gegen den Willen der Wähler“ zu verteidigen, antwortete Nietzard: „Gegen den Faschismus“.
Kurz zuvor hatte sie die AfD als „gesichert rechtsextremistische Partei“ bezeichnet und sich dafür stark gemacht, Vertreter der Alternative für Deutschland nicht zu Sommerinterviews einzuladen, sondern „ein bisschen mehr [zu] canceln“.
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Sie frage sich in letzter Zeit öfter, so Nietzard, „ob wir gerade einen Punkt ein bisschen übersehen, wo wir eigentlich im Nachhinein drauf blicken und sagen, […], da hat es angefangen, und da hätte man mehr intervenieren müssen“ (Audio ab circa 24:07 auf „radioeins“ oder in der „ARD-Audiothek“).
Im Bundestag getragen: „ACAB“ und „Eat the rich“
Nietzard war schon früher immer wieder mit provozierenden Äußerungen und Aktionen aufgefallen. Zuletzt bat sie Anfang Juni für ein Video um Entschuldigung, das sie zum Thema Gaza und Israel veröffentlicht hatte. Der mittlerweile gelöschte und in überarbeiteter Form neu publizierte Beitrag hatte ihr den Vorwurf eingetragen, das Massaker der terroristischen Hamas vom 7. Oktober 2023 im Grenzgebiet von Israel zu verharmlosen.
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Im Mai hatte die gebürtige Leverkusenerin für Aufsehen gesorgt, als sie sich auf ihrem Instagram-Konto in einem Pullover präsentierte, den sie im Bundestag getragen haben soll. Auf dem stand das Kürzel „ACAB“, welches für „All Cops Are Bastards“ (auf Deutsch etwa: „Alle Polizisten sind Schweine“) steht und häufig im linken bis linksextremen Milieu auftaucht. Nietzards Mütze trug auf demselben Foto die Aufschrift „Eat the rich“ (etwa: „Die Reichen sollen dran glauben!“). Ein Foto davon ist noch auf X zu sehen.
Der Gegenwind – auch aus der Mutterpartei – ließ nicht lange auf sich warten. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann forderte Nietzard zum Parteiaustritt auf und empfahl ihr als Alternative eine Mitgliedschaft bei den Linken. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner drohte ihr mit Hausverbot.
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Zu Silvester 2024/25 hatte sie in einem X-Beitrag wenig Empathie für Opfer von Feuerwerkskörpern gezeigt: „Männer die ihre Hand beim Böllern verlieren können zumindest keine Frauen mehr schlagen“, lautete Nietzards Feststellung. Der Eintrag ist ebenfalls nur noch als Bildschirmfoto zu erreichen. Seine Urheberin löschte ihn, als die Kritik daran viral ging.
„Ständige Anfeindungen“ Hauptgrund für Rückzug
Kritik auch aus den eigenen Parteireihen spielte anscheinend ebenfalls eine Rolle bei Nietzards Rückzugsankündigung vom Posten der GJ-Sprecherin.
„Mal wurde ich in Fraktionssitzungen ausgebuht, mal wurde ich von Realo-Spitzenpersonal angeschrien. Oder von Ministerpräsidenten oder solchen, die es werden wollten, wurde mein Rücktritt gefordert“, erklärte sie in ihrem „Instagram“-Video vom 29. Juli 2025, ohne die Namen des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und von dessen mutmaßlichem Nachfolger Cem Özdemir auszusprechen.
„Bei ständigen Anfeindungen kann einfach keine gute Politik entstehen und wenn die Parteispitze es nicht schafft, dass diese Anfeindungen enden, dann ziehe ich eben die Konsequenzen für meinen Jugendverband“, gab Nietzard zu bedenken. „Ganz ehrlich, das sollte nicht der Alltag von der Grünen-Jugend-Sprecherin sein.“
Nietzard: „Immer nach oben getreten, nie nach unten“
Sie habe während ihrer ganzen Zeit als GJ-Bundessprecherin versucht, so die Wahlberlinerin, „Aufmerksamkeit auf linke Themen und auf Ungerechtigkeiten zu lenken“. Selbst mögliche „Diskursverschiebungen“ habe man in den vergangenen neun Monaten nicht geschafft, weil es an Mut und Einigkeit gefehlt habe. Dazu hätten auch „rechte Medienhäuser“ mit „viel Macht“ beigetragen, denen manche Grüne „hinterhergelaufen“ seien, statt sich „mit den eigenen Leuten zu solidarisieren“. Wenn man aber 700.000 Wähler an die Linkspartei verliere, könne man „nicht so weitermachen wie bisher“.
„Und auch wenn man meine Art und meinen Weg dabei vielleicht kritisieren will, egal ob bei Polizei oder bei übergriffigen Männern oder beim Rechtsruck in der Migrationspolitik: Ziel meiner Kritik waren immer Menschen in Machtpositionen, die ihrer Verantwortung halt einfach nicht gerecht wurden“, stellt sie klar. Sie werde immer stolz darauf sein, dass sie „immer nach oben getreten habe und nie nach unten“. Auch für ihre Partei hatte die frühere Flüchtlingshelferin einen Ratschlag parat:
„Grüne müssen Konflikte da führen, wo sie sich für die Menschen lohnen. Das ist mit Superreichen, das ist mit Immobilienkonzernen, die halt dafür verantwortlich sind, dass unsere […]-Mieten so viel zu hoch sind.“
Seit Oktober 2024 zusammen mit Jakob Blasel an der Spitze
Nietzard war zusammen mit dem ehemaligen Fridays-for-Future-Organisator Jakob Blasel im Oktober 2024 zur neuen Doppelspitze der Grünen Jugend gewählt worden, nachdem die bisherige Leitung um Svenja Appuhn und Katharina Stolla mitsamt dem Rest des zehnköpfigen GJ-Vorstands geschlossen den Parteiaustritt angekündigt hatte. Die beiden wurden bei einem Bundeskongress der Grünen Jugend in Leipzig gewählt – die 26-Jährige mit 84,5 Prozent der Stimmen.
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Beim Parteitag im Mai 2024 hatten die Nietzard-Vorgänger unter anderem höhere Steuern für Multimillionäre und Milliardäre, eine Reform der Erbschaftsteuer, die Enteignung von großen Wohnungskonzernen, eine Jobgarantie und generell die Einführung eines „demokratischen Sozialismus“ gefordert.
Die Grüne Jugend gilt wie viele andere Partei-Nachwuchsorganisationen als Kaderschmiede und Sprungbrett für eine politische Laufbahn. Sowohl der amtierende Parteicovorsitzende Felix Banaszak als auch seine Vorgängerin Ricarda Lang hatten die GJ früher angeführt.
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